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Nach einem aktuellen BAG-Urteil sind viele Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen unwirksam!

Laut vieler Umfragen stehen vom Arbeitgeber finanzierte Fortbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen ganz oben auf der Wunschliste der Beschäftigten.
Fortbildungsvereinbarungen sind in vielen Unternehmen daher gang und gäbe.

 
Da es sich oft um größere Investitionen handelt, die sich für die Arbeitgeber auch amortisieren sollen, enthalten solche Fortbildungsvereinbarungen meist Regelungen, die Beschäftigte verpflichten, die Fortbildungskosten (anteilig) zurückzuzahlen, wenn sie das Unternehmen vor Ablauf von x Jahren verlassen.
 
Gerade solche Fortbildungsvereinbarungen mit Rückzahlungsklauseln haben viele rechtliche Fallstricke.

Um die wichtigsten zu nennen: 

  • Die Fortbildung muss einen echten Mehrwert für die Beschäftigten haben, der über das „training on the job“ hinausgeht. 

  • Art und Umfang der vom Arbeitgeber übernommenen Fortbildungskosten müssen so konkret wie möglich beschrieben sein. 
  • Die Länge der Bindungsfrist (also der Frist, innerhalb derer Beschäftigte nach erfolgreichem Abschluss der Fortbildung zur Rückzahlung verpflichtet werden können) ist nicht beliebig.
    Sie hängt grundsätzlich von der Höhe der vom Arbeitgeber übernommenen Kosten und dem insoweit von dem von der Rechtsprechung entwickelten Stufenplan ab: 

    Kosten der Fortbildung bis zu 1 Monatsgehalt:
    Zulässige Bindungsfrist maximal 6 Monate

    Kosten der Fortbildung bis zu 2 Monatsgehältern:
    Zulässige Bindungsfrist maximal 12 Monate

    Kosten der Fortbildung bis zu 4 Monatsgehältern:
    Zulässige Bindungsfrist maximal 24 Monate

    Kosten der Fortbildung von 6 bis 12 Monatsgehältern:
    Zulässige Bindungsfrist maximal 36 Monate

    Kosten der Fortbildung von mehr als 24 Monatsgehältern:
    Zulässige Bindungsfrist maximal 60 Monate
     
  • Last but not least gibt es auch bei der Rückzahlungsklausel selbst Tücken. Deren Wirksamkeit hängt nämlich davon ab, dass Beschäftigte in bestimmten, ihnen nicht zuzurechnenden Fällen, nicht zur Rückzahlung verpflichtet werden dürfen.
    Von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden müssen also beispielsweise Beendigungen aus betrieblichen Gründen.

Um diesen letzten Punkt, die Ausnahmen von der Rückzahlungspflicht, ging es auch in dem gerade veröffentlichten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 01.03.2022 (Az.: 9 AZR 260/21).
Kern des Streits war die Frage, welche Eigenkündigungen von Beschäftigten von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden müssen.
Klar ist, dass Eigenkündigungen dann nicht zur Rückzahlung von Fortbildungskosten führen dürfen, wenn der Arbeitgeber den Anlass für die Eigenkündigung geliefert hat.
 
Aber was ist mit krankheitsbedingten Eigenkündigungen?
 
Wie Sie aus unseren früheren Berichterstattungen wissen, haben sich untere Instanzen, allen voran das Landesarbeitsgericht Hamm, für eine Herausnahme von krankheitsbedingten Eigenkündigungen ausgesprochen. Unseren letzten Newsletter zu diesem Thema finden Sie hier.
 
Das Bundesarbeitsgericht hat sich dem nun angeschlossen und entschieden:
 
Von der Rückzahlungspflicht auszunehmen sind auch die Fälle, in denen Beschäftigte sich zur Eigenkündigung entschließen, weil sie vor Ablauf der Bindungsdauer wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit die durch die Fortbildung erworbene oder aufrecht erhaltene Qualifikation bei dem Arbeitgeber nicht (mehr) nutzen können.
 
Nach unserer Erfahrung enthalten viele Rückzahlungsklauseln diese Ausnahme nicht und sind folglich unwirksam.
Arbeitgeber sollen ihre Fortbildungsvereinbarungen daher dringend überarbeiten.
 
Was die praktische Umsetzung anbelangt, stellt sich natürlich die Frage, woher der Arbeitgeber wissen und ggfs. beweisen soll, aus welchen Gründen Beschäftigte das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben.
 
Hier hilft das Bundesarbeitsgericht den Arbeitgebern in seiner Entscheidung vom 01.03.2022 (Az.: 9 AZR 260/21) mit einer abgestuften Darlegungslast:
Zwar müssen Arbeitgeber die Voraussetzungen für die Rückzahlungspflicht darlegen und auch beweisen.

Auf der ersten Stufe können Arbeitgeber sich laut Bundesarbeitsgericht aber mit der Behauptung begnügen, dass die Eigenkündigung nicht auf unverschuldeten personenbedingten Gründen beruht.

Sodann ist es Sache der / des Beschäftigten konkret vorzutragen, dass und durch welche unverschuldeten personenbedingte Gründe, die die qualifikationsgerechte Beschäftigung bis zum Ablauf der Bindungsfrist ausschließen, die Eigenkündigung veranlasst ist.

Danach ist wieder der Arbeitgeber am Zug und muss diesen Vortrag konkret bestreiten und erforderlichenfalls widerlegen.

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