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Aktuelles vom Mindestlohngesetz

In diesem Newsletter soll es um die Anrechenbarkeit von Zulagen auf den Mindestlohn sowie das Thema Ausschlussfristen und Mindestlohn gehen.

Sonntagszuschläge, Feiertagszuschläge sowie Leistungszulagen können auf den Mindestlohn angerechnet werden – Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 24.05.2017 (Az: 5 AZR 431/16) sowie vom 06.09.2017 (Az: 5 AZR 317/16):

 

Stellen Sie sich Folgendes vor:

Sie zahlen einem Arbeitnehmer einen Stundenlohn von Euro 8,00 plus einer Leistungszulage von Euro 0,50 pro Stunde. Nimmt man Stundenlohn und Leistungszulage zusammen kommt der Arbeitnehmer also auf ein Stundenentgelt von Euro 8,50. Zusätzlich erhält der Arbeitnehmer für die von ihm (zulässigerweise) an Sonn- und Feiertagen geleistete Arbeit Sonn- und Feiertagszuschläge. Durch die Sonn- und Feiertagszuschläge kommt der Arbeitnehmer im Monat Dezember 2017 auf einen durchschnittlichen Stundenlohn von Euro 8,90. Wie Sie wissen, beläuft sich der aktuelle Mindestlohn auf brutto Euro 8,84 pro Stunde. Im Beispielsfall kommt es daher entscheidend darauf an, ob Leistungszulage sowie Sonn- und Freitagszuschläge auf den Mindestlohn angerechnet werden können oder aber nicht. Müssen Zulage und Zuschläge außen vor bleiben, würde der Mindestlohn nicht erreicht. Wären Zulage und Zuschläge dagegen mindestlohnrelevant, liegt der Stundenlohn sogar etwas über dem aktuellen Mindestlohn.

Wie das Bundesarbeitsgericht am 24.05.2017 (Az: 5 AZR 431/16) sowie am 06.09.2017 (Az: 5 AZR 317/16) entschieden hat, können Sonn- und Feiertagszuschläge sowie die Leistungszulage auf den Mindestlohn angerechnet werden.

In unserem Beispielsfall wurde der Mindestlohn daher erfüllt. Das Bundesarbeitsgericht wiederholt in diesen Urteilen noch einmal:

Grundsätzlich sind alle im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung stehenden Zahlungen des Arbeitgebers auf den Mindestlohn anzurechnen. Ausnahmsweise nicht anrechenbar sind:

  • Zahlungen, die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen, wie das bei dem gesetzlich verankerten Zuschlag für Nachtarbeit der Fall.
  • Leistungen, die ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbracht werden.

Arbeitgeber, die nur unter Berücksichtigung von mindestlohnrelevanten Zulagen und Zuschlägen auf den Mindestlohn kommen können, müssen daher nach folgender, vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Formel prüfen, ob sie den Mindestlohn erfüllen:

Tatsächlich geleistete Arbeitsstunden x Euro 8,84 = Euro XY (Mindestlohn).

Kein Problem haben diese Arbeitgeber, wenn das tatsächlich geleistete Monatsgehalt = oder > Euro XY ist. Ist das Monatsgehalt dagegen < als Euro XY, ist der Mindestlohn nicht erfüllt und der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Ausgleich der Differenz.

Grundsätzlich gilt diese Berechnungsmethode auch für Überstunden. Überstunden müssen also grundsätzlich ebenfalls mit dem Mindestlohn bezahlt werden. Bei Überstunden können Sie dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Differenzvergütung allerdings dadurch entgehen, dass Sie mit dem Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto vereinbart haben. Bitte beachten Sie: Nach § 2 Absatz 2 des Mindestlohngesetzes muss die Vereinbarung eines solchen Arbeitszeitkontos ausdrücklich und schriftlich geschehen.

