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Neues Urteil und neue Verwaltungspraxis:

Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen einer unwiderruflichen Freistellung

Für viele Arbeitgeber wie Arbeitnehmer gehört eine unwiderrufliche Freistellung im Falle der einvernehmlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses einfach dazu. Dabei bedenken die Parteien aber häufig nicht, welche sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen sich aus der unwiderruflichen Freistellung ergeben können.

Die Frage, ob Sie einen Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Trennungsvereinbarung unwiderruflich freistellen oder nicht, spielt an zwei Stellen eine Rolle:

  1. Bei der Frage, ob die Freistellungsvergütung bei der Berechnung des ALG I Anspruchs berücksichtigt wird und
  2. bei der Frage, wann die Sperrzeit beginnt.

Berücksichtigung der Freistellungsvergütung bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes

Aus den bisherigen Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit ergab sich, dass die während der unwiderruflichen Freistellung gezahlte Vergütung bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes außer Betracht bleiben sollte. Das spielte insbesondere in den Fällen eine Rolle, in denen im Laufe oder kurz vor Beginn der Freistellungsphase eine Gehaltserhöhung erfolgt (z.B. aufgrund tarifvertraglicher Vorgaben) oder in denen die Freistellungsphase länger als 1,5 Jahre dauert.
In diesen Fällen haben die Arbeitsagenturen die Gehaltszahlungen während der Freistellungsphase „ignoriert“. Gehaltserhöhungen sind bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes also nicht (oder nicht entsprechend) berücksichtigt worden. Bei länger andauernden Freistellungsphasen konnte es sogar passieren, dass die Arbeitsagentur das maßgebliche Entgelt geschätzt hat (was selten zu Gunsten der Mitarbeiter erfolgte).

Damit ist nun Schluss:
Am 30.08.2018 hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass Zeiten der bezahlten Freistellung bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt werden müssen. Die Entscheidung im Volltext finden Sie hier.

Inzwischen hat auch die Bundesagentur für Arbeit im Februar diesen Jahres ihre Fachliche Weisung korrigiert. Die aktuelle Fassung finden Sie hier.

Was das konkret bedeutet, möchten wir Ihnen gerne an einem Beispiel verdeutlichen:

Sie haben sich bereits im Oktober 2018 mit Ihrem Arbeitnehmer A auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2019 geeinigt. Teil des „Deals“ ist, dass A ab dem 01.10.2018 bezahlt freigestellt wird. Da sich die Vergütung von A nach einem Tarifvertrag richtet und Sie (oder Ihr Arbeitgeberverband) mit der Gewerkschaft einen Tariflohnerhöhung vereinbart haben, bekommt A passenderweise ab dem 01.10.2018 ein um 5% höheres Gehalt.
Nach der alten Verwaltungspraxis haben die Arbeitsagenturen nur das Entgelt, das A vor der Freistellung erhalten hat, bei der Berechnung des Arbeitslosengeldanspruchs berücksichtigt. Infolge der Freistellung erhielt A also weniger Arbeitslosengeld als er bekommen hätte, wenn er nicht freigestellt worden wäre.

Nach der Entscheidung des BSG und der neuen Fachlichen Weisung muss die Arbeitsagentur nun auch die sechs Monate während der Freistellungsphase berücksichtigen; und damit auch das höhere Entgelt.

Beginn der Sperrzeit:
In diesem Zusammenhang möchten wir nochmals auf die bereits zuvor bestehende Praxis der Arbeitsagentur zum Beginn der Sperrzeit im Falle der unwiderruflichen Freistellung aufmerksam machen. Danach ist es nämlich so, dass die Sperrzeit schon mit dem Beginn der Freistellungsphase startet, weil in diesem Moment das „Beschäftigungsverhältnis“ (nicht das Arbeitsverhältnis) endet.


In der entsprechenden Fachlichen Weisung zu § 159 SGB III ließt sich das Ganze so:
„Wird ein Beschäftigungsverhältnis beendet, beginnt die Sperrzeit mit der Beschäftigungslosigkeit, auch wenn das Arbeitsverhältnis fortbesteht.“

Im Klartext: Wenn Sie einen Arbeitnehmer zunächst für mindestens 12 Wochen unwiderruflich freistellen, erhält er im Anschluss an die Freistellungsphase Arbeitslosengeld I. Und zwar egal, ob der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für die Beendigung hatte oder nicht.

Auf die Frage nach dem wichtigen Grund kommt es lediglich zum Ende des Arbeitslosengeldbezugs an. Wie Sie wissen, bedeutet Sperrzeit nämlich nicht nur das Ruhen des Anspruchs zu Beginn des ALG-Bezugs. Sperrzeit bedeutet auch eine Verminderung der Anspruchsdauer am Ende. Diese Verminderung kann unabhängig von der Freistellungsphase eintreten, wenn der Arbeitnehmer bis zu diesem Zeitpunkt noch keine neue Beschäftigung gefunden hat.

Die unwiderrufliche Freistellung kann für den Arbeitnehmer also auch sozialversicherungsrechtlich Vorteile haben.

Bitte melden Sie sich, wenn Sie Fragen haben!

Bettina Steinberg            Dr. Mona Geringhoff              Lydia Voß

  • Erstellt am .