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Die never ending Story des Urlaubsrechts

Das Jahr 2017 geht zu Ende. Die Urlaubsrechtsprechung tut es nicht, wie folgende Urteile belegen:

1. Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12.09.2017 (Az.: 2 Sa 16/17):

In der ersten Entscheidung vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern ging es um die höchst streitige Frage, wie der Alturlaub aus der Vollzeittätigkeit nach dem Wechsel in die Teilzeit zu bezahlen ist. Noch einmal zur Erinnerung: In seiner Entscheidung vom 10.02.2015 (AZ: AZR 53/14 (F)) entschied das Bundesarbeitsgericht: Urlaubsansprüche, die noch aus einer Vollzeit resultieren, dürfen nicht auf die Teilzeit umgerechnet werden. Offen ist die Frage, wie der noch aus der Vollzeittätigkeit stammende Urlaub zu bezahlen ist.

Hierzu entschied jetzt das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, dass sich nicht nur die Länge des Urlaubs, sondern auch die Urlaubsvergütung nach der Vollzeittätigkeit bemesse. Auch Tarifverträge, die anderes vorsehen, sind nach dessen Auffassung insoweit unwirksam. Toll!

Wie das Bundesarbeitsgericht die Frage beantworten wird, bleibt abzuwarten. Die Revision gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern wurde bereits eingelegt.

2. Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.06.2017 (Az.: 3 Sa 128/17), Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.06.2017 (Az.: 11 Sa 2068/16) sowie Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 29.11.2017 (Az.: C-214/16):

Wie Sie wissen, verfallen Urlaubsansprüche bei Langzeiterkrankung nach neuer Rechtsprechung nicht schon bis spätestens 31.03. des Folgejahres, sondern erst bis spätestens 31.03. des übernächsten Jahres. Dahinter steht folgender Gedanke: Arbeitnehmer, die keinen Urlaub nehmen können, sollen dafür nicht über Gebühr bestraft werden. Nun gibt es außer Erkrankungen ja noch weitere Fälle, in denen Arbeitnehmer keinen Urlaub machen können. Wie es mit dem Verfall der Urlaubsansprüche in diesen anderen Fällen bestellt ist, ist noch unklar und – wie Sie gleich sehen werden – selbst innerhalb ein- und desselben Gerichts stark umstritten.

a)  In den beiden, von der 3. und der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg entschiedenen Fällen ging es um den Verfall von Urlaubsansprüchen, wenn der Arbeitnehmer ein Sabbatical, also unbezahlten Urlaub, in Anspruch nimmt. Die Meinungen über den Verfall von Urlaubsansprüchen sind bei der 3. und der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg geteilt:

  • Nach der von der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vertretenen Auffassung ändert sich durch ein Sabbatical nichts an den regulären Verfallfristen.
  • Dem gegenüber wendet die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg die für Langzeiterkrankungen entwickelte verlängerte Verfallfrist auch auf Sabbaticals an.

Endgültige Klarheit kann auch hier nur das Bundesarbeitsgericht schaffen. In beiden Fällen laufen schon die Revisionsverfahren beim Bundesarbeitsgericht. Bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sollten Sie sich außerhalb von Langzeiterkrankungen auf die regulären Verfallfristen berufen.

b)  Ebenfalls zu diesem Problemkreis passt ein vom Europäischen Gerichtshof entschiedener Fall, der eine besondere, aber trotzdem sehr praxisrelevante Konstellation betraf: Stellen Sie sich vor, Sie haben einen freien Mitarbeiter, der aber in Wahrheit kein freier Mitarbeiter, sondern Arbeitnehmer ist. Nun haben freie Mitarbeiter ja keinen Urlaubsanspruch. Was aber ist, wenn sich später herausstellt, dass sie Arbeitnehmer waren und daher doch einen Urlaubsanspruch hatten? Können Sie sich auch jetzt auf Verfallfristen berufen?

Der Europäische Gerichtshof hat diese Frage in seiner Entscheidung vom 29.11.2017 in einem Fall, der in England spielte, mit Nein beantwortet. Überträgt man diese Entscheidung auf das deutsche Recht, wird man daraus folgende Konsequenzen ziehen müssen: Wenn Sie „Scheinselbständige“ beschäftigen, werden Sie sich im Zweifel auf gar keine Ausschlussfrist, sondern nur auf die 3-jährige Verjährungsfrist berufen können.  Auch hier bleibt die weitere Entwicklung bzw. Umsetzung im deutschen Recht abzuwarten.

3. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.05.2017 (Az.: 5 AZR 251/16):

Arbeitnehmer, deren Urlaubsansprüche verfallen sind, versuchen vermehrt, sich über einen Schadensersatzanspruch aus den Verfallfristen zu retten. Nach der bisher vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Auffassung setzt die „Flucht in den Schadensersatzanspruch“ allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer den Urlaub zuvor, und zwar erfolglos, gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht hat. Wie Sie aus unseren bisherigen Berichterstattungen wissen, wird diese Sichtweise zunehmend in Frage gestellt. Nach Auffassung der Kritiker dieser Rechtsprechung sollen Schadensersatzansprüche – platt gesprochen – vielmehr schon dann entstehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht rechtzeitig in den Urlaub geschickt hat.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich dieser Kritik angenommen und die Frage mittlerweile dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Der Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts wird allerdings erst im neuen Jahr vom Europäischen Gerichtshof beantwortet werden.

Bis dahin müssen Sie sich mit der „rechtskräftigen“ Beantwortung der Frage, ob Sie Arbeitnehmer notfalls von sich aus in den Urlaub schicken müssen, um Schadensersatzansprüche zu vermeiden, noch gedulden.

Nicht mehr gedulden müssen Sie sich allerdings, wenn es um die Frage geht, ob Sie Schadensersatz auch dann schulden, wenn Sie den Arbeitnehmer in dessen Arbeitsvertrag nicht auf dessen Urlaubsansprüche hingewiesen haben.

Genau darum ging es in dem vom Bundesarbeitsgericht am 24.05.2017 entschiedenen Fall. Eine findige Arbeitnehmerin hatte den Schadensersatzanspruch folgendermaßen argumentiert: Da der Urlaub nicht in ihrem Arbeitsvertrag geregelt sei, habe der Arbeitgeber gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 des Nachweisgesetzes verstoßen und sich deshalb schadensersatzpflichtig gemacht. Diese Argumentation hat das Bundesarbeitsgericht allerdings nicht durchgehen lassen. Allerdings unterlag die findige Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht nur deshalb, weil sie nicht vorgetragen hatte, dass sie, wenn sie vom Urlaubsanspruch Kenntnis gehabt hätte, diesen rechtzeitig geltend gemacht hätte.

Noch findigere Arbeitnehmer könnten daher in Zukunft auf die Idee kommen, entsprechenden Vortrag vor Gericht zu halten. Ob ein solcher Vortrag glaubhaft ist, steht auf einem anderen Blatt; denn welcher Arbeitnehmer will schon ernsthaft behaupten, dass er nicht wusste, dass er keinen Urlaubsanspruch hat, selbst wenn ein solcher nicht im Arbeitsvertrag geregelt ist.

Vorsicht ist natürlich trotzdem angebracht. Deshalb sollten Sie Urlaubsansprüche besser im Arbeitsvertrag regeln. Das gilt im Übrigen auch für Arbeitsverträge von Minijobbern, bei denen Urlaubsansprüche ja manchmal geflissentlich unerwähnt bleiben.

4. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.07.2017 (Az.: 5 Sa 100/17)

Diese Entscheidung ist keine neue Erkenntnis. Von diesem Urteil möchten wir nur berichten, weil es zeigt, dass die neue Urlaubsrechtsprechung bei manchen Arbeitgebern noch nicht in all ihren Facetten und Verästelungen sitzt.

Es ging um die Erteilung von Urlaub im Zuge des Ausspruchs einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung.

  • Früher war es laut Bundesarbeitsgericht möglich, den Mitarbeiter für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung bereits mit Ausspruch der Kündigung in den restlichen Urlaub zu schicken.
  • Per Urteil vom 10.02.2015 (Az.: 9 AZR 455/13), über das wir berichtet haben, hat das Bundesarbeitsgericht diese Rechtsprechung allerdings aufgegeben. Seither gilt: Eine Urlaubserteilung für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung ist nur möglich, wenn Sie dem Arbeitnehmer das ihm für den Urlaub zustehende Urlaubsentgelt tatsächlich auszahlen oder Sie dem Arbeitnehmer bedingungslos (also unabhängig davon, ob Ihre fristlose Kündigung hält) die Zahlung der Urlaubsvergütung zusagen. Wenn Sie aber nur ein Fünkchen Hoffnung darauf haben können, dass Ihre fristlose Kündigung hält, werden Sie das sicher nicht tun.

Eine solche Zusage nicht abgegeben hatte auch der Arbeitgeber in dem vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall. Leider hatte sich seine Hoffnung auf die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung allerdings nicht erfüllt. Deshalb erlitt er vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Schiffbruch und musste dem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis inzwischen beendet war, den restlichen Urlaub als Urlaubsabgeltung zahlen.

Mit diesem Newsletter passend zum Weihnachtsurlaub verabschieden wir uns von unseren Leserinnen und Lesern für dieses Jahr.

Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien einen guten Rutsch in ein gesundes, glückliches und erfolgreiches Jahr 2018.

Bettina Steinberg         Dr. Mona Geringhoff         Lydia Voß

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