Sind Ausschlussfristenregelungen auch dann wirksam, wenn Ansprüche auf den Mindestlohn nicht ausdrücklich von der Ausschlussfristenregelung ausgenommen wurden? Landesarbeitsgericht Nürnberg (Az: 7 Sa 560/16) sowie Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 04.05.2017 (Az: 19 Sa 1172/16):

Der erste und vom Landesarbeitsgericht Nürnberg entschiedene Fall betrifft eine arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfristenregelung, in der Mindestlohnansprüche nicht ausdrücklich ausgenommen worden waren. Nach der vom Landesarbeitsgericht Nürnberg vertretenen Auffassung ist die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung deswegen aber nicht unwirksam. Vielmehr gilt:

Zahlungsansprüche in Höhe des Mindestlohns werden wegen der Regelung in § 3 Satz 1 des Mindestlohngesetzes automatisch nicht von der Ausschlussfrist erfasst. Dem gegenüber verfallen die über dem Mindestlohn liegenden Ansprüche innerhalb der vertraglich vereinbarten Ausschlussfristen.

Da die Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg die Revision zugelassen. Das Revisionsverfahren läuft auch schon. Wie das Bundesarbeitsgericht urteilen wird, lässt sich nicht genau vorhersagen. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 24.08.2016 (Az: 5 AZR 703/15) entschieden, dass eine solche Ausschlussfristenregelung bezogen auf den gesetzlichen Pflegemindestlohn unwirksam ist. Zwischen den gesetzlichen Regelungen über den Pflegemindestlohn und den allgemeinen Mindestlohn gibt es aber einen Unterschied:

Nach § 9 des Arbeitnehmerentsendegesetzes in Verbindung mit der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche (das ist die gesetzliche Grundlage für den Pflegemindestlohn) sind Regelungen unwirksam, die einen Verzicht oder eine Verwirkung von Ansprüchen auf den Mindestlohn zur Folge haben.

Demgegenüber steht in § 3 Satz 1 des Mindestlohngesetzes, dass Vereinbarungen nur insoweit unwirksam sind, als sie den Mindestlohn unterschreiten.

Im Mindestlohngesetz ist anders - als im Arbeitnehmerentsendegesetz - die notwendige Differenzierung also sozusagen schon gesetzlich eingebaut. Genau das war dann auch einer der Gründe, dessentwegen das Landesarbeitsgericht Nürnberg die umstrittene Ausschlussfristenregelung durchgehen ließ.

Ob das Bundesarbeitsgericht das genauso sieht, bleibt abzuwarten. Abzuwarten bleibt außerdem, wie das Bundesarbeitsgericht mit arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelungen umgeht, die – wie in dem vom Landesarbeitsgericht Nürnberg entschiedenen Fall – bereits vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes arbeitsvertraglich vereinbart wurden.

Bis zu einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sollten Sie daher auf Nummer Sicher gehen und auch Ansprüche auf den gesetzlichen Branchen-Mindestlohn oder den allgemeinen Mindestlohn ausdrücklich von Ihrer Ausschlussfristenregelung ausnehmen.

In der zweiten Entscheidung vom Hessischen Landesarbeitsgericht ging es um das gleiche Problem, nur mit dem Unterschied, dass hier eine tarifvertragliche Ausschlussfristenregelung auf dem Prüfstand war. Denn die meisten tarifvertraglichen Ausschlussfristenregelungen nehmen Mindestlohnansprüche ebenfalls nicht ausdrücklich von den Ausschlussfristen aus.

Auch das Hessische Landesarbeitsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass die tarifvertragliche Ausschlussfristregelung nicht unwirksam ist, ließ aber genauso wie das Landesarbeitsgericht Nürnberg die Revision zu, die ebenfalls bereits eingelegt wurde.

Da für tarifvertragliche Regelungen die besondere Wirksamkeitskontrolle nach § 305 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht gilt und das Bundesarbeitsgericht die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung beim Pflegemindestlohn hieran scheitern ließ, sind wir zuversichtlich, dass das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts zu tarifvertraglichen Ausschlussfristen hält.

Wenn Sie Fragen hierzu haben, melden Sie sich bitte.

Bettina Steinberg         Dr. Mona Geringhoff         Lydia Voß

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