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Achtung bei Ausschlussfristen

Ausschlussfristen gehören zum Arbeitsvertrag wie die Butter zum Brot. Trotzdem halten Ausschlussfristen zahlreiche Fallstricke bereit, die es zu beachten gilt. Mehrere gerade veröffentlichte Urteile des Bundesarbeitsgerichts demonstrieren das deutlich. Nochmal zur Erinnerung:

Heutzutage gibt es kaum mehr einen Arbeitsvertrag, der keine zweistufige Ausschlussklausel enthält. Eine typische zweistufige Ausschlussklausel lautet:

  1. Alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis und solche, die mit dem Anstellungsverhältnis im Zusammenhang stehen, müssen innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit in Textform gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden; ansonsten verfallen sie.
  2. Lehnt die andere Vertragspartei den Anspruch in Text- oder Schriftform ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten nach der Ablehnung oder nach dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Die folgenden Urteile zeigen, wie schwierig es ist, bei der Formulierung und Anwendung von Ausschlussfristenregelungen alles richtig zu machen.

1. Hemmung einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist durch Verhandlungen, Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2018, Az.: 5 AZR 262/17

Über die Pressemitteilung dieser wichtigen Entscheidung hatten wir schon berichtet. Nun liegt die Entscheidung im Volltext vor. Der Volltext ist es wert, sich noch einmal ausführlicher mit der Frage zu befassen, ob und wann Ausschlussfristen durch vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen gehemmt werden können.

Hemmung bedeutet, dass der Zeitraum, während dessen eine Frist gehemmt ist, nicht in den Fristlauf eingerechnet wird. Für die Verjährung ist die Hemmung durch Vergleichsverhandlungen in §§ 203, 209 BGB geregelt.

Wie Sie wissen, sind Verjährung und Ausschlussfristen zwei verschiedene Paar Schuhe.
Da es aber gewisse Gemeinsamkeiten gibt, hat sich das Bundesarbeitsgericht die Frage gestellt, ob § 203 BGB analog auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen anzuwenden ist. Dies hätte zur Folge, dass der Lauf der regelmäßig dreimonatigen Ausschlussfrist zur gerichtlichen Geltendmachung für den Zeitraum und die Dauer der Vergleichsverhandlungen gehemmt wird. Die Ausschlussfrist würde dadurch faktisch um die Dauer der Verhandlungen verlängert.

Das BAG bejaht eine analoge Anwendung des § 203 BGB auf die zweite Stufe der Ausschlussfrist, das heißt auf die Ausschlussfrist zurgerichtlichen Geltendmachung. Das bedeutet:

  • Läuft nach Ein­hal­tung der ers­ten Stu­fe (d.h. Geltendmachung der Ansprüche gegenüber Vertragspartner in Textform) die Frist zur Einhaltung der zweiten Stufe (d.h. gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche), ist der Frist­ab­lauf ge­hemmt, so­lan­ge die Par­tei­en vor­ge­richt­li­che Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen führen. Für die Aufnahme von Vergleichsverhandlungen genügt es, dass ein Vertragsteil Vergleichsbereitschaft äußert oder erklärt, dass er sich auf Diskussionen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang einlasse.
  • Aber Achtung: Wer­den die Ver­hand­lun­gen ge­gen En­de der Frist zur Kla­ge­er­he­bung geführt, muss sich der An­spruchssteller mit sei­ner Kla­ge be­ei­len, so­bald die Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen ge­schei­tert sind bzw. nicht mehr weitergeführt wer­den. Nach Ansicht des BAG ist nämlich nur § 203 Satz 1 BGB, nicht aber auch § 203 Satz 2 analog anzuwenden. Nach § 203 Satz 2 BGB tritt der Fristablauf frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein. Weil dies dazu führen würde, dass sich die Ausschlussfrist im Falle von Vergleichsverhandlungen um das Doppelte verlängerte, lehnte das BAG eine entsprechende Anwendung ab. Die Ausschlussfrist läuft laut BGH stattdessen ab dem Zeitpunkt weiter, zu dem sie durch die Aufnahme der Verhandlungen unterbrochen wurde. Wurden die Verhandlungen erst zwei Monate nach Beginn der zweiten Stufe der Ausschlussfrist aufgenommen, hat der Anspruchssteller nach Ende der Verhandlungen also nur noch einen Monat Zeit, um seinen Anspruch gerichtlich geltend zu machen; sonst hat er Pech gehabt.

