Zum Hauptinhalt springen
Blog durchsuchen

Blog

06. Dezember 2024

Das BAG hat entschieden wie lang eine Probezeit bei befristeten Arbeitsverträgen sein darf

Das BAG hat entschieden wie lang eine Probezeit bei befristeten Arbeitsverträgen sein darf

In unseren Beiträgen vom 21.03.2024 und 30.08.2024 ging es um den neuen § 15 Abs. 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes bzw. die Frage, was eine angemessene Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen ist.

Während das LAG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 18.10.2023 (Az.: 3 Sa 81/23) angenommen hatte, dass eine Probezeit, die 50 % der Befristungsdauer umfasst, angemessen ist, wendete das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 02.07.2024, Az.: 19 Sa 1150/23) eine 25 %-Regel an.

Der Unterschied ist erheblich: Bei einer Befristungsdauer von einem Jahr bedeutet das eine zulässige Probezeit von sechs (LAG Schleswig-Holstein) oder drei (LAG Berlin-Brandenburg) Monaten.

Da die Frage nach der Auslegung von § 15 Abs. 3 TzBfG hinsichtlich der angemessenen Dauer der Probezeit bei Befristungen grundsätzliche Bedeutung hat, hatte das LAG Schleswig-Holstein die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. 

Das Bundesarbeitsgericht hat gestern (Az.: 2 AZR 275/23) entschieden.

Allerdings liegt bis jetzt nur der Tenor der Entscheidung vor; die Begründung lässt noch auf sich warten. 

Fest steht: Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein aufgehoben. Es hat entschieden, dass das Arbeitsverhältnis nicht unter Einhaltung der für die Probezeit maßgeblichen Frist von zwei Wochen, sondern der gesetzlichen Grundkündigungsfrist von vier Wochen zum Monatsende beendet worden ist. 

Offensichtlich hält das Bundesarbeitsgericht die Vereinbarung der Probezeit in diesem Fall also für unwirksam. 

Ob das daran liegt, dass das BAG eine Probezeit, die die Hälfte der Befristungsdauer umfasst, für zu lang hält, oder ob es aus anderen Gründen von der Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung überzeugt ist, werden wir erst erfahren, wenn die Entscheidung im Volltext vorliegt.

Bis dahin sollten Sie jedenfalls Vorsicht walten lassen und lieber von der 25%-Grenze ausgehen.

Sobald wir weitere Informationen haben, melden wir uns!

 

Unsere Blogbeiträge gibt es auch als Newsletter. Melden Sie sich hier an und erhalten Sie aktuelle Informationen aus der Welt des Arbeitsrechts kostenfrei in Ihren Posteingang!

04. Dezember 2024

Happy Holidays mit voller Kasse – Urlaubsabgeltung nach Elternzeit

Happy Holidays mit voller Kasse – Urlaubsabgeltung nach Elternzeit

Wie in unserem „weihnachtlich verpackten“ Newsletter vom 28.11.2024 angekündigt, möchten wir Sie heute mit einem eindrucksvollen Fall daran erinnern, auch bei Elternzeitlern Ihr Urlaubsmanagement zu überprüfen. Bitte verstehen Sie uns nicht falsch: Wir haben nichts gegen Eltern, sondern selbst „Kanzleikinder“ – und wissen, dass Eltern ihren Urlaub wohl verdient haben.
 
Es gilt allerdings zu bedenken, dass per Gesetz der Urlaubsanspruch von Eltern auch dann in vollem Umfang entsteht, wenn sie Elternzeit beanspruchen. Dazu ein Beispiel: Nimmt ein Vater das komplette Jahr 2025 Elternzeit, erwirbt er seinen vollständigen Urlaubsanspruch für das gesamte Jahr 2025 und kann diesen dann in 2026 oder 2027 beanspruchen; das folgt aus § 17 Abs. 2 BEEG. Hat der gute Mann also 30 Urlaubstage pro Jahr (und enthält der Arbeitsvertrag keine Einschränkungen für den vertraglichen Mehrurlaub), wären das – bei einer Rückkehr in Vollzeit – insgesamt 12 (!) Wochen Urlaub, die er für 2026 nehmen kann. Noch krasser wird es, wenn er in Teilzeit zurückkommt; denn der in 2025 entstandene Urlaub wird nicht zeitanteilig auf die Teilzeit gekürzt. Arbeitet er also in 2026 an nur 3 Tagen pro Woche, bescheren ihm die 30 Urlaubstage 10 Wochen Urlaub – plus die (teilzeitanteiligen) 18 Tage für 2026, die ihm weitere 6 Wochen Urlaub ermöglichen.
Und hätte der junge Vater zum Ablauf des Elternzeitjahres gekündigt, stünde ihm Urlaubsabgeltung für 30 Tage, also 1,5 Monatsgehälter zu.
 
