Skip to main content

Keine Entgeltzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen während der Prozessbeschäftigung - Bundesarbeitsgericht erteilt Kritikern eine Absage!

Hat das Unternehmen den Kündigungsschutzprozess in erster Instanz verloren und soll das Verfahren in zweiter Instanz weitergehen, stellt sich die Frage, ob man das Annahmeverzugslohnrisiko, das schon Gegenstand unseres Newsletters vom 01.09.2020 war, nicht auch dadurch reduzieren kann, dass man den Arbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterbeschäftigt.
 
Wie viele von Ihnen wissen, wird dem Unternehmen häufig gar nichts anderes übrig bleiben. Denn viele Arbeitnehmer stellen bereits in erster Instanz auch den Antrag, dass sie nach Obsiegen in erster Instanz vorläufig weiter zu beschäftigen sind. Das nennt man die sogenannte Prozessbeschäftigung.
 
Nach dem gerade veröffentlichten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27.05.2020 (Az.: 5 AZR 247/19) können Arbeitgeber, die über eine solche „Prozessbeschäftigung“ nachdenken, sogar froh und glücklich sein, wenn der Arbeitnehmer in erster Instanz einen solchen vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt hat.

Wird die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers später rechtskräftig abgewiesen oder vergleichen Sie sich mit dem Arbeitnehmer in der Berufungsinstanz auf einen zurückliegenden Beendigungstermin, müssen Sie den Arbeitnehmer dann nämlich nur für die während der Prozessbeschäftigung tatsächlich erbrachten Arbeitsleistungen bezahlen! Solche Arbeitnehmer haben daher insbesondere keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder an Feiertagen.
Dies hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 27.05.2020 klargestellt und seinen Kritikern eine Absage erteilt.
 
Die wesentlichen Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts möchten wir in gewohnter Manier für Sie auf den Punkt bringen:

  • Eine zur Vermeidung einer Zwangsvollstreckung erfolgte Prozessbeschäftigung ist kein Arbeitsverhältnis. 
  • Eine solche gerichtlich vom Arbeitnehmer erzwungene vorläufige Weiterbeschäftigung begründet auch kein faktisches bzw. fehlerhaftes Arbeitsverhältnis. 
  • Eine Analogie zur vorläufigen Weiterbeschäftigung nach Widerspruch des Betriebsrats gemäß § 102 Absatz 5 BetrVG, wo Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen bestehen, ist ebenfalls nicht angezeigt. 
  • Arbeitgeber müssen bei gerichtlich erzwungenen vorläufigen Weiterbeschäftigungen zwar die Arbeitsschutzvorschriften einhalten, die sich (Beispiel Gesundheitsschutz) auf die Beschäftigung als solches beziehen. Arbeitsrechtliche Vorschriften, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses voraussetzen, wie etwa Entgeltfortzahlungsansprüche, sind hingegen grundsätzlich nicht auf solche Prozessbeschäftigungen anzuwenden.

Aber aufgepasst: Diese „Wohltaten“ kommen Ihnen als Arbeitgeber nur zugute, wenn die Prozessbeschäftigung aufgrund eines entsprechenden Antrags des Arbeitnehmers in dem Kündigungsschutzverfahren gerichtlich festgestellt wurde und Sie diesem Urteilsspruch zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nachkommen.
 
In einer solchen Konstellation sollten Sie daher immer auch schriftlich gegenüber dem Arbeitnehmer erklären, dass Sie der ausgeurteilten vorläufigen Weiterbeschäftigung nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung Folge leisten.
 
In den Fällen, in denen Sie nicht gerichtlich zur vorläufigen Weiterbeschäftigung verurteilt wurden, sollten Sie damit aus folgenden Gründen vorsichtig sein:

  • Eine vorläufige Weiterbeschäftigung, die (in Ermangelung eines dementsprechenden Urteils) nicht zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgt, ist ein Arbeitsverhältnis, das Entgeltfortzahlungsansprüche auslöst. 
  • Da dieses Arbeitsverhältnis nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens bestehen soll, müssen Sie das wegen § 14 Absatz 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes zuvor schriftlich mit dem Arbeitnehmer vereinbaren. 
  • Und denken Sie bitte auch daran, dass Sie mit einer freiwilligen vorläufigen Weiterbeschäftigung Ihren Kündigungsgrund gefährden können.
  • Erstellt am .