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Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Rückkehr aus dem Lockdown

Kurzarbeit, Gesundheitsschutz, Homeoffice und Co. – viele dieser in der Corona-Krise wichtigen Themen des Arbeitsrechts unterliegen Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats. Heute soll es um die Frage gehen, inwieweit der Betriebsrat mitentscheiden darf, wann und wie ein Betrieb nach dem Lockdown wieder geöffnet und die „Rückkehr in den Betrieb“ erfolgt.

Mit dieser Frage haben sich nämlich jüngst mehrere Arbeitsgerichte, wie etwa das Arbeitsgericht Hamm (Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BVGa 2/20), das Arbeitsgericht Stuttgart (Beschluss vom 28.04.2020 – 3 BVGa 7/20), das Arbeitsgericht Neumünster (Beschluss vom 28.04.2020 – 4 BVGa 3 a/20) und das Arbeitsgericht Berlin (Beschluss vom 27.04.2020 – 46 AR 50030/20) beschäftigt. Da das Thema aufgrund des nahenden Endes des aktuellen Lockdowns (wieder) mehr als aktuell ist, haben wir für Sie die Kernaussagen der Gerichte zusammengefasst:

1. Mitbestimmungsrecht bei der Kurzarbeit:
Besteht eine Betriebsvereinbarung über die Kurzarbeit, so kann der Arbeitgeber grundsätzlich nicht ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats davon abweichen. Das entsprechende Mitbestimmungsrecht folgt unmittelbar aus der Betriebsvereinbarung und aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.

Das heißt:
Soll oder muss die Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit durch das Ende des Lockdowns (vorzeitig) geändert werden, geht das nur mit der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats.
Ausnahme: Die Betriebsvereinbarung gestattet dem Unternehmen, den Umfang der Kurzarbeit (z. B. im Falle der Aufhebung des Lockdowns) ohne erneute Beteiligung des Betriebsrats zu reduzieren (Änderungsvorbehalt).

Ohne einen solchen Änderungsvorbehalt in der bestehenden Betriebsvereinbarung können Arbeitgeber nach aktuellem Diskussionsstand nur dann mitbestimmungsfrei über die Wiederaufnahme ihres Geschäftsbetriebs entscheiden, wenn sie die betriebsübliche Arbeitszeit wieder voll aufnehmen wollen. Das wird nach dem aktuellen Lockdown aber schon deshalb nicht möglich sein, weil Abstands- und Kundeneinlassgebote weiterhin Kurzarbeit erforderlich machen, wenn auch nicht im Umfang eines Lockdowns.
 
Arbeitgeber sind daher gut beraten, ihre bestehenden Betriebsvereinbarungen darauf hin zu überprüfen, ob sie ihnen erlauben, kurzfristig und nach Möglichkeit ohne weitere Beteiligung des Betriebsrats die an die Entscheidungen der Politik angepassten Änderungen vorzunehmen. Das gilt umso mehr, als dass in diesen Zeiten die Entscheidungen der Politik schnell getroffen und ebenso schnell umgesetzt werden müssen.
 
Betriebsverfassungs- bzw. mitbestimmungsrechtlich spricht jedenfalls nichts dagegen, dass der Betriebsrat dem Arbeitgeber schon in einer bestehenden Betriebsvereinbarung das einseitige Recht gibt, Änderungen beim Umfang der Kurzarbeit vorzunehmen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Das ist kein unzulässiger Persilschein für den Arbeitgeber, weil der Betriebsrat hinsichtlich der Voraussetzungen mitbestimmt hat.

2. Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung von Dienstplänen:
Bezüglich der Gestaltung von Dienstplänen, steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu.

3. Mitbestimmungsrecht bei Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen:
Die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung und die Umsetzung von Arbeits- und Gesundheitsmaßnahmen ist ebenfalls mittbestimmungspflichtig (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Die erforderlichen Maßnahmen müssen laut der Gerichte vereinbart werden, bevor der Betrieb wieder eröffnet wird oder die Mitarbeiter:innen aus dem Homeoffice zurückkehren. Die Gerichte begründen das damit, dass aufgrund des hohen Infektionsrisikos durch Covid-19 eine hohe Gefahr für die Gesundheit besteht, die nur durch wirksame vorherige Schutzmaßnahmen gemindert werden könne.
 
Arbeitgeber sind folglich auch gut beraten, wenn sie bereits vor dem Ende des Lockdowns Arbeitsschutzkonzepte mit dem Betriebsrat vereinbaren, damit es nach dem Lockdown endlich wieder losgehen kann.

Anderer Auffassung ist bislang nur das Arbeitsgericht Hamm.
Seiner Meinung nach sind Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Betrieb so lange geschlossen zu halten, bis man sich mit dem Betriebsrat auf ein Hygienekonzept verständigt hat.
Die Hammer Richter begründen das damit, dass die „SARS-CoV-2-Arbeitssschutzregeln“ des Bundesarbeitsministeriums keine Vorschriften im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 7 des Betriebsverfassungsgesetzes seien.
Diese Argumentation ist allerdings mit Vorsicht zu genießen:
Zwar fehlt den Arbeitsschutzregeln des Bundesarbeitsministeriums zweifellos die Rechtsnormqualität. Es gibt aber etliche Stimmen, die den Arbeitsschutzregeln über die allgemeinen Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes mittelbar Rechtsnormqualität zusprechen.
 
Hinzukommt, dass die Arbeitsschutzregeln in der Zwischenzeit durch die bis zum 15.03.2021 befristete Corona-Arbeitsschutzverordnung überlagert werden, die als Rechtsverordnung zweifelsohne verbindliche Wirkung hat.
Nach dem allgemeinen Grundsatz, dass Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nur bestehen, soweit Rechtsnormen keine konkreten Handlungsgebote oder -verbote enthalten, sondern dem Arbeitgeber Handlungsspielräume einräumen, sind die Mitbestimmungsrechte durch die Corona-Arbeitsschutzverordnung allerdings zumindest dort eingeschränkt, wo die darin vorgeschriebenen Maßnahmen alternativlos sind.
 
4. Und was ist die Folge, wenn der Arbeitgeber diese Mitbestimmungsrechte missachtet?

In den genannten Entscheidungen untersagten die Gerichte dem Arbeitgeber den Einsatz der Arbeitnehmer:innen, solange keine Einigung mit dem Betriebsrat über diese Punkte getroffen wurde. Konkret musste das Geschäft oder der Betrieb also geschlossen bleiben oder sogar nach erfolgter Öffnung wieder schließen. Das setzten die Betriebsräte im einstweiligen Verfügungsverfahren durch.

Die „Rückkehr aus dem Lockdown“ sollte also gut vorbereitet sein.

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