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Brandaktuelles zum Entgelttransparenzgesetz und zur Einsichtnahme des Betriebsrates in Entgeltlisten

In unserem Newsletter vom 18.08.2020 hatten wir Ihnen verschiedene Urteile zum Entgelttransparenzgesetz und zur Einsichtnahme des Betriebsrats in Entgeltlisten vorgestellt. Einige der Verfahren waren noch nicht endgültig beendet – diese Verfahren haben wir weiterverfolgt und möchten Sie heute auf den aktuellen Stand bringen:

Revision beim BAG: „Ja“ zur Indizwirkung nach § 22 AGG bei niedrigerem Entgelt
Unter anderem hatten wir Ihnen im letzten Sommer die noch nicht rechtskräftige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (Urteil vom 01.08.2019, Az.: 5 Sa 196/19) vorgestellt.

Zur Erinnerung: Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Auskunft nach § 11 des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) ein Indiz im Sinne von § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist. Die Richter:innen aus Niedersachsen sagten: „Nein“.

Anders nun das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 21.01.2021 (Az.: 8 AZR 488/19).

In der bislang nur als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht der klagenden Arbeitnehmerin die Türe zu einer höheren Vergütung aufgestoßen: Da das der Arbeitnehmerin per Auskunft mitgeteilte Vergleichsentgelt (sogenannetes Medianentgelt) der männlichen Vergleichspersonen über ihrer tatsächlichen Vergütung liege, bestünde die Vermutung, dass sie wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sei. Und, nicht nur das: Laut der Pressemitteilung muss der Arbeitgeber diese Vermutung wie nach § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes widerlegen. Und diese Hürde ist nach der zu § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ergangenen Rechtsprechung bekanntlich hoch.

Bisher gab es nur wenige Klagen im Zusammenhang mit dem Entgelttransparenzgesetz. Es ist zu vermuten, dass es aufgrund dieser Entscheidung nun sehr viel mehr Klagen geben wird. Denn jetzt ist die Auskunft nach § 11 EntgTranspG vom stumpfen zum scharfen Schwert geworden!

Wer ist Arbeitnehmer:in im Sinne des Entgelttransparenzgesetzes?
Das BAG hat in seinem Urteil vom 25.06.2020 (Az.: 8 AZR 145/19) entschieden, dass
für das Entgelttransparenzgesetz nicht der nationale (also deutsche), sondern der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff gilt.
Und der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff besagt im Grundsatz: Arbeitnehmer:in ist jede Person, die während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt und hierfür als Gegenleistung eine Vergütung erhält.
Nach dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff können folglich auch Fremdgeschäftsführer:innen (die nach dem GmbH-Gesetz den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegen) sowie nicht vollkommen weisungsfrei agierende freie Mitarbeiter:innen Arbeitnehmer:innen sein.
Im entschiedenen Fall hat das Bundesarbeitsgericht daher einer freiberuflichen Redakteurin des ZDF einen Auskunftsanspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz zuerkannt. Denn nach den Regelungen des freien-Mitarbeiter-Vertrages musste die Redakteurin ihre Tätigkeit in Abstimmung und nach den Vorgaben der Bereichsleiter ausüben.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass man bei allen arbeitsrechtlichen Regelungen, denen europäische Richtlinien zu Grunde liegen, prüfen sollte, ob der nationale (deutsche) oder der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff gilt. Denn beides ist nicht deckungsgleich, wie das Beispiel der GmbH-Fremdgeschäftsführer:in zeigt; GmbH-Fremdgeschäftsführer:innen sind nach nationalem, also deutschem, Recht Dienstnehmer:innen und keine Arbeitnehmer:innen. Nach europäischem Recht sind sie aber Arbeitnehmer:innen.

Als Faustformel können Sie sich insoweit merken: Der nationale (also deutsche) Arbeitnehmerbegriff gilt nur dann, wenn die europäische Richtlinie insoweit auf das nationale Recht verweist.

BAG bestätigt: Keine pauschale monatliche Einsicht des Betriebsrats in Bruttoentgeltlisten
In seinem Beschluss vom 29.09.2020 (Az.: 1 ABR 23/19) hat das Bundesarbeitsgericht bestätigt, dass der Betriebsrat keinen pauschalen Anspruch auf eine regelmäßige monatliche Einsichtnahme in die Bruttoentgeltlisten hat. Zu prüfen sei immer die Erforderlichkeit der Einsichtnahme für die Aufgaben des Betriebsrats. Das BAG schließt sich damit der Entscheidung des Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein vom 23.05.2019 (Az.: 5 TaBV 9/18) an.

Daraus folgt aber nicht, dass ein Recht auf monatliche Einsichtnahme stets ausgeschlossen ist. Ein solches Recht kann bestehen, wenn die monatliche Einsichtnahme einen Bezug zu den Aufgaben des Betriebsrats hat.

BAG stimmt zu: Kein Anspruch auf dauerhafte Überlassung von Bruttoentgeltlisten
In dem eingangs genannten Newsletter vom 18.08.2020 hatten wir außerdem über einen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 01.08.2019 (Az.: 5 TaBV 313/19) berichtet. Auch hierzu erging nun eine Entscheidung des BAG im Revisionsverfahren. Unser höchstes deutsches Arbeitsgericht stimmte den Richter:innen aus Berlin-Brandenburg nun in folgender praxisrelevanter Kernaussage zu:
Der Betriebsrat kann keine dauerhafte Überlassung der Entgeltlisten verlangen. Der Betriebsrat kann sowohl nach § 80 Abs. 2 Satz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes als auch nach § 13 Abs. 2 Satz 1 des Entgelttransparenzgesetzes nur die Einsichtnahme in die Bruttoentgeltlisten verlangen.

Der Arbeitgeber muss die Listen dem Betriebsrat also weder auf unbegrenzte Dauer physisch aushändigen noch elektronisch übermitteln.

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