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Kündigung wegen Krankheit / verbotene Maßregelung / Kleinbetrieb / Gemeinschaftsbetrieb

Beschäftigte in Kleinbetrieben greifen eine Kündigung aus Anlass /in Zusammenhang mit ihrer Erkrankung immer öfter mit dem Argument an, die Kündigung verstoße gegen das in § 612 a des Bürgerlichen Gesetzbuches verankerte Maßregelungsverbot.

Da die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung in Kleinbetrieben nicht gelten, ist die verbotene Maßregelung für betroffene Personen der einzige Rettungsanker.

Zuletzt hatte das Landesarbeitsgericht Köln per Urteil vom 15.05.2020 (Az.: 4 Sa 693/19) geurteilt: Eine aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit ausgesprochene Kündigung ist schon deshalb keine verbotene Maßregelung, weil eine Person, die krankheitsbedingt nicht arbeitet, kein Recht im Sinne von § 612a des Bürgerlichen Gesetzbuches ausübt.
 
Nun hat das Bundesarbeitsgericht entschieden und gesagt:

Eine Kündigung aus Anlass einer Erkrankung ist jedenfalls dann keine verbotene Maßregelung, wenn der Arbeitgeber mit der Kündigung lediglich Störungen in den betrieblichen Abläufen vorbeugen möchte.
 
Offen gelassen hat das Bundesarbeitsgericht, ob Beschäftigte, die krankheitsbedingt nicht arbeiten, ein Recht im Sinne von § 612 a des Bürgerlichen Gesetzbuches ausüben. Denn im entschiedenen Fall war es so, dass der Arbeitgeber nachweislich gekündigt hatte, um zukünftige Störungen bei der Einsatzplanung sowie Unannehmlichkeiten für Kunden zu vermeiden.
 
Das bedeutet: Arbeitgeber von Kleinbetrieben tun gut daran, krankheitsbedingte Kündigungen in Zukunft ausdrücklich mit der Vermeidung von betrieblichen Ablaufstörungen o. ä. zu begründen.
 
Die Entscheidung ist für kleine, aber auch größere und große Unternehmen relevant. Denn auch größere und große Unternehmen können Kleinbetriebe unterhalten.

Wann liegt ein Kleinbetrieb im Sinne von § 23 des Kündigungsschutzgesetzes vor?
 
Bezugspunkt des Kündigungsschutzgesetzes ist grundsätzlich der Betrieb und nicht das Unternehmen.

Hat ein Unternehmen mehrere Betriebsstätten, kann jede dieser Betriebsstätten ein eigenständiger Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes sein.

Eine organisatorische Selbständigkeit der Betriebsstätte reicht hierfür allerdings nicht. Vielmehr muss es in der bzw. den Betriebsstätten auch Beschäftigte geben, die selbständige Einstellungs- und Entlassungsentscheidungen treffen können (z. B. also eine Niederlassungs- oder Betriebsleitung mit entsprechenden Befugnissen).
 
Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten haben es folglich selbst in der Hand, ob diese Betriebsstätten auch eigenständige Betriebe im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes sind.
 
Um festzustellen, ob es sich bei dem Betrieb auch um einen Kleinbetrieb im Sinne von § 23 des Kündigungsschutzgesetzes handelt, müssen Arbeitgeber außerdem Folgendes wissen:
 
Entscheidend sind nach § 23 KSchG die "in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer".
Dazu gehören auch Aushilfskräfte, wenn sie regelmäßig mindestens sechs Monate im Kalenderjahr beschäftigt werden und mit einer derartigen Beschäftigung auch in Zukunft zu rechnen ist.
Ebenso werden Zeitarbeitskräfte, die einen regelmäßigen Beschäftigungsbedarf abdecken, mitgezählt.
Teilzeitbeschäftigte zählen ebenfalls mit, allerdings nur anteilig:
Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 20 Stunden zählen sie mit 0,5 und bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 30 Stunden mit 0,75. Alles über 30 Stunden pro Woche wird mit 1,0 gezählt.
 
Auszubildende zählen dagegen nicht mit.
Geschäftsführer:innen einer GmbH zählen ebenfalls nicht mit (es sei denn, sie sind ganz ausnahmsweise Arbeitnehmer:innen), wohl aber anderes Führungspersonal.
 
Kommen wir nun zu der Frage, wie viele Personen ein Kleinbetrieb beschäftigten darf.
Insoweit kann man sich Folgendes merken:

