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Aufatmen bei der vertraglichen Gestaltung von Ausschlussfristen - Ein Weihnachtsgeschenk des Bundesarbeitsgerichts

Über die Pressemitteilung dieser wichtigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hatten wir schon im September berichtet. Die damals allein vorliegende Pressemitteilung verhieß Böses und sorgte für weitere Unsicherheiten bei der vertraglichen Gestaltung von Ausschlussfristen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte am 18.09.2019, Az.: 9 AZR 162/18, entschieden, dass arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen wegen Intransparenz unwirksam sind, wenn Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht vom Geltungsbereich der Ausschlussfrist ausgenommen wurden und der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014 geschlossen wurde. Die Pressemitteilung ließ befürchten, dass

  • Arbeitgeber zukünftig in ihre Ausschlussfristenklausel einen umfangreichen Ausnahmekatalog einarbeiten müssen und
  • dieser Ausnahmekatalog ausdrücklich und detailliert alle Ansprüche des Arbeitnehmers aufführen muss, deren Geltendmachung kraft Gesetzes nicht durch eine Ausschlussfrist beschränkt oder ausgeschlossen werden kann. Geschieht dies nicht, ist die Klausel unwirksam, musste man nach der Pressemitteilung meinen.

Für Sie als Arbeitgeber hätte das viel Arbeit bedeutet. Denn Ansprüche, die kraft Gesetzes nicht mit Ausschlussfristen belegt werden können, sind neben dem gesetzlichen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz z.B. auch Ansprüche auf das Mindestentgelt nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (§ 9 AEntG), Ansprüche aus einer Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 4 Satz 4 BetrVG) sowie Ansprüche aus einem Tarifvertrag (§ 4 Abs. 4 Satz 3 TVG), Ansprüche aus vorsätzlicher Haftung und vieles mehr.

Jetzt liegt die Entscheidung im Volltext vor. Die Volltextveröffentlichung gibt glücklicherweise Entwarnung und lässt Arbeitgeber aufatmen. Zwar gilt nach wie vor, dass arbeitsvertragliche Ausschlussfristen unwirksam sind, wenn sie auch den gesetzlichen Mindestlohn erfassen bzw. nicht ausdrücklich ausnehmen.

Der Arbeitgeber ist laut Bundesarbeitsgericht aber nicht verpflichtet, einen Ausnahmekatalog aufzustellen, in dem er alle Ansprüche explizit benennt, für die keine Ausschlussfristen gelten dürfen.
 
Nach dem Bundesarbeitsgericht soll vielmehr folgende Formulierung reichen:
 
„Die in […] vereinbarten Ausschlussfristen gelten nicht für Ansprüche des Arbeitnehmers, die kraft Gesetzes den vereinbarten Ausschlussfristen entzogen sind.“

Anders als in anderen Fällen lässt das Bundesarbeitsgericht es beim Thema Ausschlussfristen also genügen, dass unbestimmte und auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe verwendet werden. In dieser Frage wird das sonst so hoch gehängte Transparenzgebot vom Bundesarbeitsgericht also bewusst klein geschrieben. Das Bundesarbeitsgericht gibt auch eine Antwort darauf, warum es das so macht:
 
Es will Ihnen als Arbeitgeber keine umfangreichen Ausnahmekataloge zumuten.
 
Dieses Mal hat das Bundesarbeitsgericht also nicht so dogmatisch, sondern vor allem praxistauglich gedacht.
 
Für die Arbeitnehmer könnte diese Entscheidung eher Steine statt Brot bedeuten. Denn welcher Arbeitnehmer weiß schon, welche Ansprüche kraft Gesetzes den Ausschlussfristen entzogen sind. Letztendlich könnte der vom Bundesarbeitsgericht angedachte Formulierungsvorschlag also doch dazu führen, dass Arbeitnehmer ihre Rechte nicht durchsetzen, weil der Arbeitgeber ihnen die Versäumung einer Ausschlussfrist entgegenhält und sie nicht wissen, dass der geltend gemachte Anspruch gar keiner Ausschlussfrist unterfällt.
 
Zwei ergänzende Anmerkungen haben wir noch: 

  • Ausschlussfristenklauseln ohne eine wenigstens allgemein formulierten Ausnahmetatbestand sind allein wegen des Mindestlohngesetzes unwirksam. Klar ist, dass die Folge der Unwirksamkeit alle Arbeitsverträge trifft, die nach dem 31.12.2014 geschlossen wurden, denn seit dem 01.01.2015  ist der Mindestlohn zu zahlen. Offen gelassen hat das Bundesarbeitsgericht, was mit Arbeitsverträgen ist, die zwar vor dem 01.01.2015, aber nach dem 16.08.2014, dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes geschlossen wurden. Hier bleibt also noch abzuwarten, wie das Bundesarbeitsgericht entscheiden wird. 
  • Die vom Bundesarbeitsgericht vorgeschlagene Ausnahmeklausel betrifft nur Ansprüche des Arbeitnehmers. Das ist insofern folgerichtig, als dass Ansprüche von Arbeitgebern, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen keinen Ausschlussfristen unterliegen, nicht ausgenommen werden müssen, damit die Ausschlussfristenklausel wirksam ist (zu denken ist hier vor allem an Schadensersatzansprüche von Arbeitgebern aufgrund vorsätzlichen Verhaltens von Arbeitnehmern). Denn der Transparenzkontrolle muss sich ja nur derjenige unterziehen, der Verträge vorformuliert, und das ist nun mal der Arbeitgeber. Es mag allerdings den ein oder anderen Arbeitgeber geben, der eigene Ansprüche über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus von den Ausschlussfristen ausnehmen möchte. Diese Arbeitgeber müssen auf Folgendes achten: Die Ausnahmen müssen gleichermaßen für Arbeitgeber- wie für Arbeitnehmeransprüche gelten und dann auch wieder klar in einem Ausnahmekatalog definiert werden.

 
Jedenfalls hat das Bundesarbeitsgericht den Arbeitgebern kurz vor Weihnachten ein schönes Urteil beschert.
 
In diesem Sinne wünschen wir allen Leserinnen und Lesern fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch in ein gesundes, glückliches und erfolgreiches Jahr 2019.


Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

  • Erstellt am .