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Mindestlohn – der Nebel lichtet sich weiter.

In unserem Newsletter vom 21.06.2016 (Ausgabe 18/2016) hatten wir Ihnen bereits von dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.05.2016 (Az.: 5 AZR 135/16) berichtet, das damals nur als Pressemitteilung vorlag.

Mittlerweile liegt die Entscheidung im Volltext vor. Deshalb möchten wir unsere damalige Berichterstattung ergänzen bzw. präzisieren.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Entscheidung möchten wir folgendermaßen für Sie zusammenfassen:

  • Der für die Einhaltung des Mindestlohns maßgebliche Berechnungszeitraum ist laut Bundesarbeitsgericht der Kalendermonat.
    Begründung des Bundesarbeitsgerichts: Das Mindestlohngesetz soll den in Vollzeit tätigen Arbeitnehmern ein Monatseinkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze sichern.
  • Der Mindestlohn wird immer dann erfüllt, wenn - so das Bundesarbeitsgericht wörtlich -

    „…die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergibt.“

    Die Einhaltung des Mindestlohngesetzes (MiLoG) können Sie also durch folgende Formel überprüfen:

    X Stunden [= tatsächliche Arbeitsstunden im jeweiligen
    (Kalender)Monat] x € 8,50 = € XY.

    Nur wenn das tatsächlich gezahlte Monatseinkommen kleiner ist als XY haben Sie ein Problem.
  • Sie erfüllen den Mindestlohn auch dann, wenn Sie das dementsprechende Gehalt verspätet leisten. Die verspätete Zahlung kann allerdings eine Ordnungswidrigkeit bedeuten (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG).
  • Zum Mindestlohn zählen alle Geldleistungen, die Sie im Gegenzug für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringen.

    Nicht zum Mindestlohn gehören folglich nur Zahlungen, die

    * Sie ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringen oder
    * die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen, wie dies beim Nachtzuschlag des § 6 Abs. 5 des Arbeitszeitgesetzes der Fall ist.

    Deshalb ist auch ein aufgrund des MiLoG monatlich gezahltes Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf den Mindestlohn anzurechnen. Dies gilt laut BAG jedenfalls dann, wenn das anteilige Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld nur für Monate gezahlt wird, in denen der Arbeitnehmer einen Gehaltsanspruch hat. Denn das ist in den Augen des BAG ein Beleg dafür, dass durch Urlaubs- und Weihnachtsgeld die Arbeitsleistung belohnt wird.

    Die vom Bundesarbeitsgericht in dessen früherem Urteil vom 18.11.2015 (Az.: 5 AZR 761/13) zu den besonderen Branchen-Mindestlöhnen nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz getroffenen Aussagen zu speziellen Zuschlägen lassen sich daher auf den allgemeinen Mindestlohn nach dem MiLoG übertragen.
    In unserem Newsletter vom 13.04.2016 (Ausgabe 11/2016) hatten wir die in jener Entscheidung getroffenen Feststellungen zu verschiedenen Zuschlägen wie folgt tabellarisch für Sie zusammengefasst:
Art der Vergütung Anrechenbarkeit?
Nachtzuschläge Nein
Zuschläge für Überstunden Ja
Zuschläge für Sonn- und/oder Feiertagsarbeit Ja
Monatliche Prämie Ja
Vermögenswirksame Leistungen Nein
Fahrkostenerstattung Nein

Wichtig ist bei der Anrechenbarkeit von Sonderzahlungen und Zuschlägen nur eines: Es muss sichergestellt sein, dass sie dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben, er sie also nicht zurückzahlen muss.

  • Eventuelle Zuschläge sind dem Arbeitnehmer auf die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Liegt die vereinbarte Vergütung unter € 8,50/Std., darf also auch der Zuschlag geringer ausfallen, wenn unterm Strich der Mindestlohn bleibt.
  • Das MiLoG gilt nicht für Zeiten, in denen der Arbeitnehmer ohne Erbringung einer Arbeitsleistung Anspruch auf Vergütung hat.

    Hier bestätigt das Bundesarbeitsgericht also ebenfalls das, was es bereits zu den besonderen Branchen-Mindestlöhnen nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz gesagt hat.

    Die Vergütungsansprüche eines kranken Arbeitnehmers richten sich folglich nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz und nicht nach dem MiLoG. Allerdings wirkt der Mindestlohn bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall natürlich mittelbar auf die Krankheitsvergütung ein.

    Einen Unterschied zwischen dem MiLoG und dem Entgeltfortzahlungsgesetz gibt es allerdings trotzdem: Für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gelten arbeits- oder tarifvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen, für den Mindestlohn wegen § 3 MiLoG bekanntlich nicht.
  • Der Anspruch auf den Mindestlohn ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- und tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. Er betrifft daher auch Arbeitnehmer, deren arbeits- oder tarifvertragliche Vergütung über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt.

    Das spricht dafür, dass man zukünftig selbst bei Topverdienern den Anspruch auf den Mindestlohn besser ausdrücklich aus arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfristen ausnehmen sollte.

    Wie Sie aus unserem Newsletter vom 08.09.2016 (Ausgabe 26/2016) wissen, hat das Bundesarbeitsgericht für die speziellen Branchen-Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz jüngst entschieden, dass Ausschlussfristenregelungen unwirksam sind, wenn der Anspruch auf den Mindestlohn nicht ausdrücklich ausgenommen wurde. Solange die Übertragbarkeit der Rechtsprechung auf den allgemeinen Mindestlohn nicht feststeht, tun Sie daher gut daran, Mindestlöhne unterschiedslos und selbst bei Arbeitnehmern, die eigentlich weit oberhalb des Mindestlohns verdienen, von Ausschlussfristen auszunehmen.


Bettina Steinberg        Dr. Mona Geringhoff        Lydia Voß

  • Erstellt am .