Skip to main content

Aktuelles zu leitenden Angestellten und Vorständen

Es gibt neue Urteile zu leitenden Angestellten und Vorstandsverträgen. Fangen wir mit den Urteilen zu den leitenden Angestellten an.

In allen drei Urteilen, die wir heute besprechen, ging es um die Frage, wann ein leitender Angestellter eine selbständige Einstellungs-/Entlassungsbefugnis hat. Dabei haben sich die Gerichte insbesondere mit der in der heutigen Unternehmenswelt praxisrelevanten Frage auseinandergesetzt, welche Bedeutung das gängige "Vier-Augen-Prinzip" hat.

 

In einer weiteren Entscheidung ging es um Vorstandsverträge, genauer gesagt um die Frage, ob auch Vorstandsverträge der strengen Wirksamkeitskontrolle der § 305 ff. BGB unterfallen.

Im Einzelnen:

1. Wann sind Mitarbeiter aufgrund einer selbständigen Einstellungs-/ Entlassungsbefugnis leitende Angestellte?
Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14.02.2018 (Az. 2 Sa 1499/16), des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 24.07.2017 (Az.: 9 Ca 5771/16) sowie des Arbeitsgerichts Neumünster vom 27.06.2018 (Az.: 3 BV 3a/18):

Um Führungskräfte mit einer selbständigen Einstellungs-/Entlassungsbefugnis geht es sowohl in § 5 Absatz 3 Nr. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) als auch in § 14 Absatz 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG).
Während die Führungskraft bei § 5 Absatz 3 Nr. 1 BetrVG eine selbständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis haben muss, reicht bei § 14 Absatz 2 KSchG das eine oder andere.

Die Kriterien für eine selbständige Einstellungs- und/oder Entlassungsbefugnis sind aber bei beiden Gesetzen praktisch deckungsgleich.
Und genau um diese Kriterien ging es in den drei Urteilen.
Die hierzu von den drei Gerichten getroffenen Feststellungen enthalten Althergebrachtes, aber auch neue Aspekte.
Wenn man alles zusammen nimmt, besagen die Entscheidungen Folgendes:

  • Die selbständige Einstellungs- und/oder Entlassungsbefugnis muss entweder eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern (quantitative Erheblichkeit) oder eine gewisse Anzahl bedeutender Arbeitnehmer (qualitative Erheblichkeit) erfassen.
  • Bloße Jobtitel, wie Niederlassungsleiter oder auch Personalleiter, begründen noch keine selbständige Einstellungs-/Entlassungsbefugnis.
  • Erforderlich ist vielmehr, dass die selbständige Einstellungs-/Entlassungsbefugnis auch als solche auf die Mitarbeiter übertragen worden ist. Idealerweise geschieht das durch eine dementsprechende Vereinbarung mit dem Mitarbeiter. Die Übertragung solcher Befugnisse kann sich allerdings auch durch die vereinbarten Leistungen und die dem Mitarbeiter insoweit insgesamt eingeräumten Befugnisse ergeben. Auch Rückschlüsse aufgrund der tatsächlich geübten Vertragspraxis sind erlaubt. Die einseitige Änderung des Jobprofils durch den Arbeitgeber reicht dagegen nicht. Sie können einem Mitarbeiter daher nur mit dessen Einverständnis (sei es auch aufgrund der gelebten Praxis), nicht aber einseitig zum leitenden Angestellten mit selbständiger Einstellungs-/Entlassungsbefugnis machen. 
  • Die selbständige Einstellungs-/Entlassungsbefugnis muss sowohl im Außen- als auch im Innenverhältnis zum Arbeitgeber bestehen. Der Mitarbeiter muss über Einstellungen/Entlassungen also im Wesentlichen frei von Weisungen entscheiden können. Das in vielen Unternehmen praktizierte Vier-Augen-Prinzip oder die Beteiligungen anderer Abteilungen schadet nach Meinung des LAG Hamm und des Arbeitsgerichts Düsseldorf dann nicht, wenn der Mitarbeiter seine tatsächliche Entscheidungsgewalt trotzdem behält und sich notfalls über das Votum der anderen Abteilung hinwegsetzen kann. Dem Status leitender Angestellter abträglich sind demnach vor allem Strukturen, in denen im Innenverhältnis ein anderer Mitarbeiter, die Geschäftsführung oder der Vorstand ein echtes Mitentscheidungsrecht haben.
  • Die Einstellungs-/Entlassungsbefugnis muss zu den sonstigen Aufgaben passen. Oder um es überspitzt zu sagen: Einen Hausmeister können Sie nicht dadurch zum leitenden Angestellten machen, dass Sie ihm per Arbeitsvertrag Einstellungs-/Entlassungsbefugnis geben.
  • Eine Freistellung ändert am rechtlichen Status leitender Angestellter dagegen nichts.

2. AGB-Kontrolle auch für Vorstandsverträge?
Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 18.04.2018, Az.: 4 U 120/17:

Wie Sie wissen, unterliegen Arbeitsverträge seit dem 01.01.2002 der strengen Wirksamkeitskontrolle der §§ 305 ff. BGB (auch AGB-Kontrolle genannt). Entschieden wurde bereits, dass die AGB-Kontrolle auch bei Geschäftsführerverträgen durchzuführen ist. Aber was ist mit Vorstandsverträgen?
Wie das Oberlandesgericht Frankfurt jetzt entschied, gilt die AGB-Kontrolle auch für Vorstandsverträge. Begründung der Frankfurter Richter: Auch Vorstände sind Verbraucher. Wörtlich sagt das Oberlandesgericht Frankfurt:

"Die dem Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft eingeräumte Selbständigkeit bei der Wahrnehmung der ihm als Mitglied eines Gesellschaftsorgans obliegenden Pflichten rechtfertigt es wegen der Fremdnützigkeit der Tätigkeit und des Fehlens einer unmittelbaren wirtschaftlichen Risikotragung nicht, die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft hinsichtlich ihrer Verbrauchereigenschaft anders zu behandeln als GmbH-Geschäftsführer, deren Verbrauchereigenschaft im Sinne des § 13 BGB anerkannt ist (...)."

Die Botschaft ist deshalb wichtig, weil es bei Vorständen oftmals um hohe Bonuszahlungen geht. Wird ein hoher Bonus - wie in dem vom Oberlandesgericht Frankfurt entschiedenen Fall - unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt, führt das bei einer AGB-Kontrolle zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vorstandsmitglieds und damit zur Unwirksamkeit des Freiwilligkeitsvorbehalts.

Demnächst wird der Bundesgerichtshof Gelegenheit haben, sich mit der AGB-Kontrolle von Vorstandsverträgen zu befassen. Die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision wurde bereits eingelegt.

 

  • Erstellt am .