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Prüfung nicht angetreten – Neues vom BAG zur Rückzahlung von Fortbildungskosten

Die Fortbildung von Beschäftigten ist ein Gewinn für beide Seiten. Aber sie kostet Geld, mitunter sogar viel Geld. Viele Arbeitgeber sind daher im eigenen Interesse gerne bereit, sich an den Fortbildungskosten zu beteiligen oder sie sogar ganz zu übernehmen, sei es durch eine bezahlte Freistellung oder die Übernahme der Kosten des Fortbildungsträgers u. a.
Diesen Arbeitgebern ist es nicht zu verdenken, dass sich das Investment in die Fortbildung auch für sie lohnen soll. Rechtlich wird dieser Wunsch dadurch umgesetzt, dass Fortbildungsvereinbarungen mit den Beschäftigten abgeschlossen werden, die die Beschäftigten an das Unternehmen binden, indem sie sie in bestimmten Fällen zur (anteiligen) Rückzahlung der Kosten verpflichten.

Allerdings sind solche Fortbildungsvereinbarungen mit Rückzahlungsklauseln mit vielen Fallstricken behaftet.
In den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis nach Abschluss der Fortbildung endet, sind die Rahmenbedingungen für Rückzahlungsklauseln mittlerweile ziemlich klar.
Gerne nennen wir Ihnen die wichtigsten Punkte, die Sie berücksichtigen müssen:

  • Die Fortbildung muss einen echten Mehrwert für die Beschäftigten haben, der über das „training on the job“ hinausgeht.

  • Art und Umfang der vom Arbeitgeber übernommenen Fortbildungskosten müssen so konkret wie möglich beschrieben sein. 

  • Die Länge der Bindungsfrist (also der Frist, innerhalb derer Beschäftigte nach erfolgreichem Abschluss der Fortbildung zur Rückzahlung verpflichtet werden können) ist nicht beliebig.
    Sie hängt grundsätzlich von der Höhe der vom Arbeitgeber übernommenen Kosten und dem insoweit von dem von der Rechtsprechung entwickelten Stufenplan ab:

    ➡ Kosten der Fortbildung bis zu 1 Monatsgehalt:
    Zulässige Bindungsfrist maximal 6 Monate

    ➡ Kosten der Fortbildung bis zu 2 Monatsgehältern:
    Zulässige Bindungsfrist maximal 12 Monate

    ➡ Kosten der Fortbildung bis zu 4 Monatsgehältern:
    Zulässige Bindungsfrist maximal 24 Monate

    ➡ Kosten der Fortbildung von 6 bis 12 Monatsgehältern:
    Zulässige Bindungsfrist maximal 36 Monate

    ➡ Kosten der Fortbildung von mehr als 24 Monatsgehältern:
    Zulässige Bindungsfrist maximal 60 Monate

  • Die Rückzahlungsklausel hat es aber nicht nur hinsichtlich der gerade beschriebenen Bindungsfristen in sich. Die Rückzahlungsklausel muss auch sicherstellen, dass Beschäftigte nur dann zur Rückzahlung verpflichtet sind, wenn sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, um es zunächst ganz unjuristisch zu sagen, selbst in der Hand haben. 

    Bis vor kurzem wurde in der juristischen Fachwelt darüber diskutiert, ob auch die Beendigung von Arbeitsverhältnissen aus krankheitsbedingten Gründen von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden muss, und zwar unabhängig davon, ob die Beendigung aus gesundheitlichen Gründen von den Beschäftigten oder aber vom Arbeitgeber ausgeht.
    In seinem Urteil vom 01.03.2022 (Az.: 9 AZR 260/21), über das wir in unserem Newsletter vom 31.05.2022 berichtet hatten, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass eine Beendigung wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit innerhalb der zulässigen Bindungsfristen nicht zu einer Rückzahlung der vom Arbeitgeber geleisteten Fortbildungskosten führen darf.

