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Widerrufsvorbehalte / Stichtagsklauseln und Urlaubspläne - wie macht man all das richtig?

Heute soll es um diverse Urteile gehen, die einmal mehr die Tücken der täglichen Personalarbeit demonstrieren.

1. Wie gestalten Sie einen Widerrufsvorbehalt? (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.07.2017, Az.: 4 Sa 512/16):
Ein Fall mitten aus der betrieblichen Praxis: Ein Unternehmen vereinbarte mit einem Arbeitnehmer, der aufgrund seines Einsatzes mehr Geld haben wollte, zusätzlich zum Gehalt eine Pauschale für 17,4 Mehrarbeitsstunden pro Monat.
Da sich das Unternehmen nicht ewig an die Mehrarbeitspauschale binden wollte, vereinbarte es mit dem Arbeitnehmer gleichzeitig:

„Diese hier getroffene Vereinbarung ist jederzeit widerruflich. Sie kann
insbesondere dann widerrufen werden, wenn sich die Voraussetzungen und
tatsächlichen Gegebenheiten, unter denen sie abgeschlossen worden ist,
wesentlich oder ganz ändern.“

Jahre später war es dann soweit. Das Unternehmen widerrief die Mehrarbeitspauschale. Sodann stritten die Parteien darüber, ob der Widerruf berechtigt war.

Das Arbeitsgericht Mainz und das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz sagten "Nein" zum Widerruf.

Begründung: Der zwischen dem Unternehmen und dem Arbeitnehmer vereinbarte Widerrufsvorbehalt ist unwirksam, da die Widerrufsgründe nicht abschließend und auch nicht ausreichend beschrieben worden sind.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz stört sich schon daran, dass die Mehrarbeitspauschale jederzeit widerruflich sein soll und die dann genannten Widerrufsgründe nur Beispiele für einen Widerruf sind. Die dann genannten Beispiele waren dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz ebenfalls viel zu unkonkret.

Mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Widerrufsvorbehalten ist die Entscheidung korrekt.
Denn danach ist ein Widerrufsvorbehalt nur dann wirksam, wenn die Widerrufsgründe a) abschließend und b) möglichst konkret in der Vereinbarung beschrieben worden sind.
Ist das nicht der Fall, ist der Widerrufsvorbehalt insgesamt unwirksam. Er gilt dann als nicht vereinbart, mit der weiteren Folge, dass die zusätzliche Leistung (im konkreten Fall war es die Mehrarbeitspauschale) gar nicht mehr widerrufen werden kann.

2. Freiwilligkeitsvorbehalte und Stichtagsklauseln beim Weihnachtsgeld (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.11.2017, Az.: 4 Sa 340/17):
Auch dieses Urteil ist eine Demonstration für die Tücken der Vertragsgestaltung.
In dem Arbeitsvertrag eines Unternehmens fand sich folgende Regelung über ein Weihnachtsgeld:

§ 12 Freiwillige Zahlung (Weihnachtsgeld)

Die Firma zahlt ihrem Arbeitnehmer ein Weihnachtsgeld in Höhe eines
halben monatlichen Bruttogehalts.

Diese Zahlung stellt eine freiwillige Leistung dar. Ein Anspruch darauf wird
für die Zukunft auch bei wiederholter Zahlung nicht begründet.

Voraussetzung für die freiwillige Zahlung des Weihnachtsgelds ist, dass der
Mitarbeiter vor dem 01.07. des Kalenderjahres ins Unternehmen
eingetreten ist und zum Zeitpunkt der Auszahlung in einem ungekündigten
Arbeitsverhältnis steht. Soweit der Arbeitnehmer unterjährig beschäftigt ist,
wird das Weihnachtsgeld auf 1/12 für jeden vollen Monat des Bestehens des
Arbeitsverhältnisses berechnet. Die Auszahlung des Weihnachtsgelds erfolgt
mit dem November-Gehalt des laufenden Kalenderjahres.“

