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Handy- und Rauchverbote während der Arbeitszeit – geht das?

Manch ein Unternehmen denkt zunehmend über Rauch- und Handyverbote (gemeint ist die Nutzung privater Handys) während der Arbeitszeit nach.
Das Ziel solcher Verbote ist klar: Außerhalb der Pausen sollen Beschäftigte sich auf ihre Arbeit konzentrieren. Mitunter haben Unternehmen auch das Problem, dass Beschäftigte vergessen, sich während solcher privaten Aktivitäten aus dem Zeiterfassungssystem auszuloggen, Personalabteilungen dadurch Arbeit machen und Personaler durch die Nichterfassung privater Aktivitäten auch die Gleichbehandlung im Vergleich zu anderen Beschäftigten gestört sehen.

Die juristische Preisfrage ist natürlich die: Können Unternehmen Rauch- und Handyverbote innerhalb der Arbeitszeit ohne Weiteres aussprechen?



In Unternehmen mit Betriebsrat müssen Arbeitgeber zunächst klären, ob der Betriebsrat insoweit ein Mitbestimmungsrecht hat.

Die Antwort hierauf ist in § 87 Abs. 1 Nr. 1. des Betriebsverfassungsgesetzes zu suchen und hängt davon ab, ob solche Verbote das Arbeitsverhalten oder das Ordnungsverhalten betreffen.
Ist das Arbeitsverhalten tangiert, hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht.
Betreffen solche Verbote dagegen das Ordnungsverhalten, ist ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1. des Betriebsverfassungsgesetzes gegeben.

Nach zwei jüngst im Volltext veröffentlichten Urteilen betreffen Verbote, die die Handynutzung und das Rauchen während der Arbeitszeit verbieten, überwiegend das Arbeitsverhalten und sind daher nicht mitbestimmungspflichtig.

1. So hat es das Bundesarbeitsgericht per Beschluss vom 17.10.2023 (Az.: 1 ABR 24/22) für das Handyverbot entschieden.
Die wesentlichen Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts möchten wir folgendermaßen für Sie zusammenfassen:

  • Das nicht mitbestimmungspflichtige Arbeitsverhalten umfasst alle Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar abgefordert oder konkretisiert wird.
  • Wirkt sich eine unternehmerische Maßnahme sowohl auf das Arbeits- als auch auf das Ordnungsverhalten aus, ist der überwiegende Regelungszweck entscheidend.
    Wörtlich sagt das Bundesarbeitsgericht:

    „Wirkt sich die arbeitgeberseitige Maßnahme sowohl auf das Arbeits- als auch das Ordnungsverhalten aus, ist der überwiegende Regelungszweck für die Einordnung maßgebend (BAG 17. März 2015 - 1 ABR 48/13 - Rn. 22 mwN, BAGE 151, 117). Dieser richtet sich nach dem objektiven Inhalt der Maßnahme sowie der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens. Dabei ist eine - qualitative - Gewichtung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers kommt es insoweit nicht an (vgl. BAG 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 22 mwN, BAGE 140, 223).“
  • Eine Weisung, während der Arbeitszeit keine Handys zu privaten Zwecken zu benutzen, betrifft primär das Arbeitsverhalten, da es dem Arbeitgeber hierbei in erster Linie um das zügige und konzentrierte Arbeiten der Beschäftigten durch die Vermeidung privater Ablenkungen geht.
  • Dabei spielt es keine Rolle, dass ein Verbot, private Handys während der Arbeitszeit zu nutzen, nicht unmittelbar die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung betrifft.
    Soweit früheren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, insbesondere der Entscheidung vom 14.01.1986 (Az.: 1 ABR 75/83) ein engeres Verständnis von Arbeitsverhalten zu entnehmen ist, hält das Bundesarbeitsgericht hieran nicht mehr fest.
  • Ebenso unerheblich für die Einordnung in die Kategorie Arbeitsverhalten ist es laut Bundesarbeitsgericht, dass das Verbot auch Arbeitszeiten umfasst, in denen es zu Arbeitsunterbrechungen kommen kann.
    Begründung des Bundesarbeitsgerichts: Arbeitgeber sind auch während solcher Arbeitsunterbrechungen berechtigt, Arbeitsleistungen bei den Beschäftigten abzufordern und ihnen bestimmte Aufgaben zuzuweisen. Ergänzend führt das Bundesarbeitsgericht aus, dass im konkreten Fall Arbeitsunterbrechungen auch zur selbständigen Erfüllung von Nebenarbeiten genutzt werden sollen.
  • Das Bundesarbeitsgericht verkennt nicht, dass das Verbot der privaten Handynutzung während der Arbeitszeit auch das Ordnungsverhalten betreffen kann (z. B. weil andere Beschäftigte dadurch gestört werden).
    Das Ordnungsverhalten habe aber nur untergeordnete Bedeutung. Primär sei das Arbeitsverhalten betroffen und der überwiegende Regelungszweck sei nun einmal entscheidend.