    Möchte man die Fälle, in denen Beschäftigte nach abgeschlossener Fortbildung zur Rückzahlung verpflichtet sind, auf einen Nenner bringen, kann man also sagen:
    Endet das Arbeitsverhältnis nach abgeschlossener Fortbildung und innerhalb der zulässigerweise vereinbarten Bindungsfristen, sind Beschäftigte (nur) dann zur Rückzahlung verpflichtet, wenn die Beendigung aus von den Beschäftigten zu vertretenen Gründen geschieht. Auch im Fall einer von Beschäftigten nicht zu vertretenen personenbedingten (meist krankheitsbedingten) Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht daher keine Rückzahlungspflicht.

    So weit, so klar.

    Aber was ist mit der Rückzahlungsverpflichtung, wenn es nicht zum Abschluss der Fortbildungsmaßnahme kommt?

    Hier sind unterschiedliche Konstellationen denkbar:

    Endet das Arbeitsverhältnis, bevor die Abschlussprüfung ansteht, gilt das gerade Gesagte; auch in diesen Fällen kommt es also darauf an, ob die Beschäftigten den Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vertreten müssen.

    Kommt es deshalb nicht zum Abschluss, weil die Prüfung (endgültig) nicht bestanden wird, ist (nach der herrschenden Meinung) entscheidend, warum die Prüfung nicht bestanden wurde. Auch hier geht es also um die Frage des Vertretenmüssens, aber dieses Mal nicht mit Blick auf die Beendigung, sondern mit Blick auf das Nichtbestehen.

    Und was wird aus der Rückzahlungsverpflichtung, wenn es deshalb nicht zu einem Abschluss der Fortbildungsmaßnahme kommt, weil die Prüfung nie angetreten wird?

    Zu dieser Fallkonstellation, zu der es bislang nicht allzu viele Gerichtsurteile gab, gibt es jetzt ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 25.04.2023, Az.: 9 AZR 187/22).
    In dem vom Bundesarbeitsgericht (BAG) behandelten Fall ging es um eine Beschäftigte, die ihre Steuerberaterprüfung machen wollte und deshalb mit ihrem Arbeitgeber eine Fortbildungsvereinbarung mit Rückzahlungsverpflichtung geschlossen hatte. Die Vereinbarung sah eine Rückzahlungspflicht ausdrücklich auch für den Fall vor, dass die Prüfung nicht angetreten wird.
    Es kam, wie es kommen musste: Die Mitarbeiterin legte die Prüfung zur Steuerberaterin in drei aufeinanderfolgenden Jahren nicht ab, sondern kündigte das Arbeitsverhältnis aus eigenem Antrieb, um die Abschlussprüfung dann bei einem neuen Arbeitgeber zu absolvieren. Der Arbeitgeber forderte die geleisteten Fortbildungskosten zurück.
    Besondere Gründe für den Nichtantritt der Prüfung oder die Kündigung konnte die Mitarbeiterin nicht darlegen.
    Aus Sicht der Richter des BAG musste sie das aber auch nicht, weil die Regelungen in der Fortbildungsvereinbarung über die Rückzahlung unwirksam waren. Sie hielten der verschärften Kontrolle von vorformulierten Arbeitsbedingungen („AGB-Kontrolle“) nicht Stand.

    Die Entscheidung des BAG ist deshalb beachtenswert, weil der Arbeitgeber eine durchaus differenzierte Rückzahlungsregelung für den Fall vereinbart hatte, dass die Prüfung nicht angetreten wird; insbesondere gab es eine Regelung, nach der die Mitarbeiterin im Fall eines unverschuldeten Nichtantritts, z.B. wegen dauerhafter Erkrankung oder Pflege eines Angehörigen die Möglichkeit haben sollte, die Prüfung später nachzuholen.
    Aus diesem Grund hielt die Vorinstanz, das LAG Niedersachsen, die Rückzahlungsverpflichtung auch für zulässig und hat die Mitarbeiterin dementsprechend zur Zahlung verurteilt.

