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Aktuelles zur Befristung mit sachlichem Grund

In fast jedem Unternehmen gibt es befristete Arbeitsverträge. Vielfach sind befristete Arbeitsverträge auch unumgänglich; dies gilt vor allem für Befristungen, mit denen ein Stammarbeitnehmer aufgrund von Krankheit, Elternzeit o.ä. vertreten werden soll. Vor allem diese Befristungen zur Vertretung haben daher in den letzten Jahren immer wieder die Arbeitsgerichte beschäftigt.

Nun wurden zwei Urteile des Bundesarbeitsgerichts veröffentlicht, die die rechtlichen Rahmenbedingungen gerade für solche Vertretungsbefristungen weiter definieren.

In dem ersten Urteil ging es mal wieder um die Frage, wie oft Sie das Arbeitsverhältnis mit ein und demselben Arbeitnehmer befristen dürfen, bevor man Ihnen Missbrauch vorwerfen kann. Denn in vielen Unternehmen gibt es ja immer wieder Arbeitsausfälle. Und wer will es den Unternehmen verdenken, dass sie in solchen Fällen am liebsten auf schon eingearbeitete Ersatzkräfte zurückgreifen.

In der zweiten Entscheidung gibt das Bundesarbeitsgericht Ihnen wichtige Leitlinien für die Frage an die Hand, wann ein Vertretungsfall vorliegt, der eine Befristung rechtfertigen kann. Das hängt laut Bundesarbeitsgericht nämlich davon ab, ob a) Ihr Unternehmen oder b) der Mitarbeiter Ursache für den Vertretungsfall ist.

1. Wie lange und wie oft dürfen Sie befristen, bevor es zum Missbrauch kommt? (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.03.2017, Az.: 7 AZR 369/15)

In unserem Newsletter vom 30. März 2017 hatten wir Ihnen bereits von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.10.2016 (Az.: 7 AZR 135/15) berichtet, in der das Bundesarbeitsgericht erstmals konkret gesagt hat, wie lange oder oft ein Arbeitnehmer beschäftigt sein darf, bevor der Ruch des Missbrauchs entsteht.

In seinem Urteil vom 21.03.2017 hat das Bundesarbeitsgericht diese Grundsätze noch einmal konkretisiert.

Da das „Amtsdeutsch“ des Bundesarbeitsgerichts keine leichte Kost ist, haben wir versucht, die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze praxisgerecht für Sie aufzubereiten.

Dabei rausgekommen ist die nachfolgende Übersicht:

1. Kein Problem mit Missbrauch

Fall 1:

Die Befristung läuft nicht länger als 8 Jahre und es wurden nicht mehr als 3 Verlängerungen vereinbart.

Fall 2:

Die Befristung läuft nicht länger als 2 Jahre und es wurden nicht mehr als 12 Verlängerungen vereinbart.

Fall 3:

Die Befristung läuft nicht länger als 6 Jahre und es wurden zwar mehr als 3, aber nicht mehr als 9 Verlängerungen vereinbart.

Anmerkung:

In diesen 3 Fällen ist die Befristung mit sachlichem Grund unkritisch. Es findet keine Missbrauchskontrolle statt. Praxisrelevant dürften allerdings nur Fall 1 und Fall 3 sein.

 

2. Es muss eine Missbrauchskontrolle durchgeführt werden

Fall 1:

Die Befristung läuft länger als 8 Jahre,  aber nicht länger als 10 Jahre und es wurden nicht mehr als 3 Verlängerungen vereinbart.

Fall 2:

Die Befristung läuft nicht länger als 2 Jahre und es wurden mehr als 12, aber nicht mehr als 15 Verlängerungen vereinbart.

Fall 3:

Die Befristung läuft länger als 6, aber nicht länger als 8 Jahre und es wurden mehr als 9, aber nicht mehr als 12 Verlängerungen vereinbart.

Anmerkung:

Auch hier ist es wieder so, dass Fall 1 und 3, nicht aber Fall 2 besonders praxisrelevant sein dürfte.

 

3. Missbrauch wird vermutet und muss vom Arbeitgeber entkräftet werden.

Fall 1:

Die Befristung läuft länger als 10 Jahre.

Fall 2:

Die Befristung läuft nicht länger als 2 Jahre und es wurden mehr als 15 Verlängerungen vereinbart.

Fall 3:

Die Befristung läuft länger als 8 Jahre und es wurden mehr als 12 Verlängerungen vereinbart.

