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Neues zur Sozialauswahl: Naht die Rente, kann das zu Lasten der Beschäftigten berücksichtigt werden!

Arbeitgeber, die betriebsbedingt kündigen möchten, müssen in der Regel (nämlich dann, wenn es gemessen an der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit vergleichbare Arbeitsplätze gibt) eine Sozialauswahl durchführen.
Nach § 1 Absatz 3 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes ist die Sozialauswahl allein anhand der Kriterien Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Lebensalter und Schwerbehinderung durchzuführen.
Das Kriterium Lebensalter wirft oft Fragen auf. Denn wie wir durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gelernt haben, dürfen nicht nur ältere gegenüber jungen Beschäftigten, sondern auch jüngere gegenüber älteren Beschäftigten nicht benachteiligt werden.

Das Kriterium Lebensalter ist also ambivalent, sodass es auf die soziale Schutzbedürftigkeit ankommt.
Tatsache ist, dass die soziale Schutzbedürftigkeit mit steigendem Lebensalter zunimmt, weil ältere Beschäftigte, zumindest ab einem bestimmten Alter, typischerweise schlechtere Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt haben.
 
Aber was ist mit der sozialen Schutzbedürftigkeit von Rentnern oder rentennahen Jahrgängen?
 
Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits per Urteil vom 27.04.2017 (Az.: 2 AZR 67/16) entschieden, dass der Bezug einer Regelaltersrente beim Kriterium Lebensalter zu Lasten der Beschäftigten berücksichtigt werden kann.
 
In seinem aktuellen und bislang nur als Pressemitteilung veröffentlichten Urteil vom 08.12.2022 (Az.: 6 AZR 31/22) hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung nun auch in Bezug auf rentennahe Beschäftigte weiterentwickelt und entschieden:
 
Die soziale Schutzbedürftigkeit fällt wieder ab, wenn Beschäftigte spätestens innerhalb von 2 Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses eine abschlagsfreie Rente in Anspruch nehmen können.
 
Aber Achtung: Der Bezug einer abschlagsfreien Rente für Schwerbehinderte zählt nicht, weil dies eine unzulässige Benachteiligung von schwerbehinderten Menschen wäre.
 
Sollten sich nach Veröffentlichung der kompletten Entscheidungsgründe weitere Aspekte ergeben, werden wir unsere Berichterstattung fortsetzen. Denn diese Entscheidung ist für die betriebliche Praxis enorm wichtig.
 
Diese Entscheidung führt allerdings nicht dazu, dass Unternehmen bei Rentner:innen oder rentennahen Jahrgängen alle anderen Sozialkriterien „vergessen können“. Betroffen ist nur das Kriterium Lebensalter. Die weiteren Kriterien (Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung) dürfen auch bei Rentner:innen und rentennahen Jahrgängen nicht außer Acht gelassen werden.

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