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EuGH stärkt Arbeitnehmerrechte beim Urlaubsanspruch

In unserem Newsletter vom 22.06.2018 hatten wir Sie bereits vorgewarnt, nun ist es amtlich:

Soeben hat der Europäische Gerichtshof zwei Entscheidungen verkündigt, die gravierende Auswirkungen auf das deutsche Arbeitsrecht haben werden.

1. Urlaub ist erblich

In den verbundenen Rechtssachen C‑569/16 und C‑570/16 klagten zwei Witwen gegen die Arbeitgeber ihrer während des Beschäftigungsverhältnisses verstorben Ehemänner.

In beiden Fällen stritt man sich um die Abgeltung des zu Lebzeiten der Ehemänner noch nicht gewährten Urlaubsanspruchs.

Nach deutschem Recht ist der Urlaub, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden konnte, zwar grundsätzlich abzugelten. Allerdings sind die deutschen Arbeitsgericht immer der Meinung gewesen, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub mit seinem Tod unter geht, so dass er weder in einen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung umgewandelt noch Teil der Erbmasse werden könne.

Das sieht der EuGH anders:

Der EuGH betont, dass der gesetzlich geregelte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zweierlei Zweck verfolge. Zum einen solle er dem Arbeitnehmer Erholung ermöglichen - dies sei im Fall eines Toten nicht mehr möglich. Zudem bestehe jedoch auch der Anspruch auf Bezahlung während des Urlaubs. Dieser könne dem Arbeitnehmer und später auch den Erben nicht rückwirkend entzogen werden. 

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier.


2. Urlaub verfällt nicht automatisch am Ende des Kalenderjahres

Die zweite aktuelle Entscheidung betrifft die Frage, ob der Urlaubsanspruch automatisch am Jahresende verfällt, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht beantragt hat.

Nach deutschen Recht ist es so, dass das Urlaubsjahr (grundsätzlich) das Kalenderjahr ist. Nur wenn der Urlaub aus dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht in Anspruch genommen werden konnte, ist eine Übertragung des Urlaubsanspruchs ins Folgejahr vorgesehen.

In vielen Fällen ist es jedoch so, dass Arbeitnehmer selbst den Urlaub gerne ein wenig hinausschieben, bis das Jahr plötzlich gelaufen ist (das kommt jedes Jahr für Arbeitnehmer in etwa so überraschend wie für die Bahn der Wintereinbruch).

In diesen Fällen konnte der Arbeitgeber die Gewährung des Urlaubsanspruchs verweigern, da der Urlaub zum Jahreswechsel verfallen war. 

Anders sieht es nun der EuGH:

Der EuGH betont in seiner Entscheidung, dass der Arbeitnehmer im Verhältnis zu seinem Chef in der schwächeren Position sei, was es für ihn schwierig mache, auf sein Urlaubsrecht zu bestehen.

Deshalb dürfe der Urlaubsanspruch oder eine entsprechende Ausgleichszahlung nach EU-Recht nur dann verfallen, wenn der Arbeitnehmer nachweislich aus freien Stücken verzichtet habe.
Die Beweispflicht dafür liegt nach Meinung des EuGH beim Arbeitgeber.


Kann er nicht nachweisen, dass er mit "aller gebotenen Sorgfalt" gehandelt hat, um den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage zu versetzen, den ihm zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, verstieße das Erlöschen des Urlaubsanspruchs und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – das entsprechende Ausbleiben der Zahlung einer finanziellen Vergütung für den nicht genommenen Jahresurlaub gegen geltendes EU-Recht.

Wir können daher nur unsere Empfehlung vom 22.06.2018 wiederholen:

 

  • Ausscheidende Mitarbeiter sollten explizit aufgefordert werden, die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehenden Urlaubsansprüche in Anspruch zu nehmen.
  • Für den Verfall der Ansprüche im bestehenden Arbeitsverhältnis, dürfte es in einem ersten Schritt genügen, wenn Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer rechtzeitig und mit dem Hinweis auf einen drohenden Verfall auffordern, ihre Urlaubsansprüche anzumelden, damit sie bis zum Jahresende in Anspruch genommen werden können.
  • Ob das wirklicht ausreicht oder ob Sie die Arbeitnehmer sprichwörtlich "in den Urlaub prügeln" müssen, wird sich zeigen...

Auch den Volltext dieser Entscheidung finden Sie auf der Webseite des EuGH.

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