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Interessantes zur Haftung von Arbeitgebern bei Arbeitsunfällen

Wie Sie alle wissen, gibt es unzählige Unfallverhütungsvorschriften und andere Arbeitsschutzvorschriften. In den meisten Unternehmen wird es daher immer Arbeitsschutzbestimmungen geben, die nicht "auf dem Schirm sind." Beim Einsatz von Fremdpersonal wird die Rechtslage noch unübersichtlicher. 

Solange nichts passiert, ist alles gut. Kommt es aufgrund der Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften aber zu einem Arbeitsunfall, wird es brisant; denn jetzt stellt sich die Frage der Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitgeber bzw. dem Betriebsinhaber (wenn Fremdpersonal zu Schaden kommt). 

Wir möchten Ihnen daher gerne von 3 aktuellen Urteilen berichten, die etwas mehr Licht in das dunkle Arbeitsschutzrecht bringen.


1.  In dem ersten Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 02.08.2018 (Az.: 5 Sa 298/17) geht es um die bei Arbeitsunfällen zentrale Vorschrift des § 104 SGB VII.

§ 104 SGB VII belohnt den Arbeitgeber dafür, dass er zugunsten des Arbeitnehmers in die gesetzliche Unfallversicherung einzahlt. Im Gegenzug haftet der Arbeitgeber einem bei der Arbeit verunfallten Arbeitnehmer nur, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich gehandelt hat. Die auf Vorsatz begrenzte Haftung gegenüber dem Arbeitnehmer betrifft sowohl materielle Vermögensschäden (also Verdienstausfall, Behandlungskosten, Fahrtkosten im Zusammenhang mit Behandlungen etc.) als auch immaterielle Schäden (Schmerzensgeld).

Wenn nun Unfallverhütungsvorschriften o. ä.  (noch) nicht umgesetzt wurden, heißt die eigentliche Frage folglich: 

Folgt aus der (bewussten) Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften o.ä. vorsätzliches Handeln mit Sinne von § 104 SGB VII?

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die Frage mit einem grundsätzlichen Nein beantwortet. 

Die wesentlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz lauten:

Soll der Arbeitgeber für Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten oder sogenannte "Wie-Berufskrankheiten" (§ 9 Absatz 2 SGB VII) gegenüber dem Arbeitnehmer haften, muss sich der Vorsatz sowohl auf die Verletzungshandlung als auch auf den Verletzungserfolg, sprich den Schaden, beziehen. 

Allein die ggfs. sogar vorsätzliche Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften o.ä. genügt nicht für ein vorsätzliches Handeln. Sie ist noch nicht mal ein Indiz für einen auf den Arbeitsunfall bezogenen Vorsatz des Arbeitgebers. Begründung der rheinland-pfälzischen Landesarbeitsrichter: Arbeitgeber, die Arbeitsschutzvorschriften verletzen, wollen trotzdem nicht, dass ihre Arbeitnehmer zu Schaden kommen. Man kann eine ggfs. sogar vorsätzliche Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften deshalb nicht per se mit einem gewollten Arbeitsunfall gleichsetzen. 
Es müssen daher weitere Umstände hinzukommen, aus denen sich ergibt, dass der Arbeitgeber auch die Schädigung des Arbeitnehmers zumindest billigend in Kauf genommen hat (sogenannter bedingter Vorsatz). Solche Umstände sind vom Arbeitnehmer darzulegen und ggfs. zu beweisen. Im konkreten Fall (Fußverletzung, weil der Arbeitgeber keinen Fußschutz für die Arbeit mit Paletten und Getränkekästen zur Verfügung gestellt hatte) haben die rheinland-pfälzischen Landesarbeitsrichter bedingten Vorsatz des Arbeitgebers mit folgender Begründung verneint: "Selbst wenn der Beklagte seine Pflicht verletzt haben sollte, der Klägerin eine persönliche Schutzausrüstung (Sicherheitsschuhe und Regenbekleidung) zur Verfügung zu stellen, spricht nach Auffassung der Berufungskammer alles dafür, dass der Beklagte davon ausgegangen ist, dass sich eine eventuelle Gefahr zu Lasten der Klägerin jedenfalls nicht realisieren werde und daher kein bedingter Vorsatz, sondern allenfalls bewusste Fahrlässigkeit vorgelegen hat …."