Anmerkung:

Hier gilt das gleiche wie zuvor; Fall 2 dürfte nicht sonderlich praxisrelevant sein.

 

So weit so gut.

Aber was ist, wenn solche Befristungsketten mal unterbrochen werden, weil zeitweise kein Vertretungsfall besteht?
Geht die Rechnung dann wieder von vorne los?

Auch darauf hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 21.03.2017 jetzt eine erste Antwort gegeben:

Das Bundesarbeitsgericht hat nämlich gesagt, dass die Rechnung dann wieder von vorne losgeht, wenn zwischen verschiedenen befristeten Arbeitsverträgen eine erhebliche Unterbrechung lag.
Erheblich ist laut Bundesarbeitsgericht eine Unterbrechung jedenfalls dann, wenn sie – wie im entschiedenen Fall – 2 Jahre dauert.

Was ist mit Unterbrechungen von unter 2 Jahren ist, konnte das Bundesarbeitsgericht offen lassen.

Die jetzt entschiedenen 2 Jahre sind aber schon einmal eine „Hausnummer“, an der sich die betriebliche Praxis orientieren kann.

2. Wann liegt ein befristungsrelevanter Vertretungsfall vor? (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.04.2017, Az.: 7 AZR 436/15)

In diesem Urteil ging es um die Frage, wann ein Vertretungsfall vorliegt, der eine Befristung mit dem sachlichen Grund des § 14 Absatz 1 Nr. 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes rechtfertigen kann.

Auch hier hat das Bundesarbeitsgericht wichtige Leitlinien aufgestellt.

Erste Leitlinie:
Es kommt darauf an, ob der Vertretungsfall vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber verursacht wurde.
Von einer Verursachung durch den Arbeitnehmer geht das Bundesarbeitsgericht aus, wenn die Stammkraft krank ist, in Elternzeit ist, o.ä.

Dem gegenüber wird der Vertretungsfall vom Arbeitgeber verursacht, wenn der Stammarbeitnehmer z. B. vorübergehend auf einem anderen Arbeitsplatz beschäftigt werden soll.

  • Wird der Vertretungsfall vom Arbeitnehmer verursacht liegt ein Vertretungsfall vor, es sei denn, dass Sie aufgrund der Ihnen vorliegenden Informationen erhebliche Zweifel daran haben müssen, dass die Stammkraft zurückkehrt.
  • Haben Sie den Vertretungsfall verursacht, macht es Ihnen das Bundesarbeitsgericht nicht so leicht. Im Streitfall müssen Sie dann nämlich darlegen, dass Sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages berechtigterweise davon ausgehen durften, dass die Stammkraft an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehrt.

Zweite Leitlinie:
Bei der zweiten Leitlinie geht es um die Frage, wie Sie den Vertreter einsetzen dürfen.
Auch hier unterscheidet das Bundesarbeitsgericht zwischen einem von der Stammkraft verursachten Vertretungsfall und einem von Ihnen verursachten Vertretungsfall.

  • Hat die Stammkraft den Vertretungsfall verursacht, können Sie den Vertreter folgendermaßen einsetzen:
    • auf dem Arbeitsplatz der Stammkraft,
    • auf dem Arbeitsplatz eines anderen Stammarbeitnehmers, der wiederum die ausgefallene Stammkraft vertritt (sogenannte Vertretungskette) oder
    • auf einem anderen Arbeitsplatz, den Sie auch der ausgefallenen Stammkraft kraft Ihres Weisungsrechts hätten übertragen können; in diesem letzten Fall verlangt die Rechtsprechung allerdings zusätzlich von Ihnen, dass Sie in dem befristeten Arbeitsvertrag klarstellen, dass die Befristung zur Vertretung von Herrn oder Frau XY erfolgt (diese Klarstellung ist nach Rechtsprechung wichtig, weil der Vertreter ja andere Aufgaben als die vertretene Stammkraft ausüben soll).
  • Wenn Sie den Vertretungsfall verursacht haben, gehen laut Bundesarbeitsgericht hingegen nur die ersten beiden Varianten, nicht aber die dritte Variante. Mit anderen Aufgaben als die, die die Stammkraft hatte, dürfen Sie den Vertreter bei einem von Ihnen verursachten Vertretungsfall mit Ausnahme einer Vertretungskette also nicht betrauen.

Wenn Sie Fragen hierzu haben, melden Sie sich bitte.

Bettina Steinberg         Dr. Mona Geringhoff              Lydia Voß

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