Skip to main content

Ausschlussfristen - nix Genaues weiß man immer noch nicht

Es gibt immer noch zahlreiche Ausschlussfristen-Regelungen in Arbeitsverträgen, die Ansprüche, die keinen Ausschlussfristen unterliegen dürfen, nicht ausdrücklich ausnehmen.
Das betrifft u.a. Ansprüche wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung, die wegen § 202 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht von Ausschlussfristen erfasst sein dürfen.

Nach der vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Auffassung fallen den Arbeitgebern arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelungen, die solche Ausnahmen nicht benennen, aber nicht auf die Füße: Das Bundesarbeitsgericht hat bestimmte Ausnahmeregelungen (so auch die für Ansprüche wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung) bislang immer "automatisch in die Regelung hineingelesen".

Einigen Landesarbeitsgerichten gefällt diese Handhabung nicht.
Hauptargument der am Bundesarbeitsgericht Kritik übenden Arbeitsrichter ist: Es verstößt gegen das Transparenzgebot und gegen § 306 Absatz 2 BGB, wenn notwendige Ausnahmeregelungen nicht ausdrücklich benannt werden.

Genauso urteilte jetzt das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in seiner Entscheidung vom 27.02.2019 (Az 2 Sa 244/18).

Der Fall macht deutlich, welch dramatische Folgen diese Unsicherheit in der Rechtsprechung für Arbeitgeber haben kann:
Im entschiedenen Fall ging es nämlich um Schadensersatzansprüche des Unternehmens gegen einen Arbeitnehmer in Höhe von sage und schreibe knapp 10 Millionen Euro wegen vorsätzlicher Pflichtverletzungen (der Arbeitnehmer hatte in die eigene Tasche gewirtschaftet).

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen befasste sich allerdings erst gar nicht mit den Schadensersatzansprüchen. Seiner Meinung nach waren die Schadensersatzansprüche des Unternehmens verfallen, da es die arbeitsvertraglich vereinbarte dreimonatige Ausschlussfrist nicht gewahrt hatte.

Das Argument des Unternehmens, dass es sich schließlich um Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Pflichtverletzungen handele, für die es wegen § 202 Absatz 1 BGB keine Ausschlussfristen gäbe, ließ das Landesarbeitsgericht Niedersachsen nicht gelten. Wenn das Bundesarbeitsgericht dies anders sehe, sei das in den Augen der Landesarbeitsrichter aus Niedersachsen falsch.
Und ehrlich gesagt: Die Begründung, die die niedersächsischen Landesarbeitsrichter gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ins Feld führen, ist ziemlich überzeugend.
In Folge dessen kam das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zu folgendem Schluss:
Die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung sei unwirksam, da sie Ansprüche wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung nicht ausdrücklich ausnehme.
Der Arbeitgeber könne sich als derjenige, der die Klausel vorformuliert habe, aber nicht auf deren Unwirksamkeit berufen.
Deshalb seien auch diese Ansprüche von der Ausschlussfristenregelung erfasst. Im konkreten Fall betraf die Ausschlussfristenregelung alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Und darunter fielen alle gesetzlichen, vertraglichen und tariflichen Ansprüche, auch solche wegen vorsätzlicher Pflichtverletzungen.

Das Unternehmen muss sein Glück nun beim Bundesarbeitsgericht versuchen. Moralisch kann man dem Unternehmen, da es um satte 10 Millionen Euro geht, nur wünschen, dass das Bundesarbeitsgericht seiner Linie treu bleibt. In rechtlicher Hinsicht besser begründbar ist unseres Erachtens allerdings die vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen vertretene Auffassung.

Was folgt daraus für die betriebliche Praxis?
Im außertariflichen Bereich sind Arbeitgeber gut beraten, bis zu einer endgültigen Klärung, die nun allerdings schon seit einigen Jahren auf sich warten lässt, die Ausnahmeregelungen, von denen es neben der Vorsatzhaftung bekanntlich noch einige andere gibt, ausdrücklich zu benennen.

Ob Arbeitgeber die Ausnahmen allgemein formulieren können, wie das Bundesarbeitsgericht es in seiner Entscheidung vom 18.09.2018, Az: 9 AZR 162/18 (hier der Link zu unserem Newsletter vom 21.12.2018 zu dieser Entscheidung) gesagt hat, ist eine ebenfalls noch offene Frage.

Wir möchten Ihnen daher bis auf Weiteres raten, die relevanten Ausnahmen von Ausschlussfristen explizit zu benennen.


Wenn Sie Fragen hierzu haben, melden Sie sich bitte.

 
Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

  • Erstellt am .