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Wichtige Neuigkeiten zum Sozialrecht

Da auch Sozial(versicherungs-)Recht zum Einmaleins von Personalern gehört, möchten wir Ihnen heute von wichtigen sozialgerichtlichen Entscheidungen zu folgenden Themen berichten:

1. Sozialversicherungspflicht bzw. -freiheit von GmbH-Geschäftsführern.
2. Arbeitslosigkeit vor Rente ab 63.
3. Verbeitragung der Auflösung von Arbeitszeitkonten.
4. (K)eine studentische Krankenversicherung für Doktoranden.
5. Wieder Neues zum Werkstudentenprivileg.

1. Sozialversicherungspflicht bzw. -freiheit von GmbH-Geschäftsführern, Bundessozialgericht, Urteil vom 14.03.2018, Az.: B 12 KR 13/17 R:

In der Vergangenheit war man recht großzügig, wenn es um die Frage der Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern ging. Konnte ein Geschäftsführer tatsächlich maßgeblichen Einfluss auf wesentliche Entscheidungen der Gesellschaft ausüben (z. B. aufgrund seines ganz besonderen Knowhows oder seiner familiären Bande zu den Gesellschaftern) war er in der Vergangenheit sozialversicherungsfrei.
Diese Rechtsprechung wurde schon im Laufe der letzten Jahre zu Lasten von GmbH-Geschäftsführern verschärft. Schlusspunkt dieser Verschärfung ist das gerade veröffentlichte Urteil des Bundessozialgerichts vom 14.03.2018, in dem das höchste Sozialgericht folgende Feststellungen getroffen hat:

Sozialversicherungsfrei sind GmbH-Geschäftsführer nur, wenn sie rechtlich (und nicht bloß faktisch) in der Lage sind, auf die Gesellschafterversammlung und damit die Geschicke der Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Eine solche rechtliche Einflussmöglichkeit haben GmbH-Geschäftsführer lediglich in folgenden Fällen:

Der Geschäftsführer ist mit mehr als 50% der Anteile am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt.
Der Geschäftsführer hält exakt 50% der Anteile am Stammkapital.

Geschäftsführer, die weniger als 50% der Anteile halten, sind nur dann sozialversicherungsfrei, wenn ihnen per Gesellschaftsvertrag eine umfassende, d. h. die gesamte Unternehmenstätigkeit umfassende Sperrminorität eingeräumt wurde. Eine nur auf bestimmte Maßnahmen begrenzte Sperrminorität reicht nicht.

Fazit:
Eine faktische Einflussnahme genügt nicht mehr. Es muss eine rechtliche Einflussnahme sein. Diese kann sich entweder aus einer mindestens 50%-igen Beteiligung oder aus einer vereinbarten Sperrminorität ergeben. Wichtig hierbei ist: Die Sperrminorität muss allumfassend sein und dem Geschäftsführer per Gesellschaftsvertrag eingeräumt sein. Außerhalb des Gesellschaftsvertrages bestehende Abreden genügen ebenso wenig wie wirtschaftliche Verflechtungen.


2. Rente ab 63 nach vorangegangenem Arbeitslosengeldbezug, Bundessozialgericht, Urteil vom 29.06.2018, Az.: B 5 R 25/17 R:

Seit dem 01.06.2014 gibt es die sogenannte Rente ab 63. Danach können Arbeitnehmer, die auf 45 Beitragsjahre zurückblicken, ab 63 Jahren in die ungekürzte Rente gehen. Für die bis zum 31.12.1952 Geborenen sind es glatt 63 Jahre. Ab dem Jahrgang 1953 wird die Altersgrenze von 63 Jahren wie folgt angehoben:

Versicherte

Geburtsjahr

Anhebung

um Monate

Auf Alter

Jahr             Monat

1953

2

63

2

1954

4

63

4

1955

6

63

6

1956

8

63

8

1957

10

63

10

1958

12

64

0

1959

14

64

2

1960

16

64

4

1961

18

64

6

1962

20

64

8

1963

22

64

10

Die Vollrente ab 63+ ist seither zu einem beliebten Vorruhestandsmodell geworden. Manchmal wird Arbeitnehmern dieses Modell auch mit einer den gerade genannten Altersgrenzen vorgeschalteten Arbeitslosigkeit schmackhaft gemacht, um das Arbeitsleben noch früher zu beenden.

Wie das Bundessozialgericht in seiner bislang nur als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung vom 29.06.2018 entschieden hat, ist die Rente 63+ mit einer vorgeschalteteten Arbeitslosigkeit allerdings mit größter Vorsicht zu genießen, wenn es um die 45 Beitragsjahre geht. Konkret gilt laut Bundessozialgericht Folgendes:

  • Hat der Arbeitnehmer die 45 Beitragsjahre ohne die dem Rentenbezug vorgeschaltete Arbeitslosigkeit erreicht, gibt es kein Problem. Auch nicht, wenn der Arbeitnehmer früher schon mal arbeitslos war. Die Zeiten einer früheren Arbeitslosigkeit werden nämlich auf die 45-jährige Wartezeit angerechnet.
  • Erreicht der Arbeitnehmer die 45 Beitragsjahre dagegen nur mit dem in den letzten 2 Jahren vor Rentenbeginn bezogenen Arbeitslosengeld, funktioniert die Frühverrentung nicht.
  • Der Arbeitslosengeldbezug innerhalb der letzten 2 Jahre vor Rentenbeginn wird nur dann angerechnet, wenn die Arbeitslosigkeit durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist. Achtung: Wie das Bundessozialgericht jetzt entschied, bedeutet vollständige Geschäftsaufgabe, dass der gesamte Arbeitgeber, also das gesamte Unternehmen des Arbeitgebers, mit dem der Arbeitnehmer einen Vertrag hat, wegfallen muss. Die Aufgabe einer einzelnen Niederlassung o.ä. reicht also nicht.

Grundlage dieser Entscheidung ist im Übrigen § 51 Absatz 3a SGB VI, wo es heißt:

"Auf die Wartezeit von 45 Jahren werden Kalendermonate angerechnet mit
1. Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit,
2. Berücksichtigungszeiten,
3. Zeiten des Bezugs von
a) Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung,
b) Leistungen bei Krankheit und
c)Übergangsgeld,
soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind; dabei werden Zeiten nach Buchstabe a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, es sei denn, der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt, und
4.freiwilligen Beiträgen, wenn mindestens 18 Jahre mit Zeiten nach Nummer 1 vorhanden sind; dabei werden Zeiten freiwilliger Beitragszahlung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, wenn gleichzeitig Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit vorliegen."


3. Verbeitragung der Auflösung von Arbeitszeitkonten, Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15.03.2018, Az.: L 11 R 4065/16:

Ein Unternehmen führte für seine Arbeitnehmer jährliche Arbeitszeitkonten, um witterungs- und jahreszeitlich bedingte Schwankungen auszugleichen.
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurden die Arbeitszeitguthaben ausgezahlt. Dabei wurden die Zahlungen als laufender Arbeitslohn nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze des konkreten Auszahlungsmonats verbeitragt.
Bei der nächsten Betriebsprüfung wurde das von der Deutschen Rentenversicherung moniert. Die deutsche Rentenversicherung stellte sich auf den Standpunkt, dass nicht die monatliche Beitragsbemessungsgrenze im Auszahlungsmonat, sondern die (anteilige) Jahresarbeitsentgeltgrenze des Nachzahlungszeitraums maßgeblich sei.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat die Auffassung der Deutschen Rentenversicherung bestätigt. In der Pressemitteilung des Landessozialgericht Baden-Württemberg heißt es:

"Nach Auffassung des Landessozialgerichts gibt es für diesen Fall keine eindeutige gesetzliche Regelung. Die Sachlage sei am ehesten mit einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vergleichbar. Das gesetzlich angeordnete Zuflussprinzip solle sicherstellen, dass die Beitragserhebung entsprechend der verstetigten Lohnzahlung erfolgen könne. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sei nach der gesetzlichen Regelung dem Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen, in der es gezahlt werde. Auch das angesparte Zeitguthaben sei daher in entsprechender Anwendung dieser Regelung nach der anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze zu verbeitragen. Würde man der Auffassung der Klägerin folgen und im Falle nicht vereinbarungsgemäßer Verwendung des Arbeitszeitguthabens (keine Freistellung, sondern Auszahlung bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses) die Beitragserhebung ohne jegliches Korrektiv allein anhand des Auszahlungsmonats vornehmen, würde dies eine erhebliche Besserstellung der sonstigen flexiblen Arbeitszeitmodelle außerhalb von Wertguthabenvereinbarungen darstellen. Denn dann wären Beiträge nur aus dem Entgelt bis zur monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zu erheben. Eine solche Priviligierung sei aber im Gesetz an keiner Stelle angelegt."

Da es sich bei der Verbeitragung der Auflösung von Arbeitszeitkonten außerhalb von Wertguthaben im Sinne von § 7b SGB IV um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, hat das Landessozialgericht die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Demnächst wird es daher hoffentlich Rechtssicherheit in dieser Frage geben.

4. Keine studentische Krankenversicherung für Doktoranden, Bundessozialgericht, Urteil vom 07.06.2018, Az.: B 12 KR 15/16 R sowie B 12 KR 1/17 R:

Doktoranden, die ihr Promotionsstudium nach Abschluss eines Hochschulstudium aufnehmen, unterliegen nach dem Ende der Familienversicherung, für die die Altersgrenze bei 25 Jahren liegt, nicht der günstigen studentischen Krankenversicherung. Dies hat das Bundessozialgericht am 07.06.2018 entschieden.

5. Werkstudenten

In unserem Newsletter vom 02.05.2017 hatten wir Ihnen bereits von den neuen Richtlinien für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Werkstudenten und Praktikaten berichtet.
Nun haben die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger ihre Richtlinie im Hinblick auf das sozialversicherungsrechtliche Werkstudentenprivileg weiter präzisiert. Die Konkretisierung betrifft die Frage, wann der Studierende vom Gesamtergebnis seiner Prüfungsleistung offiziell schriftlich unterrichtet wurde.

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