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Teilzeit nur für beliebte Urlaubszeiten – geht das?

Sie werden es kennen: Während der Sommermonate (erst recht der Schulferien), über Feiertage oder über die Weihnachtszeit möchten besonders viele Beschäftigte gerne frei haben. Die Urlaubsanträge häufen sich und es ist mitunter schwer, allen gerecht zu werden und den Betrieb trotzdem am Laufen zu halten.

Um sich in diesen Zeiten ihr „Frei“ zu sichern, haben 2 Piloten eines Luftfahrtunternehmens Folgendes gemacht: Sie haben einen Antrag nach § 8 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes gestellt, der so aussah, dass ihre Arbeitszeit so reduziert wird, dass sie nur in einem bestimmten (Sommer-)Monat bzw. an bestimmten Tagen frei haben:
Der Teilzeitantrag des einen Piloten sah vor, dass er den Monat Juli sowie die Zeit vom 23.12. bis zum 01. Januar frei haben wollte.
Und beim Teilzeitantrag des anderen Piloten sollten es von März bis September nur jeweils die letzten 4 Tage des einen und die ersten 4 Tage des Folgemonats sein.

Das beklagte und bekannte Luftfahrtunternehmen aus Hessen lehnte die Anträge ab und begründete das u. a. mit einer Betriebsvereinbarung, die bestimmte Zeiten für solche Teilzeitverlangen sperrt.

So gingen beide Fälle vors Gericht und beide Piloten bekamen in 2. Instanz vom Hessischen Landesarbeitsgericht Recht.

Die Folge ist, dass Urlaubsanträge anderer Beschäftigter ggf. abgelehnt werden müssen.



Bevor wir uns fragen, ob das gerecht bzw. rechtens ist (denn manchmal sind die Folgen gesetzlicher Bestimmungen ja auch ungerecht), möchten wir die wesentlichen Feststellungen der hessischen Landesarbeitsrichter in deren Urteilen vom 02.03.2023 (Az.: 11 Sa 1342/22) sowie vom 06.03.2023 (Az.: 17 Sa 833/22), die erst kürzlich veröffentlicht wurden, gerne für Sie zusammenfassen:

  • Teilzeitanträge, durch die Beschäftigte einzelne Zeiträume ganz frei haben möchten, sind grundsätzlich zulässig. Insoweit spricht man auch von einer verblockten Teilzeit.
  • Teilzeitanträge müssen von den Beschäftigten auch nicht begründet werden. Das Motiv für einen Teilzeitantrag ist also egal. Beschäftigte sind folglich nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber mitzuteilen, warum sie überhaupt und erst recht nur für einzelne Monate nicht arbeiten möchten.
  • Das Hessische Landesarbeitsgericht hatte ebenfalls kein Problem damit, dass sich die Arbeitszeiten der Piloten in dem einen Fall nur um knapp 7 % und in dem anderen Fall um rund 11 % reduzierte.
    Denn das Gesetz bzw. § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz nenne ja auch keinen Mindestumfang, den die Teilzeit haben muss.
    Bei „Mini-Reduzierungen“ sehen die Gerichte das mitunter anders. Eine Reduzierung um rund 7 bzw. 11 % ist in den Augen der Richter aber durchaus ein „respektabler“ Teilzeitantrag.

    Exkurs: Anders ist das bei der Teilzeit in Elternzeit. Hier sieht § 15 Abs. 7 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) vor, dass die Arbeitszeit für mindestens zwei Monate und auf einen Umfang von mindestens 15 und maximal 32 Wochenstunden im Monatsdurchschnitt verringert werden muss.
    Und das ist nur eine der vielen Besonderheiten und Tücken der Elternteilzeit. Deswegen widmen wir uns diesem Thema ausführlich in einem Kurzworkshop „Teilzeit während der Elternzeit“ am 23. April 2024, 10:00 Uhr. Die Veranstaltung wird Teil einer Reihe „Eltern im Unternehmen“ sein.  Die Themen der anderen Workshops finden Sie auf unserer Homepage; dort können Sie sich auch direkt anmelden.

  • Der gesetzliche Teilzeitanspruch kann nicht durch eine Betriebsvereinbarung, die z. B. wie im Fall des Luftfahrtunternehmens bestimmte Zeiten für Teilzeiten sperrt, eingeschränkt werden.

  • Auch der Umstand, dass aufgrund der Teilzeit in beliebten Urlaubs- und Ferienzeiten, Urlaubsanträge von Kolleg:innen abgelehnt werden müssten, ist kein Grund, das Teilzeitverlangen zurückzuweisen. Nach Meinung der hessischen Landesarbeitsrichter findet nämlich keine Interessenabwägung zwischen solcher Teilzeitwünsche und den Urlaubsinteressen anderer Beschäftigter statt. Begründung der Richter: § 8 Abs. 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes erlaubt nur eine Ablehnung des Teilzeitantrags aus betrieblichen Gründen, also aufgrund der Organisation, des Arbeitsablaufs oder der Sicherheit im Betrieb. Persönliche Belange auch anderer Beschäftigter spielten, so die Richter, bei § 8 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes keine Rolle.