2. Für das Rauchverbot während der Arbeitszeit hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern bereits in seinem Beschluss vom 29.03.2022 (Az.: 5 TaBV 12/21) im Ergebnis genauso entschieden:
 
„Die Anordnung der Arbeitgeberin, dass Rauchen nur in den Pausen, also außerhalb der Arbeitszeit, gestattet ist, betrifft ausschließlich das Arbeitsverhalten. Die Regelung dient nicht der Koordinierung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer. Sie ist ausschließlich auf die Einhaltung der Arbeitszeiten gerichtet. Während des Rauchens können die Arbeitnehmer grundsätzlich keine Arbeitsleistung erbringen. Rauchen außerhalb der vorgesehenen Pausen stellt eine Unterbrechung der Arbeitstätigkeit dar. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, solche Arbeitsunterbrechungen zu dulden. Vielmehr haben die Arbeitnehmer während der festgelegten Arbeitszeiten ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Zumindest haben sie sich bereitzuhalten, um jederzeit die Arbeit nach Anweisung der Arbeitgeberin aufnehmen zu können. Der Arbeitgeberin ist es nicht verwehrt, die vereinbarten Arbeitsleistungen in dem vollen Zeitumfang abzufordern. Zwar mag es vorkommen, dass es wegen eines schwankenden Arbeitsanfalls nicht immer möglich ist, alle Arbeitnehmer durchgängig zu beschäftigen. Das berechtigt jedoch weder die Raucher, ihren Arbeitsplatz zu verlassen und eine Raucherinsel aufzusuchen, noch andere Arbeitnehmer, privaten Angelegenheiten, welcher Art auch immer, nachzugehen. Während der festgelegten Arbeitszeiten besteht Arbeitspflicht, sofern nicht die Arbeitgeberin von sich aus im Einzelfall freiwillig eine zusätzliche bezahlte oder unbezahlte Pause gestattet.“
 
Das Bundesarbeitsgericht wurde in dem vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschiedenen Fall nicht bemüht, da die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist.
 
Soweit zu der betriebsverfassungsrechtlichen Ebene zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
 
Eine andere und davon arbeitsrechtlich zu unterscheidende Frage betrifft das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten.
 
Denn beide Ebenen (Unternehmen-Betriebsrat sowie Unternehmen-Beschäftigte) sind arbeitsrechtlich gesehen zwei verschiedene Paar Schuhe.
 
Unternehmen müssen sich daher auch fragen:
 
Sind solche Verbote individualrechtlich, also im Verhältnis zu den Beschäftigten zulässig?
 
Die Feststellung, dass die Verbote nicht mitbestimmungspflichtig sind, macht sie gegenüber den Beschäftigten noch nicht zulässig.
Umgekehrt würde eine Unzulässigkeit einer Weisung gegenüber den Beschäftigten auch nicht zur Mitbestimmungspflichtigkeit der Maßnahme führen.
 
Deshalb konnte das Bundesarbeitsgericht diese Frage in seinem in Ziffer 1. besprochenen Beschluss vom 17.10.2023 (Az.: 1 ABR 24/22) offen lassen.
 
Die bislang hiermit beschäftigten Gerichte haben zur Wirksamkeit solcher Verbote während der Arbeitszeit im Verhältnis zu den Beschäftigten Folgendes gesagt:
 
Die Zulässigkeit eines Rauchverbots während der Arbeitszeit haben das LAG Schleswig-Holstein (Urt. v. 19.05.2010 – 3 Sa 30/10, Rdnr. 29) und das LAG Rheinland-Pfalz (Urt. v. 06.05.2010 – 10 Sa 712/09. Rdnr. 36) grundsätzlich bejaht.
 
Und das LAG Köln (Urt. v. 19.12.2019 – 7 Sa 444/19, Rdnr. 24, 25) hat sich im Fall einer Sicherheitskraft am Flughafen für die Zulässigkeit eines Nutzungsverbots privater Handys während der Arbeitszeit ausgesprochen.
 
Nun sind die genannten Entscheidungen teils schon älter und die Rechtsprechung hat die bei der Ausübung solcher Weisungsrechte vorzunehmende Abwägung zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen in den letzten Jahren weiter geschärft.
Damit solche Verbote auch heute gegenüber Beschäftigten durchgesetzt werden können, sollten daher „flankierende“ Maßnahmen überlegt werden:
 
Beim Verbot der privaten Handynutzung während der Arbeitszeit sollte sichergestellt werden, dass Beschäftigte trotzdem die Möglichkeit haben, ihre Familie in all den Fällen zu informieren, in denen sie keine Pause mehr haben und aus betrieblichen Gründen z. B. nicht wie geplant nach Hause kommen können.
Teilweise wird in solchen Fällen angenommen, dass die betriebliche Veranlassung solcher Mitteilungen die Unternehmen verpflichtet, die Nutzung der betrieblichen Telekommunikationseinrichtungen zu dulden; aufgrund der datenschutzrechtlichen Schwierigkeiten, die mit einer Privatnutzung einhergehen, tendieren wir jedoch eher zu einer (ausnahmsweisen) Auflockerung des Nutzungsverbots privater Handys.
 
Da Rauchen nicht nur ein Persönlichkeitsrecht, sondern meistens auch eine Sucht ist, sollten Unternehmen, die Rauchverbote während der Arbeitszeit verhängen möchten, über kostenlose Angebote nachdenken, mit denen Raucher Enthaltsamkeit üben oder noch besser sich das Rauchen abgewöhnen können.

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