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Arbeitgeber können sich warm anziehen: Das aktuelle Urteil des BAG zur Entgeltdiskriminierung

In unserem Newsletter vom 02.03.2021 hatten wir von der Pressemitteilung des Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 21.01.2021 (Az.: 8 AZR 488/19) berichtet. Denn schon durch die Pressemitteilung war klar: Das BAG hat die bisher umstrittene Frage, ob eine Auskunft des Arbeitgebers, der zufolge das Gehalt des/der Beschäftigten unter dem Median der Vergleichsgruppe liege, nach dem Entgelttransparenzgesetz ein Indiz für eine Entgeltdiskriminierung ist, mit Ja beantwortet.

Nun liegt das Urteil im Volltext vor. Und jetzt wissen wir auch, was Arbeitgeber erwartet, wenn das der Frau oder dem Mann per Auskunft mitgeteilte Entgelt unter dem Entgelt der Vergleichsgruppe des anderen Geschlechts liegt. Diese Arbeitgeber können sich "warm anziehen".

Die erste wichtige Botschaft des BAG lautet:
Beschäftigte, die für vergleichbare Tätigkeiten weniger Entgelt als das andere Geschlecht bekommen, haben Anspruch auf gleiches Entgelt. Oder anders gesagt: Der Auskunftsanspruch über das Vergleichsentgelt des anderen Geschlechts ist kein "zahnloser Tiger", wie es nach Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetzes von einigen prophezeit wurde. Vielmehr ist die Auskunft für die hiernach benachteiligten Personen die Basis für einen Anspruch auf mehr bzw. das gleiche Entgelt.
Diesen Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche sowie gleichwertige Arbeit leitet das Bundesarbeitsgericht aus § 3 Absatz 1 und § 7 des Entgelttransparenzgesetzes sowie aus Artikel 157 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) ab.

Die zweite wichtige Botschaft des BAG heißt:

Liegt das im Wege der Auskunft mitgeteilte Entgelt unter dem Vergleichsentgelt (sogenanntes "Median"-Entgelt) der Vergleichspersonen des anderen Geschlechts, kommt § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ins Spiel. Das heißt, dass dann zulasten des Arbeitgebers vermutet wird, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt.
Es gibt aber auch andere Indizien, die den Beschäftigten laut Bundesarbeitsgericht in die Karten spielen können.
Hier nennt das BAG beispielhaft Entgeltsysteme, denen jede Durchschaubarkeit fehlt, arbeitszeitbezogene Entgeltsysteme, die tatsächlich mehr Personen des einen oder anderen Geschlechts benachteiligen oder statistisch belegbare Entgeltunterschiede für unterschiedliche, aber gleichwertige Arbeiten.

Auch Arbeitgeber, die keine Auskunft geben, schaffen allein durch ihr Nichtstun ein Indiz für eine Diskriminierung. Das gleiche gilt, wenn der Betriebsrat aus Gründen, die der Arbeitgeber zu vertreten hat, die Auskunft nicht erteilen konnte. Das folgt nach dem Urteil des BAG aus § 15 Absatz 5 des Entgelttransparenzgesetzes, der sich an § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes orientiert.

Solche Indizien müssen vom Arbeitgeber entkräftet werden. Der Arbeitgeber muss also vortragen und ggfs. unter Beweis stellen, dass ausschließlich andere Kriterien als das Geschlecht für den Entgeltunterschied verantwortlich sind. Diese Last dem Arbeitgeber aufzuerlegen, ist laut BAG legitim, weil nur der Arbeitgeber über die Kenntnisse und Daten für solche Entgeltunterschiede verfügt. Oder um es bezogen auf das durch eine entsprechende Auskunft geschaffene Indiz mit anderen Worten zu sagen: Die betroffene Person erfährt durch die Auskunft nur, dass sie weniger verdient als die Vergleichspersonen des anderen Geschlechts. Dem ersten Anschein nach müssen diese Beschäftigten also von einer Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts ausgehen.
Der Arbeitgeber weiß hingegen mehr. Nur er weiß also beispielsweise, ob die Entgeltdifferenz tatsächlich auf das Geschlecht zurückzuführen ist, oder ob es hierfür andere Gründe gibt. Deswegen ist es dem Arbeitgeber auch zumutbar, dass ihn die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass keine Diskriminierung vorliegt.

Nun stellt sich unweigerlich die Frage: Was müssen Arbeitgeber zu ihrer Entlastung vortragen? Welche Argumente sind überhaupt stichhaltig genug, um den Anschein einer Diskriminierung zu entkräften?

Das BAG sagt dazu:

"Der Arbeitgeber muss Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt, sondern ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben."

Arbeitgeber müssen also mit objektiven Fakten für die Entgeltunterschiede aufwarten können, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben und obendrein legitime Ziele verfolgen.

Als Beispiel nennt das BAG in seiner Entscheidung z. B. das Dienstalter (nicht das Lebensalter!). Denn ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik ist es, die Berufserfahrung der Beschäftigten zu honorieren, da sich mehr Berufserfahrung grundsätzlich auch positiv auf die Arbeitsleistung auswirkt (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel).

Aber aufgepasst: Ein Schuh wird aus einer solchen Argumentation nur, wenn die "Dienstaltersentgeltpolitik" auch durchgängig im Unternehmen gelebt wird. Die "Dienstaltersentgeltpolitik" muss also bezogen auf die Vergleichsgruppe des anderen Geschlechts insgesamt nachvollziehbar sein.

Arbeitgeber werden in Zukunft daher ihre liebe Müh und Not haben, Entgeltunterschiede, die sie per Auskunft erteilen müssen, zu rechtfertigen. Das gilt umso mehr, als dass noch unklar ist, welche Gründe außer dem Dienstalter sonst noch für nicht-diskriminierende Entgeltunterschiede in Betracht kommen.

Warm anziehen können sich Arbeitgeber aber auch, weil das, was Entgelt im Sinne des Entgelttransparenzgesetzes ist, vom BAG sehr weit gefasst wird.

Das BAG zählt hierzu nämlich "alle Grund- oder Mindestarbeitsentgeltbestandteile sowie alle sonstigen Vergütungen, die unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden".

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