  • Betriebe mit bis zu 5 regelmäßig Beschäftigten sind in jeden Fall Kleinbetriebe, für die das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt.
  • Betriebe mit mehr als 10 regelmäßig Beschäftigten sind in jedem Falle kein Kleinbetrieb mehr, sodass das Kündigungsschutzgesetz voll zur Anwendung kommt. Mehr als 10 Personen sind es auch, wenn der Betrieb in Summe und unter Berücksichtigung der Teilzeitkräfte 10,5 Personen beschäftigt.
  • Schwieriger ist es mit Betrieben, die zwischen 5,5 und 10 Personen regelmäßig beschäftigen. In diesen Fällen kommt es nämlich darauf an, wie viele Menschen es in dem Betrieb gibt, die schon vor dem 01.01.2004 tätig geworden sind:
    In dem Grenzbereich zwischen 5,5 und 10 Beschäftigten gilt das Kündigungsschutzgesetz nämlich nur, wenn es (de betroffene Person eingeschlossen) mindestens 5,5 Personen gibt, den dem Betrieb bereits seit dem 01.01.2004 angehören. Anderenfalls gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht.
  • Die im Einzelfall etwas komplizierte Berechnung wird anhand der folgenden Beispiele klarer.
    Beispiel 1
    In einem Betrieb sind insgesamt 10 Personen beschäftigt. 5 sind Alt-Beschäftigte, die bereits vor dem 01.01.2004 beschäftigt waren und 5 sind Neu-Beschäftigte, die erst nach dem 01.01.2004 eingestellt wurde.
    In diesem Fall hat keine Person Kündigungsschutz, weil weder die Schwelle von 5 noch von 10 Arbeitnehmern überschritten ist.

    Beispiel 2
    In einem Betrieb sind wieder insgesamt 10 Personen beschäftigt. 6 sind Alt-Beschäftigte und 4 sind Neu-Beschäftigte.
    In diesem Fall haben die Alt-Beschäftigten Kündigungsschutz, weil die für sie relevante Schwelle von mehr als 5 Alt-Beschäftigten überschritten ist. Die nach dem 01.01.2004 Eingestellten haben dagegen keinen Kündigungsschutz, weil die Schwelle von 10 Personen nicht überschritten wird.

    Beispiel 3
    In einem Betrieb sind wieder insgesamt 10 Personen beschäftigt. 4 sind Alt-Beschäftigte und 6 sind Neu-Beschäftigte.
    In diesem Fall hat keine Person Kündigungsschutz. Die Alt-Beschäftigten nicht, weil es nicht mehr als 5 Alt-Beschäftigte sind. Und die Neu-Beschäftigten nicht, weil im Betrieb nicht mehr als 10 Personen insgesamt beschäftigt werden.

    Beispiel 4
    In einem Betrieb sind insgesamt 11 Personen beschäftigt. 6 sind Alt-Beschäftigte und 5 Neu-Beschäftigte.
    In diesem Fall haben alle Beschäftigten Kündigungsschutz, weil sowohl die Schwelle von 5 (Alt-)Beschäftigte als auch von 10 Beschäftigten überschritten ist.
    Aber Achtung: Die Kündigung wirkt sich hier unterschiedlich aus:
    Wird nämlich ein Neu-Beschäftigter entlassen, verlieren alle Neu-Beschäftigten ihren Kündigungsschutz, weil dann die Schwelle von 10 unterschritten wird.
    Wird hingegen ein Alt-Beschäftigter entlassen, verlieren alle Beschäftigten (also Alt und Neu) den Kündigungsschutz, weil dann beide Schwellenwerte unterschritten werden.

 
Und was ist mit Gemeinschaftsbetrieben mehrerer Unternehmen?

Da es im Kündigungsschutzgesetz primär um den Betrieb und nicht das Unternehmen geht, kann ein Unternehmen nicht nur mehrere Betriebe unterhalten. Vielmehr können auch mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb betreiben. Der gemeinsame Betrieb kann sowohl an ein- und demselben Standort (beispielsweise wenn 2 GmbHs in ein- und demselben Gebäude untergebracht sind) als auch an verschiedenen Standorten unterhalten werden.

Liegt ein Gemeinschaftsbetrieb vor, wirkt sich das natürlich auch auf die Kleinbetriebsklausel des § 23 des Kündigungsschutzgesetzes aus. Denn dann müssen alle Beschäftigten des Gemeinschaftsbetriebes zusammen gezählt werden. Genau das verlangte im Übrigen auch der Kläger in dem vom Bundesarbeitsgericht zum Maßregelungsverbot entschiedenen Fall.
 
Ob ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allerdings von der Erfüllung verschiedener Voraussetzungen ab, die das Bundesarbeitsgericht so definiert:
 
„Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen zu arbeitstechnischen Zwecken zusammenfasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben, so dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht …..“ (so das Bundesarbeitsgericht in dem heute besprochenen Urteil vom 20.05.2021, Az.: 2 AZR 560/20).
 
Infolgedessen fragt sich die betriebliche Praxis immer wieder, ob ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen schon dann vorliegt oder zumindest indiziert wird, wenn die Unternehmen die gleiche z. B. GmbH-Geschäftsführung haben.

In seinem Urteil vom 20.05.2021 (Az.: 2 AZR 560/20) sagt das Bundesarbeitsgericht: 

Die Personenidentität des Geschäftsführers ist allein nicht ausreichend für die Annahme einer einheitlichen Leitung. Der Umstand, das eine Person mehrere Unternehmen leitet, bedeutet nämlich nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts noch nicht, dass diese Person diese Aufgaben für alle Unternehmen auch einheitlich wahrnimmt. Hierfür bedarf es vielmehr ergänzender Anhaltspunkte, die das Bundesarbeitsgericht im entschiedenen Fall nicht festgestellt hat.

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