Ein Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis im November per 31.12.2016 gekündigt hatte, bekam kein Weihnachtsgeld, da er zum Zeitpunkt der Auszahlung des Weihnachtsgeldes (= November 2016) nicht mehr in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stand.
In dem dann folgenden Rechtsstreit ging es um die Frage, ob diese Regelung, die man Stichtagsklausel nennt, wirksam war.
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschied „Ja“ und setzt sich in seiner ausführlich begründeten Entscheidung schon fast lehrbuchartig mit der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Stichtagsklauseln auseinander.
Da in der betrieblichen Praxis bei der Verwendung von Stichtagsklauseln immer wieder Fehler gemacht werden, möchten wir die wesentlichen Erkenntnisse aus diesem Urteil und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes noch einmal für Sie auf den Punkt bringen:

  • Stichtagsklauseln sind nur (noch) zulässig, wenn es sich um eine Sonderzahlung handelt, mit der keine Arbeitsleistung vergütet wird und die keinen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers hat.
  • Entscheidend ist also die Frage, ob die Sonderzahlung Vergütungscharakter hat.
    Wichtig: Die Sonderzahlung darf gar keinen Vergütungscharakter haben. Sonderzahlungen, die zwar nicht ausschließlich, aber auch die Arbeitsleistung honorieren, können nicht mit einer Stichtagsklausel versehen werden.
  • Stichtagsklauseln sind folglich nur möglich, wenn es sich um Zahlungen handelt, die lediglich die erhöhten Aufwendungen von Arbeitnehmern anlässlich des Weihnachtsfestes (echte Weihnachtsgelder) oder die bloß deren Betriebstreue (echte Betriebstreueboni) belohnen.
    Achtung: Der Titel einer Sonderzahlung entscheidet nicht allein darüber, ob es sich um ein echtes Weihnachtsgeld oder einen Betriebstreuebonus handelt.
    Entscheidend sind nach aktueller Rechtsprechung vielmehr auch die Auszahlungsbedingungen.
    Wird in den Auszahlungsbedingungen ein Bezug zur Arbeitsleistung hergestellt, ist eine Stichtagsklausel unzulässig.
    Eine solche stichtagsschädliche Auszahlungsbedingung ist z.B. die oft verwandte Regelung, dass das Weihnachtsgeld für Zeiten des Arbeitsverhältnisses ohne Gehaltsanspruch (also z.B. bei einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund Elternzeit oder einer länger als sechs Wochen andauernden Erkrankung) zeitanteilig gekürzt wird. Wenn Sie eine solche Kürzungsregelung vereinbaren, können Sie also nicht gleichzeitig eine Stichtagsregelung machen.
    Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber auch eine Kürzungsregelung vereinbart. Allerdings hatte er die Kürzungsregelung auf den unterjährigen Eintritt oder das unterjährige Ausscheiden aus dem Unternehmen beschränkt.
    Nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein ist eine solche Kürzungsregelung mit dem Stichtagsklausel-Prinzip vereinbar. Denn eine solche Kürzungsregelung knüpft nicht an die Arbeitsleistung, sondern nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses an.
  • Ist die Stichtagsklausel zulässig, spielt es keine Rolle, aus welchen Gründen das Arbeitsverhältnis beendet wurde. Wenn einige Landesarbeitsgerichte der Meinung sind, dass es für die Zulässigkeit von Rückzahlungsklauseln auch auf den Beendigungsgrund ankommen kann, ist das nach Meinung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein nicht auf Stichtagsklauseln übertragbar.

Der Arbeitgeber im entschiedenen Fall hat also noch mal Glück gehabt.