Fazit: Für die Einhaltung der zweiten Stufe der Ausschlussfrist gilt damit folgende Formel: (Zeitraum zwischen Beginn der zweiten Stufe der Ausschlussfrist und Klageerhebung) – (Zeitraum der vorgerichtlichen Vergleichsverhandlungen) ≤ 3 Monate.

2. Achtung bei Zurückhaltung von Schadensersatzansprüchen gegen Arbeitnehmer, Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.06.2018, Az.: 8 AZR 96/17

Diese Entscheidung ist nicht minder praxisrelevant, geht es darin doch um folgende Frage:

Wann müssen Sie den Arbeitnehmer in Anspruch nehmen, wenn der Schaden mit Verschulden des Arbeitnehmers durch einen Dritten verursacht wurde?

Ist der „wahre Täter“ ein Dritter, liegt es eigentlich auf der Hand, dass man erst gegen den Dritten vorgehen möchte, bevor man vom Arbeitnehmer Schadensersatz verlangt. Wer sich so rücksichtsvoll gegenüber seinen Arbeitnehmern verhält, wird nun durch das Bundesarbeitsgericht bestraft.Das BAG sagt nämlich:

Eine vorrangige Inanspruchnahme von Dritten lässt Ausschlussfristen nur dann nicht beginnen, wenn es Ihnen als Arbeitgeber aufgrund klarer Rechtslage ohne Weiteres möglich ist, den wahren Täter erfolgreich in Anspruch zu nehmen.

Die Entscheidung führt zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern etwas Gutes tun wollen, und sich zunächst an den wahren Täter halten, sich selbst um ihre Ansprüche bringen und auf dem Schaden sitzen bleiben, wenn die Rechtsverfolgung gegen den unmittelbaren Schädiger (aus welchen Gründen auch immer) erfolglos bleibt und während der Dauer der Rechtsverfolgung die Ausschlussfrist verstrichen ist.

Wenn das BAG die Ausschlussfrist nur dann nicht beginnen lassen will, wenn die Rechtsverfolgung gegen den wahren Täter sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich erfolgsversprechend ist, bürdet es dem Arbeitgeber eine kaum durchführbare Prognose auf. Wenn Sie am Ende nicht auf Ihrem Schaden sitzen bleiben wollen, werden Sie jetzt also höchstrichterlich genötigt, unmittelbar gegen Ihren Arbeitnehmer vorzugehen, selbst wenn die Chance bestünde, den Schaden vom wahren Täter ersetzt zu bekommen.

Fazit: Arbeitgebern, die nach wie vor Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange ihrer Arbeitnehmer nehmen möchten, bleibt folglich nur eins: Sie müssen mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung treffen, dass die Ausschlussfrist für den Schadensfall nicht gilt.

3. Tarifliche Ausschlussfristen und Mindestlohn, Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2018, Az.: 5 AZR 377/17:

Aus unserem Newsletter vom 13.07.2018 hatten wir Ihnen bereits berichtet, dass arbeitsvertragliche Ausschlussfristen, die Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz oder noch korrekter in Höhe des Mindestlohns (denn auch für Ansprüche nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz gilt ja der Mindestlohn) nicht ausdrücklich ausnehmen, unwirksam sind.

Aber was gilt für tarifvertragliche Ausschlussfristen? Denn die nehmen Mindestlohnansprüche bisher ja auch nicht aus.

Für tarifvertragliche Ausschlussfristen hat das Bundesarbeitsgericht jetzt Entwarnung gegeben. Tarifvertragliche Ausschlussfristen bleiben auch dann wirksam, wenn sie Ansprüche in Höhe des Mindestlohns nicht ausdrücklich ausnehmen.

Das Privileg von tarifvertraglichen Ausschlussfristen hat mit § 310 Absatz 4 BGB zu tun. Nach § 310 Absatz 4 BGB gilt die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, zu der wiederum das Transparenzgebot gehört, nämlich nicht für Tarifverträge.

Melden Sie sich, wenn Sie weitere Fragen rund um das Thema Ausschlussfristen haben!

Bettina Steinberg   Dr. Mona Geringhoff    Lydia Voß

  • Erstellt am .