    Das hat das BAG nun anders gesehen.
    Konkret störte sich das BAG daran, dass der Arbeitgeber die Rückzahlung im Fall des Nichtantritts zur Prüfung ausdrücklich unabhängig von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen hatte. Das ist – nach Ansicht des BAG – zu kurz gedacht. Nach Auffassung des BAG muss nämlich auch bedacht werden, dass der Nichtantritt zur Prüfung mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Zusammenhang stehen könnte; und dann kommt es – wie oben gesagt – nicht nur darauf an, warum die Prüfung nicht angetreten wurde, sondern auch und insbesondere darauf, warum die Beendigung erfolgt ist.

    Da die AGB-Kontrolle eine abstrakte Kontrolle ist, spielte es für das Bundesarbeitsgericht keine Rolle, ob der Nichtantritt der Prüfung im konkreten Fall im Zusammenhang mit einer (von wem auch immer zu vertretenden) Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht; abstrakt wäre das jedenfalls denkbar gewesen.

    Und was folgt daraus für die betriebliche Praxis?
    Wir schlussfolgern aus diesem Urteil, dass für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen vor Beendigung der Fortbildung genau die gleichen Grundsätze wie für die Beendigung nach deren Abschluss gelten, und zwar unabhängig davon, ob die Abschlussprüfung (wie im Fall des Bundesarbeitsgerichts) gar nicht erst angetreten wurde oder die Beschäftigten durchgefallen sind.

    Immer dann, wenn die Gründe dafür, dass sich die Investition für den Arbeitgeber nicht lohnt, in seiner eigenen Verantwortung liegen (z.B. weil der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt kündigt oder die Beschäftigten durch sein Verhalten selbst zur Kündigung veranlasst), ist eine Rückzahlungsverpflichtung ausgeschlossen. Das gleiche gilt, wenn die Gründe weder dem Arbeitgeber noch den Beschäftigten anzulasten sind (z.B. im Falle der krankheitsbedingten Kündigung, wenn der Abschluss aus krankheitsbedingten Gründen nicht erlangt wurde oder wenn die Prüfung aus Gründen nicht angetreten wurde, die nicht vom Arbeitnehmer zu verantworten sind).
    Da die Gründe insbesondere im zuletzt genannten Fall der nicht angetretenen Prüfung vielfältig sind und den Beschäftigten oft nur schwer anzulasten sein werden (zumal, wenn sie nebenher noch ihren Job machen müssen) wird die Rückzahlungspflicht oft an der von der Rechtsprechung vorgenommenen Risikoverteilung scheitern.

    Besonders misslich ist es aber, wenn sie – wie in dem vom BAG entschiedenen Fall – allein deshalb scheitert, weil der Fortbildungsvertrag nicht sauber formuliert wurde.
    Eine saubere Formulierung, die sämtliche denkbare Fallkonstellationen erfasst, ist deshalb das A und O.

    Einzig offen ist noch die Frage, ob solche Rückzahlungsklauseln vor Beginn der Fortbildungsmaßnahme abgeschlossen werden müssen. Die bislang herrschende Meinung hatte das bejaht. Die Vorinstanz des heute besprochenen Urteils des Bundesarbeitsgerichts, das Landesarbeitsgericht Niedersachsen, hat das im entschiedenen Fall (wie wir finden zu Recht) differenzierter gesehen, da die Mitarbeiterin die Fortbildung in dem konkreten Fall bereits ohne Wissen des Arbeitgebers begonnen hatte und die Rückzahlungsklausel zwar nach dem Beginn der Fortbildungsmaßnahme, aber zeitgleich mit der Zusage der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber vereinbart worden war.
    Leider hat sich das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil zu dieser Frage nicht positioniert. Hier bleibt also eine Rechtsunsicherheit, so dass es nach wie vor ratsam ist, Fortbildungsvereinbarungen mit Rückzahlungsklauseln vor Beginn der Maßnahme abzuschließen.
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