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Neue Urteile, die Sie kennen sollten

Dieses Mal geht es um:
Unzulässige Arbeitszeiten, Zeugnisse und Überstunden von Betriebsräten

  1. Hände weg von Vereinbarungen über eine unzulässige Arbeitszeit

Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 24.08.2016, Az: 5 AZR 129/16:

Unternehmen kommen auf manchen Positionen mit einer 40-Woche nicht aus. Wenn der Arbeitnehmer einverstanden ist, spricht auch nichts dagegen, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hochzusetzen.

Aber aufgepasst: Mehr als eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden dürfen Sie nicht vereinbaren. Denn das verstößt gegen § 3 des Arbeitszeitgesetzes.

Durch den Verstoß gegen § 3 des Arbeitszeitgesetzes riskieren Sie aber nicht nur eine Ordnungswidrigkeit nach § 22 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz.

Vielmehr kann es Ihnen dann auch ergehen wie dem Unternehmen, in dem vom Bundesarbeitsgericht jüngst entschiedenen Fall, und das ging so:

Das Unternehmen hatte sich mit einer Arbeitnehmerin auf eine Wochenarbeitszeit von 52,5 Stunden verständigt, die die Arbeitnehmerin auch leistete. Zugleich wurde die Vergütung angehoben. Dann kam es zum Streit. Die Klägerin wollte für ihre über das Arbeitszeitgesetz hinaus geleistete Arbeit mehr Geld und bekam damit beim Bundesarbeitsgericht Recht.

Das Bundesarbeitsgericht hat dazu Folgendes gesagt:

  • Eine Wochenarbeitszeit von über 48 Stunden ist wegen des Verstoßes gegen § 3 des Arbeitszeitgesetzes unwirksam.
  • Die Unwirksamkeit betreffe aber nur den Teil der Abrede, der über 48 Wochenstunden (das ist nach § 3 des Arbeitszeitgesetzes das Maximum) hinausgeht. Im konkreten Fall waren also 4,5 Wochenstunden von der Unwirksamkeit erfasst. Da die Arbeitnehmerin die 4,5 Wochenstunden somit auf Basis einer unwirksamen Regelung geleistet hat, kann sie laut Bundesarbeitsgericht die Bezahlung der 4,5 Wochenstunden zusätzlich zu der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung verlangen. Das folgert das Bundesarbeitsgericht aus § 612 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der von den Gerichten immer dann herangezogen wird, wenn es an einer wirksamen Vergütungsabrede fehlt.

Letztendlich durfte das Unternehmen allein wegen der unwirksamen Arbeitszeitregelung also 4,5 Wochenstunden doppelt bezahlen.

Fazit:  Angesichts dieser Entscheidung sollten Sie darauf achten, keine Abreden mit Ihren Arbeitnehmern zu treffen, die gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen.

 

  1. Wichtige Erkenntnisse beim Vergleich über Zeugnisse

Landesarbeitsgericht Hamm  – Urteil vom 18.02.2016, Az: 18 Sa 1577/15:

In einem Trennungsvergleich ist eine Einigung über das Zeugnis heutzutage ein Muss. Denn ohne ein gutes oder sehr gutes Zeugnis lässt sich heutzutage kaum mehr ein Arbeitnehmer auf einen Trennungsvergleich ein.

Meistens legen Arbeitnehmer-Anwälte Wert auf eine Regelung, die da sinngemäß lautet:

Der Arbeitgeber wird dem Arbeitnehmer ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis nach einem Entwurf des Arbeitnehmers ausstellen, von dem der Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund abweichen darf.

Da viele Arbeitnehmer – erst recht in Zeugnissen – zu Übertreibungen neigen, stehen viele Unternehmen, die einen solchen Vergleich geschlossen haben, immer wieder vor der Frage: Wann dürfen sie von dem Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers abweichen? Wann also ist der im Vergleich vorgesehene wichtige Grund gegeben, das Zeugnis nicht so zu übernehmen wie der Arbeitnehmer es entworfen hat?

Für die vielen Fälle, in denen Arbeitnehmer sich in ihrem Zeugnisentwurf Tätigkeiten zuschreiben, die sie nicht oder nicht in diesem Maße gemacht haben, hat das Landesarbeitsgericht Hamm in einer gerade veröffentlichten Entscheidung entschieden:

Arbeitgeber sind auch bei solchen Zeugnisvergleichen nicht verpflichtet, inhaltlich Unwahres in Zeugnistext zu übernehmen.

