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Wie umgehen mit den Themen Urlaub, Zeiterfassung und AU im neuen Jahr?

Zunächst möchten wir Ihnen alles Gute für das neue Jahr wünschen.
 
Arbeitsrechtlich möchten wir das neue Jahr gerne mit drei Themen beginnen, die die Arbeitswelt Ende des letzten Jahres besonders bewegt haben.
Und das sind die Themen Urlaub, Erfassung von Arbeitszeiten und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
 
1. Urlaub – was müssen Arbeitgeber für den Verfall von Urlaubsansprüchen tun?
 
Aus unserem Newsletter vom 22.09.2022 wissen Sie, dass der Europäische Gerichtshof auf Vorlage des Bundesarbeitsgerichts entschieden hat:

  • Urlaubsansprüche können nur verjähren, wenn Arbeitgeber ihre Initiativlast erfüllt haben. Arbeitgeber, die ihrer Initiativlast bislang nicht nachgekommen sind, sehen sich daher noch Resturlaubsansprüchen von vor etlichen Jahren ausgesetzt; solche Urlaubsansprüche sind nicht mal mehr nach Ablauf der 3-jährigen Verjährungsfrist weg.

  • Bezogen auf die Verjährung und auch den früher als die Verjährung eintretenden Verfall von Urlaubsansprüchen von langzeiterkrankten Beschäftigten, hat der Europäische Gerichtshof uns ebenfalls einen Dämpfer verpasst: Bezogen auf das Jahr, in dem die Langzeiterkrankung begann, können Verfall und Verjährung ebenfalls erst eintreten, wenn der Initiativlast genügt wurde. Anders ist es nur für die Jahre, in denen Beschäftigte das volle Urlaubsjahr (= Kalenderjahr) krank waren; hier tritt der Verfall auch ohne Erfüllung der Initiativlast nach 15 Monaten, sprich mit Ablauf des 31.03. des übernächsten Jahres ein, wenn die Erkrankung bis dahin fortbesteht. 

Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes wurden mittlerweile vom Bundesarbeitsgericht per Urteilen vom 20.12.2022 (Az.: 9 AZR 266/20 sowie Az.: 9 AZR 245/19) bestätigt.
 
Was bedeutet das nun für die betriebliche Praxis?

  • Um Resturlaube aus vergangenen Jahren zu erledigen, müssen die Resturlaube zunächst für jede Person einzeln ermittelt werden. Denn die Erfüllung der Initiativlast setzt eine Aufforderung an die Beschäftigten voraus, die ihnen konkret zustehenden Urlaubstage fristgerecht, das heißt bis zum 31.12. in Anspruch zu nehmen, anderenfalls sie verfallen.
    Oder anders gesagt: Urlaubstage, die nicht Bestandteil der Aufforderung sind, können nicht verfallen und auch nicht verjähren.

  • Wenn Beschäftigte noch Mehrurlaubsansprüche aus vergangenen Jahren haben, ist außerdem anhand der jeweiligen Arbeitsverträge zu überprüfen, ob zumindest die Mehrurlaubsansprüche nicht auch ohne Erfüllung der Initiativlast verfallen sind. Wie Sie aus unseren früheren Berichterstattungen wissen, können Arbeitgeber den Verfall oder auch die Kürzung von Mehrurlaubsansprüchen relativ frei vereinbaren.
    Aber Achtung: Wenn der Verfall von Mehrurlaubsansprüchen laut Arbeitsvertrag unabhängig von der Erfüllung der Initiativlast eintreten soll, muss das einigermaßen klar aus der arbeitsvertraglichen Regelung hervorgehen.

  • Je nachdem, wie groß Urlaubsguthaben aus den vergangenen Jahren noch sind, sollte überlegt werden, die Resturlaube finanziell abzugelten.

    Bitte beachten Sie insoweit:

    Im laufenden Arbeitsverhältnis ist eine finanzielle Abgeltung von Urlaubsansprüchen nur mit Zustimmung der Beschäftigten möglich. Arbeitgeber, die so verfahren möchten, sollten daher eine Vereinbarung über die finanzielle Urlaubsabgeltung mit den betroffenen Personen schließen.

    Mit einer solchen Vereinbarung kommt nur eine finanzielle Abgeltung des über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Mehrurlaubs in Betracht. Oder anders gesagt: Arbeitgeber, die auch die finanzielle Abgeltung noch offener Mindesturlaubsansprüche vereinbaren möchten, laufen Gefahr, dass Beschäftigte die Wirksamkeit der Vereinbarung später zurecht in Abrede stellen; die Arbeitgeber können dann zusehen, wie sie die schon gezahlte Urlaubsabgeltung zurückerhalten.

