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Grundsatzurteil zur ordentlichen Verdachtskündigung

Eine Verdachtskündigung unterliegt allerlei Voraussetzungen.
Eine davon ist, dass sich der Verdacht auf eine Pflichtverletzung beziehen muss, die so schwerwiegend ist, dass sie eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigt.

Wie das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden hat, ist eine Verdachtskündigung allerdings auch als ordentliche Kündigung möglich, wenn zugleich die Voraussetzungen für eine fristlose bzw. außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB vorliegen.

Bisher noch nicht abschließend geklärt war folgende Frage:

Muss auch die ordentliche Verdachtskündigung innerhalb der für fristlose Kündigungen geltenden 2-Wochenfrist des § 626 Absatz 2 BGB ausgesprochen werden?

Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 31.01.2019 (Az.: 2 AZR 426/18) mit nein beantwortet.

Das Bundesarbeitsgericht hat aber auch gesagt: Arbeitgeber, die bloß eine ordentliche Verdachtskündigung aussprechen möchten, müssen zügig handeln. Ordentliche Verdachtskündigungen dürfen nicht in petto gehalten werden, um sie erst bei nächster Gelegenheit gegenüber dem Arbeitnehmer auszusprechen. 

Diese Einschränkung begründet das Bundesarbeitsgericht damit, dass eine Verdachtskündigung eine Kündigung wegen verlorenen Vertrauens (und damit dogmatisch gesehen ein personenbedingter Kündigungsgrund) ist. Wenn man Vertrauen wegen des Verdachts einer schwerwiegenden Vertragsverletzung verloren habe, müsse man aber zügig handeln, um sich nicht in Widerspruch zu sich selbst zu setzen.

Leider sagt das Bundesarbeitsgericht nicht, welche Zeitspanne es unter einem zügigen Handeln versteht.
Entscheidend sind vielmehr (wie so oft) die Umstände des Einzelfalls. Das Bundesarbeitsgericht sagt wörtlich:

Es genügt, wenn der Arbeitgeber Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, er für einen mit der Annahme eines irreparablen Vertrauensverlusts unvereinbar lang erscheinenden Zeitraum untätig bleibt und keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die das lange Zuwarten zwischen der Kenntnis vom Kündigungsgrund und dem Kündigungsausspruch erklärlich machen. Hingegen kann die Beurteilung sich ändern, wenn der Arbeitgeber bei Kenntnis neuer, weiterer Umstände den Sachverhalt neu bewerten und sich erst dann zur Kündigung entschließen darf (....)

Aufgrund dieser Einzelfallprüfung fiel es dem Arbeitgeber in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall nicht zur Last, dass er 3 Jahre mit der (erneuten) Verdachtskündigung zugewartet hatte.
Das 3-jährige Zuwarten des Arbeitgebers hatte nämlich ausschließlich damit zu tun, dass er bereits 3 Jahre zuvor eine Verdachtskündigung ausgesprochen hatte, die aber an formellen Mängeln gescheitert war.

Was lernen wir daraus?

Fristlose Verdachtskündigungen, die an formellen Mängeln (nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats o.ä.) gescheitert sind, können als ordentliche Verdachtskündigungen gerettet werden.

In allen anderen Fällen sollten Arbeitgeber nach wie vor eine fristlose Verdachtskündigung einer ordentlichen Verdachtskündigung vorziehen. Und zwar alleine schon deshalb, weil für eine ordentliche Verdachtskündigung ja ohnehin ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne von § 626 BGB erforderlich ist. Und warum soll man noch während der Kündigungsfrist Gehalt zahlen, wenn man auch fristlos kündigen könnte. 

In Fällen, in denen die Einhaltung der für fristlose Kündigungen geltenden 2-Wochenfrist des § 626 Absatz 2 BGB kritisch ist, sollte fortan eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Verdachtskündigung ausgesprochen werden.
Und denken Sie bitte daran: Wenn die Grenzen zwischen Tat- und Verdachtskündigung fließend sind, sprechen Sie primär eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Tatkündigung und weiter hilfsweise eine fristlose, fristgerechte Verdachtskündigung aus, wobei Sie die Reihenfolge bitte auch so dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung nach § 102 des Betriebsverfassungsgesetzes mitteilen.

Bei weiteren Fragen sprechen Sie uns gerne an. 

 
Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

 

 

 

 

 

 

 

 

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