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12 Euro Mindestlohn - Was dann?

Die anstehende Bundestagswahl ist auch aus arbeitsrechtlicher Sicht interessant, da es unter anderem um die Frage geht, wie sich der Mindestlohn künftig entwickeln wird. Einige Parteien fordern einen Mindestlohn von 12 Euro, also eine deutliche Erhöhung zu den derzeitig geltenden 9,60 Euro. Um diese "drohende" finanzielle Mehrbelastung zumindest etwas abzufedern, sollten Unternehmen wissen, welche Vergütungsbestandteile auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden können. Dazu wurden seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes im Jahr 2014 zahlreiche Urteile gefällt. Diese umfassende Rechtsprechung möchten wir heute für Sie zusammenfassen:

Zunächst der Grundsatz: Auf den Mindestlohn sind alle Entgeltzahlungen anrechenbar, die in einem Kalendermonat für die erbrachte Arbeitsleistung gezahlt werden und den Beschäftigten endgültig zur Verfügung stehen. Die Zahlung muss also eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung in einem bestimmten Zeitraum sein.

Daher sind die folgenden Vergütungsbestandteile auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar:

  • Sonntags- und Feiertagszuschläge
  • Überstundenzulagen
  • Schmutz- und Gefahrenzulagen
  • Schichtzulagen
  • Prämien, die für die regelmäßige und dauerhafte Arbeitsleistung gezahlt werden
  • Akkord-/Leistungsprämien


Nicht auf den Mindestlohn anrechenbar sind im Umkehrschluss alle die Entgeltbestandteile, die nicht erbrachte Arbeitsleistung abgelten, sondern einen anderen Zweck wie etwa die Honorierung von Betriebstreue verfolgen (z. B. reine Treueprämien). Außerdem nicht anrechenbar sind Vergütungsbestandteile, die auf einer besonderen gesetzlichen Regelung beruhen (z. B. Nachtarbeitszuschläge nach § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz; freiwillige Nachtarbeitszuschläge hingegen sind anrechenbar). Auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist nach der Rechtsprechung nicht anrechnungsfähig.

Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob Sachbezüge - wie etwa die Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung - auf den Mindestlohn anrechenbar sind. Sachbezüge könnten jedoch ohnehin nur in geringem Umfang angerechnet werden: Denn der unpfändbare Teil des Arbeitsentgelts ist bar auszuzahlen, sodass Sachbezüge nur oberhalb der Pfändungsfreigrenze berücksichtigt werden können. Da der Mindestlohn aber oft nahe bei der Pfändungsfreigrenze liegt, bleibt für eine Anrechnung von Sachbezügen nur der (geringe) Differenzbetrag zwischen Mindestlohn und Pfändungsfreigrenze übrig.

Bei Jahressonderzahlungen wie Weihnachts- oder zusätzlichem Urlaubsgeld kommt es deswegen auf die vertragliche Ausgestaltung an:

  • Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, welches allein deswegen gezahlt wird, um die Betriebstreue der Beschäftigte zu honorieren (Indiz dafür ist etwa eine Stichtagsregelung) oder den Erholungszweck des Urlaubs zu fördern, ist nicht anrechnungsfähig. „Normales“ Urlaubsgeld, das pro Urlaubstag gezahlt wird, dient ebenfalls nicht der Vergütung erbrachter Arbeitsleistung und ist daher schon nicht anrechnungsfähig.

  • Davon unabhängig kann Weihnachtsgeld oder ein 13. Monatsgehalt, welches in einem Monat (etwa November) ausgezahlt wird, nur in diesem Monat angerechnet werden. Der Restbetrag kann also nicht auf die anderen Monate verteilt werden.

  • Sollen Jahressonderzahlungen voll angerechnet werden, müssen sie folglich monatlich gewährt werden. Mit anderen Worten: Wird das 13. Monatsgehalt, Urlaubs- oder Weihnachtsgeld nicht einmalig, sondern über das Jahr hinweg anteilig zu je 1/12 ausgezahlt, kann es voll auf den Mindestlohn angerechnet werden. Eine solche Änderung des Auszahlungszeitraums ist allerdings nur per Änderungsvertrag möglich.
    Je nachdem, wie die Bundestagswahl ausfällt, könnte es sich also lohnen, rechtzeitig Änderungsverträge mit den betroffenen Beschäftigten abzuschließen.
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