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Teilzeit während der Elternzeit kann auch per einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden!

Arbeitnehmer:innen, die während der Elternzeit in Teilzeit arbeiten möchten, haben ein Problem, wenn der Arbeitgeber die Teilzeit während der Elternzeit ablehnt.
Es kann nämlich gut sein, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung im normalen Klageverfahren die Elternzeit schon vorbei ist. Gewinnen die Arbeitnehmer:innen rechtskräftig, haben sie zwar Anspruch auf das Teilzeitgehalt, selbst wenn sie nicht gearbeitet haben. Den Beschäftigungsanspruch – der für viele Menschen ebenfalls eine Bedeutung hat - können sie allerdings nicht mehr durchsetzen, wenn die Elternzeit vorbei ist.

Deshalb wird in Rechtsprechung und Literatur heftig darüber diskutiert, ob eine Teilzeit während der Elternzeit auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, genauer gesagt per einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden kann.

Umstritten ist das vor allem deshalb, weil die Klage auf Zustimmung zur Teilzeit gerichtet ist und eine solche Willenserklärung wegen § 894 der Zivilprozessordnung (ZPO) erst durch ein rechtskräftiges Urteil in einem normalen Klageverfahren ersetzt wird.
Hintergrund ist das s.g. Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache: In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem nur eine summarische Prüfung des Falles erfolgt, sollen keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden.

In seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 04.06.2021 (Az.: 5 Ta 71/21) hat das Landesarbeitsgericht Köln den Meinungsstreit zugunsten der Arbeitnehmer:innen entschieden und dabei weitere wichtige Aussagen zur Teilzeit während der Elternzeit getroffen.

Hier eine Zusammenfassung der wesentlichen Feststellungen der Kölner Landesarbeitsrichter:innen:

  • Die Durchsetzung einer Teilzeit ist auch per einstweiliger Verfügung möglich. Dies gilt für alle Teilzeitansprüche und insbesondere für die Teilzeit während der Elternzeit, die von vornherein nur vorübergehend ausgeübt werden kann.

    Exkurs:
    Damit gilt für die Teilzeit während der Elternzeit dasselbe wie für die Gewährung von Urlaub. Auch in diesem Fall ist die Zulässigkeit der Geltendmachung im einstweiligen Verfügungsverfahren nämlich anerkannt.

  • Allerdings kann der Antrag im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht auf Ersetzung der Zustimmung des Arbeitgebers zur Teilzeit gerichtet sein.
    Bei der Teilzeit während der Elternzeit kann dem Arbeitgeber im einstweiligen Verfügungsverfahren aber aufgegeben werden, den Arbeitnehmer an den Tagen xy in der Zeit von x bis y arbeiten zu lassen.

  • Stattgegeben werden kann dem einstweiligen Verfügungsantrag jedoch nur, wenn die:der Beschäftigte ein ideelles Interesse an der Beschäftigung darlegen kann. Das bedeutet: Die:der Beschäftigte muss ein besonderes Interesse an der tatsächlichen Beschäftigung darlegen können. Ein solches besonderes Interesse kann sich laut Landesarbeitsgericht Köln z. B. aus besonderen Kundenkontakten oder der Notwendigkeit ergeben, den "technischen" Anschluss nicht zu verlieren.

    Wichtig: Das Argument der Kinderbetreuung oder der Verdienstsicherung reicht dagegen nicht aus.
    Das Argument der Kinderbetreuung taugt nicht, weil die:der Beschäftigte ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung gar nicht arbeiten muss und die Kinder noch besser betreuen kann.
    Und das Argument der Verdienstsicherung kann für eine einstweilige Verfügung deshalb nicht herhalten, weil die:der Beschäftigte auch im normalen Klageverfahren nicht sofort Geld bekäme.

  • Kann die:der Beschäftigte ein ideelles Beschäftigungsinteresse darlegen, kann der Arbeitgeber den Beschäftigungsanspruch nur zu Fall bringen, wenn er dringende betriebliche Gründe glaubhaft machen kann, § 15 Absatz 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG. Die bloße Behauptung des Arbeitgebers, es bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit, genügt nicht. Vielmehr sind vom Arbeitgeber entsprechende Tatsachen glaubhaft zu machen.
    Das Landesarbeitsgericht Köln zieht hier eine Parallele zur Darlegungslast des Arbeitgebers in einem Kündigungsschutzverfahren über eine betriebsbedingte Kündigung.
    Die Kölner Landesarbeitsrichter:innen schrauben die Anforderungen an die Ablehnung einer Teilzeit damit generell und nicht nur für das einstweilige Verfügungsverfahren sehr hoch.
    Wörtlich sagen die Richter:innen:

    "Der Arbeitgeber kann dem Begehren durch den Hinweis auf dringende betriebliche Gründe (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG), die ebenfalls glaubhaft zu machen sind, entgegentreten. Die bloße Behauptung des Arbeitgebers, es bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit, genügt zur schlüssigen Darlegung der Zustimmungsverweigerung regelmäßig nicht. Vielmehr sind die zugrunde liegenden Tatsachen zu bezeichnen (BAG 24.09.2019 - 9 AZR 435/18; 15.12.2009 - 9 AZR 72/09). Die Darlegungen unterscheiden sich insoweit nicht von dem nach § 1 Abs. 2 KSchG gebotenen Vortrag zur Begründung einer betriebsbedingten Kündigung. Die Ausgangssituationen sind vergleichbar. In beiden Varianten geht es um den unbestimmten Rechtsbegriff »dringende betriebliche« Gründe bzw. Erfordernisse. Im Kündigungsrecht müssen sie einer dauerhaften Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen. Im Recht der Elternteilzeit müssen sie einer befristeten Beschäftigung mit der gewünschten verringerten Arbeitszeit entgegenstehen. Berücksichtigungsfähig sind danach beispielhaft: Schließung des Betriebs/der Abteilung, Auflösung der Arbeitsgruppe, Verlagerung der Arbeiten auf Dritte und ähnliche Umstände. Dabei ist wie im Kündigungsrecht näher zu konkretisieren, aufgrund welcher Umstände kein betrieblicher Beschäftigungsbedarf besteht. Abzustellen ist nicht nur auf die Tätigkeit, die der Arbeitnehmer vor Beginn der Elternzeit auf seinem Arbeitsplatz ausgeübt hat. In die erforderliche Darlegung sind alle Aufgaben einzubeziehen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund seines Weisungsrechts (§ 106 GewO) übertragen kann. Regelmäßig wird das erfordern, dass der Arbeitgeber seinen insoweit bestehenden Gesamtbedarf an Arbeitszeitkapazität vorträgt und dem die tatsächliche Besetzungssituation gegenüberstellt. Insb. bei größeren Betrieben kann hierauf wegen der dynamischen Entwicklung im Personalbereich durch Fluktuation oder Inanspruchnahme von Elternzeit nicht verzichtet werden [...]."

Hohe Hürden also, die Arbeitgeber überwinden müssen.
 

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