Da klingelt die Kasse!
 
Gut beraten ist, wer in solchen Fällen weiß, wie’s geht:

02. Dezember 2024

Aktuelles zum Jobrad – ist die Entgeltumwandlung auch im Anwendungsbereich von Tarifverträgen zulässig?

Aktuelles zum Jobrad – ist die Entgeltumwandlung auch im Anwendungsbereich von Tarifverträgen zulässig?

Aus dem heutigen Arbeitsleben sind sie nicht mehr hinwegzudenken, die per Entgeltumwandlung finanzierten Jobräder.

Für tarifgebundene Arbeitgeber ist die Entgeltumwandlung zugunsten eines Jobrads allerdings nicht risikolos, wenn der anwendbare Tarifvertrag keine Öffnungsklausel zugunsten einer Entgeltumwandlung (auch) für Jobräder enthält.

Nun ist das Risiko, dass Beschäftigte die Entgeltumwandlung wegen einer fehlenden tariflichen Öffnungsklausel monieren, verhältnismäßig klein. Schließlich haben sie sich ja freiwillig für ein Jobrad via Entgeltumwandlung entschieden.

Das größere Ungemach droht „von staatlicher Stelle“, insbesondere von den Sozialversicherungsträgern.
Denn beitragspflichtig ist ja das geschuldete und nicht erst das tatsächlich an die Beschäftigten gezahlte Entgelt. Es kann also durchaus passieren, dass Arbeitgeber Beiträge auf Entgeltbestandteile zahlen müssen, die ihre Beschäftigten nie gesehen bzw. bekommen haben; der Fachjargon spricht insoweit von der Verbeitragung von „Phantomlohn“.

Die Preisfrage ist daher:
Führt eine Entgeltumwandlung für Jobräder im Anwendungsbereich von Tarifverträgen zu beitragspflichtigem Phantomlohn?

28. November 2024

Süßer die Kasse nie klingelt - Neues und Bekanntes zu Müttern und ihren Urlaubsansprüchen

Süßer die Kasse nie klingelt - Neues und Bekanntes zu Müttern und ihren Urlaubsansprüchen

Andächtig steht so mancher in der Weihnachtszeit vor einer Krippendarstellung und hängt angesichts des Dargebotenen romantischen Gedanken nach.

Heutzutage hat die Romantik der eigenen Krippenszene für Mütter spätestens dann ein jähes Ende, wenn es um die Frage geht, ob und welche Ansprüche sie rund um Schwangerschaft und Mutterschaft gegen ihren Arbeitgeber haben. Kurzum: Es geht ums Geld.

Und dazu möchten wir Ihnen ein gerade veröffentlichtes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vorstellen, das zeigt, dass es sogar um sehr viel Geld gehen kann (BAG vom 20.08.2024 Az.: 9 AZR 226/23).

Der Sachverhalt: Eine Zahnärztin mit einem monatlichen Bruttogehalt von EUR 4.182,62 und einem Urlaubsanspruch von 28 Tagen pro Jahr war vom 01.12.2017 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.03.2020 ohne Unterbrechung in Beschäftigungsverboten und Mutterschutz (für zwei Kinder, geboren im Juli 2018 und September 2019, das lange Beschäftigungsverbot nach den Geburten hatte jeweils mit der Stillzeit zu tun; stillende Mütter dürfen nämlich gem. § 12 MuSchG bestimmte Tätigkeiten nicht ausführen). Nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses forderte die Zahnärztin Urlaubsabgeltung für insgesamt 68 Urlaubstage (5 davon aus der Zeit vor dem ersten Beschäftigungsverbot) in Höhe von EUR 13.126,72 brutto.

Der Arbeitgeber weigerte sich zu zahlen. Die Argumente waren interessant, überzeugten die Gerichte aber nicht. Hier eine kleine szenische Zusammenfassung:

19. November 2024

Equal-Pay – Die Urteilsbegründung im Daimler-Fall ist da

Equal-Pay – Die Urteilsbegründung im Daimler-Fall ist da

Am 15.10.2024 hatten wir von dem Urteil berichtet, mit dem das LAG Baden-Württemberg einer langjährigen Daimler-Mitarbeiterin rund EUR 130.000 brutto zugesprochen hatte, weil Daimler die Frau – so die Begründung in der Pressemitteilung – wegen ihres Geschlechts benachteiligt hatte.

