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Verlängerung der Probezeit durch Aufhebungsvertrag?!

Eine Frage, die uns in unserer anwaltlichen Praxis sehr häufig begegnet ist, ob (und wenn ja, wie) man eine sechsmonatige Probezeit noch verlängern kann. Aufgrund des gerade veröffentlichten Urteils des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz möchten wir dieses Thema nochmal aufgreifen.

Zunächst zur Terminologie:
 
Wenn Unternehmen von Verlängerung der Probezeit sprechen, meinen sie in der Regel Verlängerung der kündigungsschutzrechtlich relevanten Wartezeit.
 
Falls Sie noch nicht wissen, was der Unterschied ist, hier die Antwort:
Die Bedeutung einer Probezeit erschöpft sich in den kürzeren Kündigungsfristen, die das Gesetz (§ 622 Abs. 3 BGB) während einer vereinbarten Probezeit vorsieht.
 
Viel wichtiger als die Probezeit ist aber die in § 1 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes geregelte sechsmonatige Wartezeit, nach deren Ablauf das Kündigungsschutzgesetz gilt.
 
Wenn Unternehmen von Verlängerung der Probezeit sprechen, meinen sie daher in erster Linie die Verlängerung der Wartezeit.

Jetzt zur Sache:
 
Grundsätzlich ist eine Verlängerung der Probezeit und/oder der Wartezeit über sechs Monate hinaus nicht möglich. Eine Ausnahme ist bislang nur für die Verlängerung der Probezeit in Ausbildungsverhältnissen anerkannt, wie wir bereits in unserem Newsletter vom 20.10.2016 dargestellt hatten. Den Link zu diesem Newsletter finden Sie hier.

Für Arbeitsverhältnisse gibt es keine gleichlautende Rechtsprechung.
 
Wenn Sie die Wartezeit mit Arbeitnehmern "verlängern" möchten, können Sie nur Folgendes tun:

  • Sie kündigen das Arbeitsverhältnis mit überlanger Frist und sagen dem Arbeitnehmer eine Wiedereinstellung für den Fall zu, dass er sich bis zum (verlängerten) Beendigungstermin doch noch bewährt.
     
  • Diese Variante hat zuletzt das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg per Urteil vom 06.05.2015 (Az: 4 Sa 94/14), über das wir in unserem Newsletter vom 18.09.2015 berichtet hatten, abgesegnet. Den Link zu diesem Newsletter finden Sie hier.
     
  • Sie schließen, ebenfalls mit verlängerter Frist, eine Aufhebungsvereinbarung mit dem Arbeitnehmer und verbinden die einvernehmliche Beendigung mit einer Wiedereinstellungszusage für den Fall, dass der Arbeitnehmer sich doch noch bewährt.

    Diese Variante wurde aktuell vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in dessen Urteil vom 15.01.2019 (Az: 6 Sa 249/18) für rechtmäßig erklärt.

    Wörtlich sagt das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts:

    „Der Abschluss eines unbedingten Aufhebungsvertrags mit bedingter Wiedereinstellungszusage - wie vorliegend - ist nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit grundsätzlich zulässig (§ 305 BGB). Weder muss der Arbeitgeber einen Grund für sein Angebot auf vorzeitige Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen benennen, noch ist die Wirksamkeit der daraufhin getroffenen Vereinbarungen vom Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Beendigung abhängig. Es ist vielmehr Ausdruck der freien Entscheidung des Arbeitnehmers, ob er an seinem Dauerarbeitsverhältnis festhalten will oder dem Aufhebungsangebot des Arbeitgebers zustimmt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn auf die freie Willensbildung oder -betätigung des Arbeitnehmers in rechtlich zu missbilligender Weise Einfluss genommen worden ist (vgl. §§ 119, 123 BGB) oder grundgesetzliche Schutzpflichten (Art. GG Artikel 1 Abs. GG Artikel 1 Absatz 3 GG) Anlass geben, im Rahmen der zivilrechtlichen Generalklauseln einer solchen Vereinbarung die gerichtliche Durchsetzung zu versagen (vgl. BAG vom 07. März 2002 - 2 AZR 93/01 - Rn. 23 mwN, zitiert nach juris). Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte für die Beeinflussung der freien Willensbildung des Klägers bei Abschluss des Aufhebungsvertrags vom 21. September 2017 oder die Verletzung grundgesetzlicher Schutzpflichten.

    Der Aufhebungsvertrag ist auch nicht wegen Umgehung zwingender Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes rechtsunwirksam. Legt der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer offen, dass er die Probezeit als nicht bestanden ansieht und vor Eintreten des Kündigungsschutzes kündigen möchte, bietet aber gleichzeitig einen Aufhebungsvertrag zu einem die kurze Probezeitkündigungsfrist angemessen überschreitenden Beendigungszeitpunkt verbunden mit einer bedingten Wiedereinstellungszusage an, so ersetzt der dann abgeschlossene Aufhebungsvertrag nur eine zulässige Arbeitgeberkündigung während der Wartezeit des § 1 KSchG; die Einräumung einer Kündigungsfrist von vier Monaten, die unterhalb der längsten tariflichen Kündigungsfrist liegt und dem Arbeitnehmer nur die Chance einer weiteren Bewährung und die Möglichkeit einer Bewerbung aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus bietet, ist dabei angesichts des Zwecks der längeren Kündigungsfrist nicht zu beanstanden (vgl. BAG vom 07. März 2002 - 2 AZR 93/01 - Rn. 26 f. mwN). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, da die Parteien zur Vermeidung einer Probezeitkündigung der Beklagten am 21. September 2017 einen Aufhebungsvertrag zum 31. August 2018 mit Wiedereinstellungszusage geschlossen haben, dessen Beendigungszeitpunkt mit knapp vier Monaten - bei nicht ersichtlich längerer längster tariflicher Kündigungsfrist - die Probezeitkündigungsfrist nicht unangemessen überschreitet.“

Achtung:
Die verlängerte Beendigungsfrist sollte nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg nicht länger als drei Monate sein, wobei das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 15.01.2019 sogar eine Verlängerung um knapp vier Monate für zulässig erachtet hat.
 
Wenn Sie Fragen zu dem Thema haben, helfen wir Ihnen gerne.

 
Bettina Steinberg            Dr. Mona Geringhoff               Lydia Voß

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