    In Fällen, in denen es aus der Vergangenheit sowohl Mindest- als auch Mehrurlaubsansprüche gibt, spricht aber nichts dagegen, mit den Betroffenen zu vereinbaren, dass die Mehrurlaubsansprüche bezahlt und die Mindesturlaubsansprüche bis zum 31.12. genommen werden müssen, anderenfalls sie verfallen.
    Wichtig ist in solchen Fällen, dass die Vereinbarung eindeutig festhält, wie hoch der insgesamt noch offene Urlaubsanspruch ist und wie sich dieser zusammensetzt, damit die Vereinbarung die Voraussetzungen für den Verfall der ggf. nicht bis zum 31.12. in Anspruch genommenen Urlaubsansprüche schafft.

  • Wenn man in 2023 alles glattziehen möchte, sollten die noch nicht in Anspruch genommenen Urlaubstage für 2023 natürlich mit in das Aufforderungsschreiben/Vereinbarungen oder die Vereinbarung hineingenommen werden.
    Wegen der neuen Rechtsprechung zu Langzeiterkrankungen, die erst im laufenden Urlaubsjahr auftreten, sollten diese Aufforderungsschreiben dann auch so schnell wie möglich, also zu Beginn des jeweiligen Urlaubsjahres, verfasst werden.

  • Bei schon bestehenden Langzeiterkrankungen sollten Arbeitgeber dagegen die Genesung abwarten und die Betroffenen dann zu einer Inanspruchnahme der Urlaubstage auffordern, die sie nach neuem Recht tatsächlich noch haben.

  • Das grundsätzliche gesetzliche Verfallsdatum ist bekanntlich das Ende des Urlaubsjahres, sprich der 31.12. Das Gesetz sagt aber auch, dass Urlaube, die aus dringenden betrieblichen oder persönlichen (also insbesondere krankheitsbedingten) Gründen nicht bis dahin genommen werden können, noch bis zum 31.03. des Folgejahres beansprucht werden können, und erst dann verfallen. Um den Verfall zum spätestens 31.03. des Folgejahres herbeizuführen, ist es sinnvoll, die Beschäftigten auch darauf hinzuweisen.

  • Apropos schriftlich: Eine besondere Form für das Aufforderungsschreiben ist nicht vorgeschrieben. Da Arbeitgeber beweisen müssen, dass sie ihrer Informationspflicht nachgekommen sind, empfehlen wir aber dringend, die Mitteilung zumindest in Textform (also z. B. per E-Mail) zu machen. Damit der Zugang der E-Mail im Streitfall auch bewiesen werden kann, sollte bei der Versendung mindestens eine Lesebestätigung angefordert und der Eingang der Lesebestätigung nachgehalten werden.
    „Kollektive“ Hinweise in Merkblättern oder Aushängen an die Belegschaft genügen, wie schon gesagt, nicht. Bei ihnen hapert es schon an der nötigen „Individualität“, sprich der konkreten Bezeichnung der den Beschäftigten zustehenden Urlaubstage.
    Problematisch sind auch Hinweise in Gehaltsabrechnungen, hat das Bundesarbeitsgericht doch in anderer Sache entschieden, dass die in Gehaltsabrechnungen ausgewiesenen Urlaubsansprüche üblicherweise unverbindliche Wissenserklärungen sind. 

Wenn das ganze Prozedere für 2023 einmal aufgesetzt ist, ist es für die Folgejahre leichter. Denn wenn die Restansprüche aus den Vorjahren einmal erledigt sind, müssen in die jeweiligen Aufforderungsschreiben nur noch die das jeweilige Jahr betreffenden Urlaubsansprüche mitgeteilt werden; Besonderheiten gibt es dann nur noch in bestimmten Fällen, wie bei Langzeiterkrankten, Elternzeitlern etc.
 
2. Die Aufzeichnung von Arbeitszeiten
 
Was das neue Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Aufzeichnung von Arbeitszeiten bedeutet, hatten wir zuletzt in unserem Newsletter vom 08.12.2022 beschrieben.
In einem Interview mit der Rheinischen Post hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil nun angekündigt, in 2023 zeitnah eine Reform des Arbeitszeitgesetzes vorzulegen. Hubertus Heil sagte wörtlich, dass es „praxistaugliche Lösungen“ sein werden. „Es gehe“, so Hubertus Heil weiter, „nicht darum, die Stechuhr wieder einzuführen, da es heutzutage auch digitale Möglichkeiten gebe.“
Eine weitere Reform des Arbeitszeitrechts im Sinne der Abschaffung des starren 8-Stunden-Tages hat Herr Heil abgelehnt.
Mal schauen, welchen Gesetzesentwurf die Bundesregierung vorlegen wird.
 
3. Die digitale AU
 
Seit Anfang des Jahres gibt es die digitale AU.
Was das für gesetzlich-, aber auch privat krankenversicherte Beschäftigte bedeutet und dass die digitale AU nichts an der bestehenbleibenden Anzeigepflicht ändern wird, hatten wir bereits in unserem Newsletter vom 14.12.2022 erläutert.
 
Jetzt gehen Sie hoffentlich gut vorbereitet ins neue Jahr.

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