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Lohnfortzahlung im Krankheitsfall trotz wirksamer Kündigung!

Stellen Sie sich folgende alltägliche Situation vor: Sie kündigen einem Arbeitnehmer während der sechsmonatigen Probezeit.
Kurz vor der Kündigung ist der Arbeitnehmer krank geworden.
Die Kündigungsfrist läuft nach zwei Wochen ab. Die Krankheit des Arbeitnehmers dauert allerdings länger.

Da es sich um eine "Probezeit-Kündigung" handelt, für die das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt, machen Sie sich keine Gedanken.
Wochen später bekommen Sie ein Schreiben der Krankenkasse, in dem die Krankenkasse Sie auffordert, Entgeltfortzahlung auch noch für die Zeit nach Ablauf der zweiwöchigen Kündigungsfrist zu zahlen.

Wie ist die Rechtslage?

Wie so oft hilft zunächst ein Blick ins Gesetz.

In § 8 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes heißt es nämlich: "Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts wird nicht dadurch berührt, daß der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlaß der Arbeitsunfähigkeit kündigt. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grunde kündigt, der den Arbeitnehmer zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt."

Viele von Ihnen werden nun sagen: Auch § 8 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes interessiert mich nicht, weil der eigentliche Kündigungsgrund doch nicht die Erkrankung des Arbeitnehmers, sondern dessen schlechte Performance während der Probezeit war.

So einfach ist es nicht, wie das Landesarbeitsgericht Nürnberg in seinem gerade im Volltext veröffentlichten Urteil vom 04.07.2019 (Az.: 5 Sa 115/19) entschieden hat. Die wesentlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Nürnberg lassen sich folgendermaßen auf den Punkt bringen:

  • Das Tatbestandsmerkmal "aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit" ist weit auszulegen. Es genügt, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers den entscheidenden Anstoß für den Kündigungsentschluss gegeben hat.
     
  • Zwar trägt der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für eine solche Anlasskündigung. Und Anspruchsteller ist der Arbeitnehmer oder die Krankenkasse (letztere dann, wenn sie dem Arbeitnehmer für den fraglichen Zeitraum Krankengeld gezahlt hat). Dem Arbeitnehmer bzw. der Krankenkasse kommt jedoch ein Anscheinsbeweis zugute, wenn die Kündigung in zeitlich engem Zusammenhang zur angezeigten Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen worden ist.
    Das bedeutet: Eine Anlasskündigung wird vermutet, wenn sie in unmittelbar zeitlichem Zusammenhang mit dem zeitlichen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.
    Es ist dann zunächst Sache des Arbeitgebers diesen Anschein zu erschüttern.

Wir wissen aus Erfahrung, dass es verdammt schwer ist, diese Vermutungswirkung vor Gericht zu entkräften.
Arbeitgeber sind daher gut beraten, gerade mit Probezeitkündigungen nicht auf eine Krankmeldung des Arbeitnehmers zu warten.

Wenn Sie Fragen hierzu haben, sprechen Sie uns gerne an.
 
 
Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

  • Erstellt am .