    Wörtlich heißt es in dem Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 02.03.2023 (Az.: 11 Sa 1342/22):

    „Im Übrigen kann auf die von der Beklagten angeführten vermeintlichen Ungleichbehandlungen im Zusammenhang mit der Urlaubsgewährung ohne Weiteres schon deshalb nicht abgestellt werden, weil ein in diesem Zusammenhang unterstellter Vorrang einer gerechten Urlaubsverteilung gegenüber dem gesetzlichen Teilzeitanspruch nicht angenommen werden kann. Vielmehr steht grundsätzlich umgekehrt die arbeitgeberseitige Verpflichtung, auch in beliebten Ferienzeiträumen möglichst viele Urlaubswünsche zu erfüllen, unter dem Vorbehalt betrieblicher Belange, zu denen auch etwaige Personalengpässe aufgrund gewährter Freistellungen nach § 8 TzBfG gehören. § 8 Abs. 4 TzBfG sieht gerade nicht vor, dass dem Teilzeitverlangen und der Verteilung der verbleibenden Arbeitszeit Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegengehalten werden können (LAG Berlin-Brandenburg 10. März 2017 - 6 Sa 1746/16 - Rn. 59, 71, juris).“

Puuh! Vor allem das letzte Argument (keine Rücksichtnahme auf persönliche Belange anderer Beschäftigter) löst Störgefühle aus, nicht nur moralisch sondern auch rechtlich. Denn unseres Erachtens haben die persönlichen Interessen der anderen Beschäftigten an insbesondere einer fairen Urlaubsaufteilung auch mit betrieblichen Gründen zu tun. Schließlich können ja nur deswegen nicht alle Beschäftigten gleichzeitig Urlaub nehmen, weil sonst der Betrieb nicht aufrecht erhalten werden könnte, und das sind betriebliche Gründe. Hier beißt sich die Katze also in den Schwanz.
 
Ähnliche Gedanken wie wir hatte möglicherweise auch das Landesarbeitsgericht Nürnberg, das per Urteil vom 27.08.2019 (Az.: 6 Sa 110/19) im Ergebnis anders entschied als das Hessische Landesarbeitsgericht.
 
Der Entscheidung lag allerdings ein etwas anderer Fall zugrunde: Ein Arbeitnehmer hatte Teilzeit beantragt und wollte jährlich für den Monat August freigestellt werden. Der Arbeitgeber berief sich auf eine betriebliche „Verfahrensanweisung zum Urlaubsantrag“, wonach in den Sommerferien eine Obergrenze für alle Beschäftigten von 15 Urlaubstagen galt. Hintergrund war, dass der Monat August zu den umsatzstärksten Monaten des Betriebs gehörte, während es von Oktober bis März ruhiger war.
 
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg gab dem Arbeitgeber, der den Teilzeitantrag wegen entgegenstehender betrieblicher Gründe abgelehnt hatte, Recht. Die Nürnberger Landesarbeitsrichter sahen in der Verfahrensanweisung ein Organisationskonzept für die Urlaubsnahme und Urlaubsgewährung, das mit dem des Teilzeitantrags nicht vereinbar war. Und zum Thema Gerechtigkeit in der Belegschaft sagte das Gericht:
 
„Der Kläger (Arbeitnehmer) verkennt, dass gegebenenfalls der Ausfall seiner Arbeitsleistung im August ausgeglichen werden könnte, es vorliegend aber um die möglichst sozial gerechte und einheitliche Urlaubsgewährung geht. Der Teilzeitwunsch des Klägers würde dieses Konzept gerade unterlaufen und die Chancen der anderen Arbeitnehmer, im August Urlaub gewährt zu bekommen, ohne zwingenden Grund verringern. Es würde dadurch das Organisationskonzept gerade nicht gewahrt.“

Ob das Hessische Landesarbeitsgericht den Fall vom Landesarbeitsgericht Nürnberg genauso wie Nürnberg entschieden hätte, wissen wir nicht.
 
Wir ziehen aus den Urteilen aber folgendes Fazit:
 
Reine Gerechtigkeitserwägungen werden für die Ablehnung solcher Block-Teilzeiten nicht reichen. Arbeitgeber sind daher gut beraten, rechtzeitig „echte“ Konzepte zu entwickeln, die solchen Anträgen mit unangenehmen Folgen für andere Beschäftigte entgegengehalten werden können.
Wenn Sie auf der Suche nach einem solchen Konzept sind, sprechen Sie uns gerne an.

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