Da diese Feststellungen auf einer Linie mit vergangenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts liegen, hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz die Revision nicht zugelassen. Das Urteil ist folglich rechtskräftig.


2. Die ebenfalls rechtkräftige Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vom 18.12.2018 (Az.: 1 U 296/18) befasst sich mit der  interessanten Frage, wie sich die Verantwortlichkeiten in punkto Arbeitsschutz verteilen, wenn Arbeitnehmer unterschiedlicher Arbeitgeber in einer Betriebsstätte zusammenarbeiten. 

Kernvorschrift hier ist § 8 des Arbeitsschutzgesetzes, den das Oberlandesgericht Koblenz folgendermaßen "interpretiert":

Die Arbeitgeber haben sich gegenseitig sowie ihre Arbeitnehmer über die mit den Arbeiten verbundenen Gefahren zu informieren und Maßnahmen zur Vermeidung dieser Gefahren abzustimmen.

Grundsätzlich ist jeder Arbeitgeber für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz seiner eigenen Arbeitnehmer selbst verantwortlich ist, auch bei Außeneinsätzen der Arbeitnehmer. Bei Außen- oder Fremdeinsätzen ist es daher grundsätzlich Sache des jeweiligen Arbeitgebers, sich die Informationen zu beschaffen, die er braucht, um seine Arbeitnehmer entsprechend zu schützen. 

Der Inhaber des Einsatzbetriebes muss sich allerdings vergewissern, dass die in seinem Betrieb arbeitenden Arbeitnehmer anderer Unternehmen angemessene Anweisung erhalten haben, § 8 Absatz 2 Arbeitsschutzgesetz.

Und wie muss der Betriebsinhaber das umsetzen? Das Oberlandesgericht Koblenz gibt hierauf folgende Antworten:

  • Es ist nicht erforderlich, dass jeder einzelne Fremdbeschäftigte vor Aufnahme der Tätigkeit befragt wird.
  • Die „Vergewisserungspflicht“ des Betriebsinhabers nach § 8 Absatz 2 Arbeitsschutzgesetz steht unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit. Im entschiedenen Fall legten die Oberlandesrichter es dem Betriebsinhaber nicht zur Last, dass er seiner „Vergewisserungspflicht“ nicht nachgekommen war. Ihrer Meinung nach waren die Gefahren nämlich für jeden Arbeitnehmer deutlich erkennbar.

Für die zuvor genannten Grundsätze ist es laut Oberlandesgericht Koblenz irrelevant, wie die in einer Betriebsstätte zusammenarbeitenden Arbeitgeber rechtlich miteinander verbunden sind.

Aber Achtung: Für Leiharbeitnehmer gelten die besonderen Bestimmungen des § 11 Absatz 6 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes.  Danach werden Leiharbeitnehmer während ihres Einsatzes im Fremdbetrieb den Arbeitnehmern des Fremdbetriebs gleichgestellt.

 
3. Um den Arbeitsschutz bei Fremdpersonal geht es auch in dem bislang nur als Pressemitteilung vorliegenden Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.03.2019 (Az.: 1 ABR 48/17).

Im Fokus hier stand die Frage:

Ist der Betriebsrat des Einsatzbetriebes auch über Arbeitsunfälle von Fremdpersonal nach § 89 Absatz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes hinzuziehen?

Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage mit Ja beantwortet. Der dem Betriebsrat nach § 89 Absatz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes zustehende Auskunftsanspruch umfasst laut Bundesarbeitsgericht auch Unfälle von Arbeitnehmern, die weder bei der Arbeitgeberin angestellt noch deren Leiharbeitnehmer sind (für Leiharbeitnehmer ist der Betriebsrat im Einsatzbetrieb grundsätzlich ja ohnehin zuständig).

Bitte melden Sie sich, wenn Sie Fragen haben!


Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

  • Erstellt am .