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Das BAG hat 3 wichtige Fragen an den EuGH

Heute mal wieder ein Newsletter, der nichts mit Corona zu tun hat.

Ende des vergangenen Jahres hatte das Bundesarbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof 3 wichtige Fragen zur Entscheidung vorgelegt.
Wir haben wie immer genauer hingesehen und möchten Ihnen gerne sagen, worum es hierbei geht. Denn die Fragen, die das Bundesarbeitsgericht an den Europäischen Gerichtshof hat, sind für die betriebliche Praxis sehr wichtig.
 
1. Diskriminierung von Teilzeitkräften bei Mehrarbeitszuschlägen
In seinem Beschluss vom 11.11.2020 (Az.: 10 AZR 185/20) hat das Bundesarbeitsgericht den Europäischen Gerichtshof gefragt, ob bei Mehrarbeitszuschlägen (im konkreten Fall ging es um eine „Mehrflugdienststundenvergütung“ für Piloten) dann zwischen Voll- und Teilzeitkräften unterschieden werden darf, wenn die tarifliche Regelung nur den Zweck habe, besondere Belastungen ab einer bestimmten Anzahl von Arbeitsstunden auszugleichen.
 
Wir erinnern uns: Per Urteil vom 19.12.2018 hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Teilzeitbeschäftigte fortan schon dann Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge haben, wenn ihre individuelle Arbeitszeit (und nicht erst die für Vollzeitkräfte geltende Arbeitszeit) überschritten wird.
 
Über dieses Urteil hatten wir in unserem Newsletter vom 18.04.2019 ausführlich berichtet. Unseren damaligen Newsletter können Sie hier noch einmal nachlesen.
 
Schon damals waren wir zu dem Ergebnis gekommen, dass das Bundesarbeitsgericht möglicherweise anders entschieden hätte, wenn sich aus dem Tarifvertrag ergeben hätte, dass der Mehrarbeitszuschlag nur besondere Arbeitsbelastungen ausgleichen soll.
 
Und genau diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 11.11.2020 (Az.: 10 AZR 185/20) jetzt dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.

Konkret möchte das Bundesarbeitsgericht vom Europäischen Gerichtshof wissen, ob auch Mehrarbeitszuschläge, die besondere Arbeitsbelastungen ausgleichen sollen, mit dem Diskriminierungsverbot von Teilzeitbeschäftigten (§ 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetztes) in Einklang zu bringen sind.
 
2. Ist die deutsche Ausnahme vom Equal-Pay-Grundsatz für Leiharbeitnehmer europarechtswidrig?
Die juristische Fachwelt fragt sich schon länger, ob einige Bestimmungen des neuen Arbeitnehmerüberlassungsrechts europarechtskonform sind.
Diese Frage betrifft auch und insbesondere die im deutschen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verankerten Ausnahmen vom Equal-Pay-Grundsatz.
Und genau darum geht es auch in dem kürzlich veröffentlichten Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 16.12.2020 (Az.: 5 AZR 143/19), in dem das Bundesarbeitsgericht den Europäischen Gerichtshof fragt, ob die deutschen Ausnahmen gegen europäisches Recht verstoßen.
 
Zur Erinnerung: Nach dem Equal-Pay-Grundsatz haben Leiharbeitnehmer einen Anspruch darauf, das gleiche Arbeitsentgelt zu bekommen wie Stammarbeitnehmer. Dieser Gleichstellungsgrundsatz gilt grundsätzlich bereits ab dem ersten Arbeitstag. Die europäische Richtlinie und das darauf beruhende deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sehen aber die Möglichkeit vor, hiervon zugunsten des Verleihers durch Tarifvertrag abzuweichen. Nach der EU-Richtlinie ist die Abweichung nur "unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern" möglich. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wiederum greift diese Einschränkung nicht wortwörtlich auf, sondern begrenzt die Ausnahme in zweierlei Hinsicht:

  • Der Equal-Pay-Grundsatz kann grundsätzlich nur für max. 9 Monate ausgesetzt werden. Ab dem 10. Monat hat der Leiharbeitnehmer also einen Anspruch auf gleiches Entgelt.
  • Während der 9 Monate, in denen nicht das gleiche Entgelt gezahlt wird, darf der Mindestlohn nicht unterschritten werden.

Die vor das Bundesarbeitsgericht gezogene Leiharbeitnehmerin hatte aufgrund eines Tarifvertrags nur 70 % des Stundenlohns vergleichbarer Stammarbeitnehmer erhalten und ist der Ansicht, dass in einem solchen Fall der vom EU-Recht geforderte „Gesamtschutz“ wegen der erheblich geringeren Vergütung nicht mehr gewahrt sei.
 
Ob die Klägerin Recht hat, soll nun der Europäische Gerichtshof klären. Das Bundesarbeitsgericht möchte in seinem Vorlagebeschluss an den Europäischen Gerichtshof insbesondere wissen, wie der Begriff des „Gesamtschutzes“ auszulegen ist und ob die Voraussetzungen hierfür im nationalen Gesetz definiert werden müssen.
 
Je nachdem wie der Europäische Gerichtshof entscheidet, kann das für die Verleihpraxis in Deutschland gravierende Auswirkungen haben. In der deutschen Praxis wird von der beschriebenen Ausnahmemöglichkeit nämlich oft Gebrauch gemacht, sodass der gesetzliche Grundsatz – Equal-Pay ab dem 1. Arbeitstag – sogar eher zur Ausnahme geworden ist. Würde diese Möglichkeit wegfallen oder stark eingeschränkt, hätte dies also weitreichende Folgen.
 
3. Unterschiedliche hohe Zuschläge bei regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit?
Der dritte Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts an den Europäischen Gerichtshof stammt vom 09.12.2020 (Az.: 10 AZR 332/20 (A)) und befasst sich mit tarifvertraglichen Regelungen, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsehen als für regelmäßige Nachtarbeit. In Tarifverträgen kommt das nämlich sehr häufig vor. Und einen solchen Tarifvertrag hat sich jetzt das Bundesarbeitsgericht vorgenommen und den Europäischen Gerichtshof nach der Rechtmäßigkeit der unterschiedlich hohen Zuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit befragt. Der dem Europäischen Gerichtshof vorgelegte Tarifvertrag sieht konkret vor, dass der Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit 20 % beträgt und der für unregelmäßige 50 %. Mit dem höheren Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit sollen neben den gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Nachtarbeit auch Belastungen wegen der schlechteren Planbarkeit der Arbeitszeit ausgeglichen werden. Die Klägerin ist in Schichtarbeit tätig, absolvierte also regelmäßige Nachtarbeit, und sieht in der unterschiedlichen Höhe der Zuschläge eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Das Bundesarbeitsgericht fragt nun beim Europäischen Gerichtshof nach, ob eine solche Regelung mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie vereinbar ist oder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.

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