Der Grundsatz der Zeugniswahrheit sei nämlich ein so hohes Gut, dass kein Arbeitgeber Unwahres übernehmen müsse. Die Verletzung des Grundsatzes der Zeugniswahrheit ist laut Landesarbeitsgericht Hamm also ein wichtiger Grund.

Anmerkung: Das Urteil erging zu einem Fall bzw. zu einem Zeugnis, in dem der Mitarbeiter unzutreffende Angaben zu seiner Tätigkeit bzw. seinen Tätigkeitserfolgen gemacht hatte.

Man wird das Urteil aber nicht ohne Weiteres auf die Fälle übertragen können, in denen Arbeitnehmer bei der Bewertung übertreiben. Denn bei der Bewertung ist die Faktenlage ja nicht so klar und vielfach Ermessenssache.

Wenn Sie einen Vergleich abgeschlossen haben, wonach Sie nur aus wichtigem Grund von dem Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers abweichen dürfen, könnte der Rechtsstreit daher anders ausgehen, wenn es Streit über die Bewertung gibt. Von dem Entwurf abweichen dürfen Sie bei unzutreffenden Bewertungen wohl nur, wenn dem eine krasse und belegbare Falschbewertung des Arbeitnehmers zugrunde liegt.

 

  1. Bezahlte Überstunden infolge von Betriebsratsarbeit sollen Sie neuerdings auch bei der Berechnung der Urlaubsvergütung von Betriebsräten bezahlen!

Landesarbeitsgericht Köln  – Urteil vom 14.07.2016, Az: 8 Sa 219/16:

Wenn Betriebsratstätigkeit zu Überstunden führt, können Betriebsräte einen Ausgleich verlangen.

Wenn Sie die Überstunden bezahlen, laufen Sie neuerdings Gefahr, dass Sie die zusätzliche Vergütung für die Überstunden auch bei der Bemessung der Urlaubsvergütung bezahlen müssen.

Das ist deshalb ein Ding, weil § 11 Abs. 1 des Bundesurlaubsgesetzes die Berücksichtigung von Überstunden bei der Berechnung der Urlaubsvergütung eigentlich verbietet.

Nach Meinung des Landesarbeitsgerichts Köln ist § 11 Abs. 1 des Bundesurlaubsgesetzes hier aber nicht einschlägig.

Begründung der Kölner Richter:

Zusätzliche Betriebsratstätigkeit ist keine Mehrarbeit im eigentlichen Sinne, sondern nur wie Mehrarbeit zu behandeln.

Da die Frage sehr umstritten ist, hat das Landesarbeitsgericht Köln die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Die weitere Entwicklung bleibt also abzuwarten.

Praxistipp:

Solange die Frage nicht höchstrichterlich geklärt ist, sollten Sie Betriebsräten Überstunden, die durch die Betriebsratstätigkeit anfallen, nicht vorschnell bezahlen.

Dazu besteht nach dem Gesetz auch kein Grund. Das Gesetz sagt nämlich Folgendes:

  • Ausgleichspflichtige Mehrarbeit durch Betriebsratstätigkeit liegt vor, wenn die Betriebsratsarbeit aus betriebsbedingten Gründen nur außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt werden konnte, § 37 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes.
  • Ist diese Voraussetzung erfüllt, muss die Mehrarbeit grundsätzlich in Freizeit ausgeglichen werden, und zwar innerhalb eines Monats. Nur wenn der Freizeitausgleich innerhalb eines Monats nicht möglich ist, ist diese Mehrarbeit zu vergüten.
  • Der Betriebsrat kann auch nicht von Ihnen verlangen, dass Sie vom Vorrang des Freizeitausgleichs binnen Monatsfrist abweichen.
  • Und daraus folgt weiter: Wenn das Betriebsratsmitglied den Freizeitausgleich innerhalb der Monatsfrist verpasst, ohne dass dem Freizeitausgleich betriebliche Gründe entgegen gestanden hätten, gibt es keinen automatischen Anspruch auf Bezahlung der Mehrarbeit.

Wenn Sie sich hieran halten, werden Sie in vielen Fällen erst gar nicht Gefahr laufen, bezahlte Mehrarbeit bei der Urlaubsvergütung zu berücksichtigen.



Bettina Steinberg                    Dr. Mona Geringhoff                      Lydia Voß

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