Nun liegt das Urteil im Volltext vor und obwohl die Entscheidungsgründe fast 60 Seiten umfassen, bleiben leider viele unserer Fragen unbeantwortet.

Was wir wissen

Die wesentlichen Erkenntnisse aus dem Urteil sind:

  • Welche Kriterien das Gericht für die Feststellung einer geschlechtsbedingten Benachteiligung heranzieht, ist eine Frage des Einzelfalls.
    Ein Indiz für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts liegt vor, wenn der Entgelt-Median des einen Geschlechts geringer ist als der Entgelt-Median des anderen Geschlechts, also einer hypothetischen Vergleichsperson. Es kann aber auch (z.B. in kleineren Einheiten) ausreichend sein, sich auf das Gehalt einer einzelnen, konkret benannten Vergleichsperson des anderen Geschlechts zu berufen, wenn diese ein Entgelt oberhalb der eigenen Vergütung bezieht.

  • Egal, welche Kriterien im Einzelfall maßgeblich sind: Die Entgeltdifferenz zwischen den Geschlechtern lässt eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vermuten. Und diese Vermutung kann nur widerlegt werden, wenn die unterschiedliche Vergütungshöhe sachlich begründet ist.
    Beispielsweise kann eine höhere Vergütung mit einer längeren Betriebszugehörigkeit begründet sein; zumindest, wenn die Betriebszugehörigkeit nach dem betrieblichen Entgeltsystem ein Kriterium für eine höhere Vergütung darstellt.

  • Für das Widerlegen der Vermutung ist das Unternehmen darlegungs- und beweisbelastet. Es muss also vortragen und vollen Beweis dafür erbringen, dass und warum die Vergütungsdifferenz keine rechtswidrige Diskriminierung darstellt. Daimler konnte das schon nicht dartun.

  • Liegt die individuelle Vergütung nicht nur unterhalb der Vergütung der (hypothetischen) Vergleichsperson, sondern auch unterhalb des Medians des eigenen Geschlechts, kann die eigene, individuelle Vergütung nicht zum Vergleich bzw. zur Ermittlung der Entgeltdifferenz herangezogen werden.
    Da es – so das LAG – denklogisch ausgeschlossen ist, dass Vergütungsdifferenzen zwischen Beschäftigten des gleichen Geschlechts auf dem Geschlecht beruhen, kann die schlechtere Bezahlung im Vergleich zum eigenen Geschlecht nur auf einem anderen Grund beruhen als auf einer geschlechtsbedingten Diskriminierung.

  • Aus demselben Grund spielt auch die individuelle Vergütung einer konkreten Vergleichsperson nur eine untergeordnete Rolle, wenn diese oberhalb des Medians für das eigene Geschlecht liegt. Anders ausgedrückt: Wird eine Person besser bezahlt als Angehörige des eigenen Geschlechts, wird das – so das LAG – ebenfalls einen Grund haben, der nichts mit dem Geschlecht zu tun hat.

  • Deshalb hat das LAG den Schaden der Klägerin gedeckelt auf die Differenz zwischen dem weiblichen und dem männlichen Median, obwohl die Klägerin weniger und die von ihr ausgewählte männlich Vergleichsperson mehr verdient haben als es dem Median des jeweils eigenen Geschlecht entspricht.

    Aber Achtung: Hätte Daimler den weiblichen Median nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, hätte das Gericht der Klägerin die Differenz zwischen ihrem individuellen Gehalt und dem männlichen Median zugesprochen!

  • Stellt sich heraus, dass die Vergütungsdifferenz nicht (nur) aus einer geschlechtsbedingten Diskriminierung resultiert, kann die klagende Partei ihren Anspruch auch auf eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes stützen. Voraussetzung ist aber, dass es sich um vergleichbare Beschäftigte handelt, denen Leistungen in unterschiedlicher Höhe gewährt werden, ohne dass es hierfür eine rechtmäßige Erklärung gibt.
    Eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes kann aber nur dazu führen, dass die benachteiligte Partei den Durchschnittswert der Vergleichsgruppe beanspruchen kann. Besteht die Vergleichsgruppe – wie hier – aus mehreren Personen, folgt also auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz keine Höchstvergütung.