Um Ihnen zu zeigen, dass das auch hätte ins Auge gehen können, möchten wir folgende Abwandlungen des Falls mit Ihnen durchspielen:

Erste Abwandlung:
Die in Rede stehende Klausel sieht eine zeitanteilige Kürzung des Weihnachtsgeldes auch für Zeiträume vor, in denen der Arbeitnehmer ohne Anspruch auf Arbeitsvergütung keine Arbeitsleistung erbringt.
Jetzt wäre die Entscheidung wohl anders ausgefallen, da ein Weihnachtsgeld durch eine solche Kürzungsregelung Vergütungscharakter bekommt. Und bei Sonderzahlungen mit Vergütungscharakter sind Stichtagsklauseln, wie schon gesagt, unzulässig.

Zweite Abwandlung:
Die Klausel ist die gleiche wie im Ausgangsfall. Allerdings hat der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis aufgrund seiner langen Beschäftigungsdauer im November erst zum 31.05. des Folgejahres gekündigt.
Einige Gerichte hätten dem Arbeitnehmer das Weihnachtsgeld in diesem Fall mit der Begründung zugesprochen, dass im November oder Dezember fällige Zahlungen den Arbeitnehmer nicht über den 31.03. des Folgejahres hinaus binden dürfen.
Nach Auffassung dieser Gerichte wäre mit derselben Begründung wahrscheinlich auch die ganze Klausel unwirksam, da die Klausel nicht danach unterscheidet, wann das Arbeitsverhältnis beendet wird.
Wäre der Arbeitgeber in die Fänge dieser Gerichte geraten, hätte die Entscheidung also anders ausgehen können.

Dritte Abwandlung:
Es gibt keine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Allerdings hat der Arbeitgeber im betreffenden Jahr (im entschiedenen Fall war das das Jahr 2016) entschieden, dass er gar kein Weihnachtsgeld zahlt.
Wäre es so gewesen, hätte das Gericht prüfen müssen, ob der in Satz 2 der Klausel enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt wirksam ist.
Mit Rücksicht auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes hätte das Gericht diese Frage mit Nein beantworten müssen.
Denn nach Meinung des Bundesarbeitsgerichtes geht es nicht an, dass man im ersten Satz einer Regelung ein Weihnachtsgeld verspricht, das man dann im darauffolgenden Satz unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt stellt.

Es ist also mal wieder alles gar nicht so leicht.

3. Was Sie bei Urlaubsplänen berücksichtigen müssen (Arbeitsgericht Chemnitz, Urteil vom 29.01.2018, Az.: 11 Ca 1751/17):
Viele Unternehmen arbeiten mit Urlaubsplänen. Das sieht so aus, dass alle Arbeitnehmer ihre Urlaubswünsche im Januar eines jeden Jahres bekanntgeben sollen.
Die Bekanntgabe der Urlaubswünsche ist allerdings noch kein Urlaubsantrag. Vielmehr soll der Urlaubsplan dazu dienen, dem Unternehmen schon am Anfang eines Jahres einen Überblick über die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer zu geben und die Urlaubswünsche ggfs. so zu koordinieren, dass sie mit den betrieblichen Belangen in Einklang stehen.

Die spannende Frage in solchen Fällen ist die:
Muss ein Arbeitgeber, der so vorgeht, auf die in den Urlaubsplan eingetragenen Urlaubswünsche seiner Arbeitnehmer reagieren?
Die Frage ist deshalb berechtigt, weil solche Urlaubswünsche ja noch kein verbindlicher Urlaubsantrag sind.

Trotzdem sagt das Arbeitsgericht Chemnitz: Widerspricht der Arbeitgeber den Urlaubswünschen nicht innerhalb angemessener Zeitspanne, dürfen die Arbeitnehmer davon ausgehen, dass ihre in den Urlaubsplan eingetragenen Urlaubswünsche als genehmigt gelten.
Bleibt die Frage, was eine angemessene Zeitspanne ist. Diese Frage beantwortet das Arbeitsgericht Chemnitz unter Bezugnahme auf die schon ältere Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 08.05.1970 (Az.: 3 Sa 89/70) mit: Angemessen ist ein Zeitraum von einem Monat.

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