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Wie setzen die Gerichte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Vorbeschäftigungsverbot bei der sachgrundlosen Befristung um?

Am 06.06.2018 entschied das Bundesverfassungsgericht: 

Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine sachgrundlose Befristung nur dann unzulässig sei, wenn die Vorbeschäftigung weniger als 3 Jahre zurückliege, ist verfassungswidrig. 

Allerdings ließ das Bundesverfassungsgericht den Arbeitsgerichten ein Hintertürchen offen. Das Bundesverfassungsgericht sagte nämlich auch, dass Vorbeschäftigungen unter bestimmten Umständen doch unschädlich sein können. 
Beispielhaft nannte das Bundesverfassungsgericht folgende (Ausnahme-)Konstellationen:

  • Die Vorbeschäftigung liegt sehr lange zurück. 
  • Die Vorbeschäftigung war ganz anders geartet oder nur von sehr kurzer Dauer, was beispielsweise bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul-/Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden oder studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder beruflichen Neuorientierung der Fall sein kann. 

Leider nannte das Bundesverfassungsgericht keine konkreten Rahmenbedingungen für diese Ausnahmefälle, in denen das Vorbeschäftigungsverbot bei der sachgrundlosen Befristung nicht gilt. 

Somit ist es jetzt Sache der Arbeitsgerichte, konkrete Regeln für diese Ausnahmefälle aufzustellen.

Bezogen auf den Ausnahmefall der sehr lange zurückliegenden Vorbeschäftigung liegen jetzt 2 Urteile vor. 

Die erste Entscheidung, die bislang nur als Pressemitteilung vorliegt, wurde am 23.01.2019 (Az.: 7 AZR 733/16) vom Bundesarbeitsgericht gefällt. 

Danach ist ein 8 Jahre zurückliegendes Beschäftigungsverhältnis noch kein ausreichend langer Zeitraum. 

In das gleiche Horn hatte vor dem Bundesarbeitsgericht schon das Landesarbeitsgericht Düsseldorf getutet und per Urteil vom 10.10.2018 (Az.: 7 Sa 792/17) geurteilt, dass eine 5 Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung kein ausreichend langer Zeitraum im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ist. 

Damit steht fest: Eine 8 Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung, für die keine Ausnahmen zutreffen, reicht für eine (erneute) sachgrundlose Befristung nicht. 

Leider wissen wir noch nicht, wie lange der Unterbrechungszeitraum denn sein muss, damit eine sachgrundlose Befristung wieder möglich ist. 

Hier bleibt die weitere Rechtsprechung abzuwarten. Vielleicht gibt es dazu ja auch erste Hinweise, wenn der Volltext der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.01.2019 vorliegt. 

Entschieden wurde durch beide Gerichte auch über die Frage, ob Arbeitgeber, die sich an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts orientiert haben, Vertrauensschutz genießen. Die Antwort lautet:

Arbeitgeber, die mit Rücksicht auf die vormalige "3-Jahres-Regel" des Bundesarbeitsgerichts neue Befristungen ohne sachlichen Grund abgeschlossen haben, bekommen keinen Vertrauensschutz
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat sein Nein zum Vertrauensschutz auch sehr schön begründet, und das liest sich so:



"Zwar hat die Beklagte die Befristungsabrede vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 06.04.2011 - 7 AZR 716/09 - und vom 21.09.2011 - 7 AZR 375/10 - abgeschlossen. Sie konnte jedoch nicht darauf vertrauen, dass die Gerichte diese Rechtsprechungsänderung nachvollziehen werden (vgl. LAG Mecklenburg - Vorpommern, Urteil vom 17.10.2017, 5 Sa 256/16, zitiert nach juris). Höchstrichterliche Rechtsprechung schafft kein Gesetzesrecht und erzeugt keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Die über den Einzelfall hinausreichende Geltung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Kein Prozessbeteiligter kann darauf vertrauen, der Richter werde stets an einer bestimmten Rechtsauffassung aus der bisherigen Judikatur festhalten oder ihr folgen. Soweit durch eine gefestigte Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand begründet wurde, kann diesem erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung getragen werden. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 05.11.2015, 1 BvR 1667/15, Rn. 12; BVerfG, Beschluss vom 15.01.2009, 2 BvR 2044/07, Rn. 85, jeweils zitiert nach juris).
Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen steht der Beklagten kein Vertrauensschutz zu. Die Beklagte konnte die geänderte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur zeitlichen Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbots auf drei Jahre bei Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Kläger nicht als gefestigt betrachten. Es gab zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Kläger keine langjährige und gesicherte Rechtsprechung in dem Sinne, dass nach einer mehr als dreijährigen Unterbrechung ein befristeter Vertrag ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes geschlossen werden kann (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 17.10.2017, 5 Sa 256/16, Rn. 39 zitiert nach juris). Als die Beklagte den Arbeitsvertrag mit dem Kläger abschloss, waren seit der Rechtsprechungsänderung des Bundesarbeitsgerichts erst zirka sieben Monate vergangen. Es liegen keine Umstände vor, die ein Vertrauen der Beklagten hätte begründen können."


Arbeitgeber, die dem Bundesarbeitsgericht folgten, haben also Pech gehabt.

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Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

  • Erstellt am .