Skip to main content

Krankheitsbedingte und verhaltensbedingte Beendigungen zählen bei Massenentlassungen mit!

Hatte das Bundesarbeitsgericht gerade erst Entwarnung gegeben und entschieden, dass fehlerhafte Soll-Angaben doch nicht zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung führen (siehe unseren Newsletter vom 20.05.2022), droht nun neues Ungemach.
 
In dem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 15.10.2021 (Az.: 7 Sa 405/21) hat sich das Landesarbeitsgerichts Düsseldorf nämlich auf den Standpunkt gestellt:
 
Auch krankheitsbedingte und verhaltensbedingte Beendigungen zählen bei der Massenentlassung mit!

Schon wenn es um die in § 17 Absatz 1 des Kündigungsschutzgesetzes genannten Schwellenwerte (= erforderliche Anzahl der Beendigung von Arbeitsverhältnissen innerhalb von 30 Kalendertagen) geht, sind nach Meinung der Düsseldorfer Landesarbeitsrichter krankheits- und oder verhaltensbedingte Kündigungen mitzuzählen.
 
Selbst wenn Arbeitgeber – wie in dem vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf zu beurteilenden Fall geschehen – ausschließlich krankheitsbedingte Kündigungen aussprechen, könnte danach eine Massenentlassungsanzeige erforderlich sein!
Das gilt erst recht, wenn sowohl betriebsbedingte als auch krankheits- und / oder verhaltensbedingte Entlassungen anstehen. 
Nur fristlose Kündigungen sollen wegen der ausdrücklichen Regelung in § 17 Absatz 4 des Kündigungsschutzgesetzes nicht mitzählen. Da die Mehrheit der Arbeitgeber aber – zu Recht – hilfsweise ordentlich kündigt, hatte diese Ausnahme kaum eigenständige Bedeutung.
 
Die Düsseldorfer Landesarbeitsrichter begründen ihre Entscheidung sowohl historisch als auch mit Sinn und Zweck der Norm. § 17 des Kündigungsschutzgesetzes soll nämlich die sozioökonomischen Auswirkungen von Massenentlassungen auffangen und der Agentur für Arbeit die Möglichkeit geben, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit einzuleiten. Dieses Ziel müsse aber unabhängig davon gelten, aus welchen Gründen die Entlassungen vorgenommen werden.
 
Auch wenn dies von einem nicht unerheblichen Teil von Rechtsprechung und Literatur anders gesehen wird, ist die Begründung durchaus nachvollziehbar.
 
Eigentlich hätte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage zulassen müssen. Hat es aber nicht getan, weil es sein Urteil alternativ damit begründet hat, dass die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung in dem entschiedenen Fall nicht vorlagen.
 
Das Bundesarbeitsgericht wird so bald also keine Gelegenheit haben, sich in dieser Frage zu positionieren.
Für die betriebliche Praxis ist das sehr schade, da die Auswirkungen der vom LAG Düsseldorf vertretenen Auffassung erheblich sind.

Für Arbeitgeber bedeutet die Entscheidung, dass sie das Thema Massenentlassungsanzeige immer, auch im Falle von personen- und verhaltensbedingten Entlassungen, auf dem Schirm haben sollten.

Das gilt auch dann, wenn es nicht um arbeitgeberseitige Kündigungen, sondern Aufhebungsvereinbarungen und / oder Eigenkündigungen geht, die arbeitgeberseitig veranlasst sind. Auch diese Fällen sollte man bei der Planung von Entlassungen im Blick haben.

Immer dann, wenn der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 KSchG überschritten wird (das kann schon bei mehr als fünf Entlassungen innerhalb von 30 Tagen der Fall sein) ist Obacht geboten!

  • Erstellt am .