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Zeiterfassung mittels Fingerprint

Am 14.05.2019 hat der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, die von den Arbeitnehmern im Sinne des Arbeitszeitgesetzes geleistete Arbeitszeit aufzuzeichnen. Über die Folgen dieses Urteils hatten wir in unserem Newsletter vom 14.05.2019 berichtet.
Um auf dementsprechende Änderungen im deutschen Arbeitszeitgesetz (die es wohl geben wird) vorbereitet zu sein, führen viele Unternehmen daher jetzt schon Zeiterfassungssysteme ein.

Da der Europäische Gerichtshof auch entschieden hat, dass die Zeiterfassung verlässlich (also möglichst manipulationssicher) sein soll, stellt sich die Frage, ob auch Zeiterfassungssysteme mittels Fingerabdruck zulässig sind.

Das Arbeitsgericht Berlin hat in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 16.10.2019 (Az.: 29 Ca 5451/19) Folgendes entschieden (amtlicher Leitsatz):

Die Arbeitszeiterfassung durch ein Zeiterfassungssystem mittels Fingerprint ist nicht erforderlich im Sinne von § 26 Absatz 1 des Bundesdatenschutzgesetzes und damit ohne Einwilligung der betroffenen Person nicht zulässig.

Die nicht von der Hand zu weisende Begründung der Berliner Arbeitsrichter lautet:

Fingerabdrücke sind "biometrische Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person" und unterliegen daher als besondere personenbezogene Daten nach Artikel 9 Absatz 1 der Datenschutz-Grundverordnung strengen Vorgaben.

Nach § 26 Absatz 3 des nationalen Bundesdatenschutzgesetzes dürfen diese Daten deshalb nur verarbeitet werden, wenn dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist.

Dabei ist eine dreistufige Prüfung vorzunehmen.

Erste Stufe: Das biometrische Verfahren muss für die Zwecke des Arbeitsverhältnisses geeignet sein.

Zweite Stufe: Es darf kein anderes, ebenso wirksames und das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers weniger beeinträchtigende Mittel existieren.

Dritte Stufe: Es muss eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen erfolgen. Das heißt: Die Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer durch das biometrische Verfahren muss in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Zweck (= verlässliche Arbeitszeiterfassung) stehen.

Im Zuge dieser dreistufigen Prüfung kommt das Arbeitsgericht Berlin zu folgendem Ergebnis: Eine Arbeitszeiterfassung durch Fingerabdrücke ist nicht wirklich erforderlich. Selbst wenn es vereinzelt Missbrauch von „normalen“ Zeiterfassungssystemen gibt (z. B. dadurch, dass Kollegen für den betroffenen Arbeitnehmer mitstempeln), so verhält sich doch die weit überwiegende Anzahl der Arbeitnehmer rechtstreu.

Das letzte Wort wird vermutlich das Bundesarbeitsgericht haben. Da die Begründung des Arbeitsgerichts Berlin wie schon gesagt nicht von der Hand zu weisen ist, tun Unternehmen aber jetzt schon gut daran, wenn sie sich für eine Zeiterfassung ohne Fingerprints entscheiden.
Die Alternative, nämlich eine Einwilligung aller Mitarbeiter, wird vermutlich nur schwer zu bekommen sein und kann vor allem jederzeit widerrufen werden.

Wenn Sie Fragen hierzu haben, melden Sie sich gerne.

 
Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

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