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Remote work around the world – es gibt noch viel Aufklärungsbedarf

Es gibt immer mehr Menschen, die es ins teils sogar ferne Ausland zieht, um dort ein neues Leben aufzubauen. Im Zeitalter von remote work wird das Beschäftigungsverhältnis dann gerne gleich ins Ausland mitgenommen.
Erstaunlich ist allerdings, dass viele Unternehmen und deren Beschäftigte glauben, dass das so einfach geht, ohne das sich rechtlich etwas ändert.

So haben uns jüngst mehrere Anfragen von deutschstämmigen Beschäftigten oder Unternehmen erreicht, denen der gleiche Sachverhalt zugrunde lag:
Deutsche Staatsbürger entscheiden sich für ein Leben im Ausland, möchten aber weiterhin oder auch erstmalig remote für ein deutsches Unternehmen (weiter-)arbeiten. Die Beschäftigten sind auch noch in Deutschland gemeldet, weil es dort noch Familienmitglieder gibt.
Das, so denken offenbar immer noch einige, reiche aus, um weiterhin in Deutschland sozialversichert zu sein und das Einkommen in Deutschland zu versteuern.
Das Argument unserer Gesprächspartner war immer: Schließlich komme die Arbeitsleistung ja einem deutschen Unternehmen zugute.

Nur leider ist dieser Denkansatz grundlegend falsch. Denn vor allem für die sozialversicherungs- und auch steuerrechtliche Betrachtung kommt es nicht darauf an, wo der Arbeitserfolg eintritt bzw. ob die Tätigkeit einem Unternehmen mit Sitz in Deutschland zugutekommt.

In der beschriebenen Konstellation, in der Beschäftigte langfristig oder gar dauerhaft im Ausland leben und von dort aus arbeiten ist es vielmehr grundsätzlich so:
Im Ausland müssen Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abgeführt werden.
Bei Tätigkeiten deutscher Staatsbürger außerhalb der EU wird außerdem in aller Regel ein Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit erforderlich sein.
Und auch arbeitsrechtlich ist es mitnichten so, dass in allen Belangen weiterhin deutsches Arbeitsrecht gilt, selbst wenn es vereinbart ist.

Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verbleib in den deutschen „Systemen“ möglich ist, muss im Vorfeld geprüft werden, wobei hierbei entsprechende Fachleute aus beiden Ländern hinzugezogen werden sollten.

Derlei Konstellationen haben also eine 4-fach Auswirkung! Eine aufenthaltsrechtliche, eine sozialversicherungsrechtliche, eine steuerrechtliche und eine arbeitsrechtliche.

Zu unserem Erstaunen mussten wir in unseren Gesprächen feststellen, dass das noch nicht bei allen angekommen ist. Viele wissen noch nicht, dass remote work keine rechtlichen Grenzen verschiebt und erst recht nicht dazu führt, dass Beschäftigte, die Bezugspunkte zu mehreren Staaten haben, sozusagen ein Wahlrecht haben, wo sie Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zahlen.

Wie das jüngst veröffentlichte Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11.01.2024 (Az.: L 14 KR 139/22) zeigt, tun sich die gleichen Probleme auf, wenn ausländische Staatsangehörige in Deutschland für ein Unternehmen im ausländischen Heimatland remote arbeiten.
Der Fall ging so: Eine israelische Staatsbürgerin arbeitete für ein israelisches Unternehmen. Sie betreute online die Vermarktung von Apps auf dem amerikanischen Markt. Um sich um ihre in Deutschland lebende Schwester zu kümmern, zog sie nach Deutschland. Ihr Arbeitgeber, das israelische Unternehmen, hatte damit kein Problem. Schließlich war die Arbeitnehmerin ja ohnehin nur „online unterwegs“ und von daher war es egal, wo sie arbeitete.

Ein Antrag auf Befreiung von den deutschen Bestimmungen wurde weder von der Arbeitnehmerin noch von ihrem israelischen Arbeitgeber gestellt.

Ein gutes Jahr später nahm die Arbeitnehmerin mit einer deutschen Krankenkasse Kontakt auf, nichtsahnend, was das für Folgen hatte:

Die deutschen Sozialversicherungsträger forderten von der israelischen Arbeitnehmerin für den gesamten Zeitraum, das heißt für ein gutes Jahr die Sozialversicherungsbeiträge nach.
Und nicht nur das: Der Arbeitnehmerin wurde nicht nur der Arbeitnehmeranteil in Rechnung gestellt, sondern der Gesamtsozialversicherungsbeitrag, der sich aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag zusammensetzt.
Möglich macht das § 28m SGB IV. Danach kann ein Beschäftigter zur Zahlung der Gesamtversicherungsbeiträge verpflichtet werden, wenn sein Arbeitgeber ein ausländischer Staat, eine über- oder zwischenstaatliche Organisation oder eine Person (auch eine juristische Person, sprich ein Unternehmen) ist, was nicht der deutschen Gerichtsbarkeit untersteht.

Das traf auch auf den israelischen Arbeitgeber zu. Und da der israelische Arbeitgeber nicht zahlte, wurde seine in Deutschland lebende Arbeitnehmerin für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zur Kasse gebeten. Laut dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg gab es noch nicht mal eine Verpflichtung der deutschen Sozialversicherungsträger, den israelischen Arbeitgeber vorher erfolglos in Anspruch zu nehmen.

Die israelische Arbeitnehmerin hatte also doppeltes Pech.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat sich in seinem Urteil allerdings gefragt, ob es in Zeiten der modernen „remoten“ Arbeitswelt noch zeitgemäß ist, Beschäftigte in solchen Fällen für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge haftbar zu machen.
Deshalb hat es die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.
Wir sind gespannt, was das Bundessozialgericht dazu sagt.

So oder so zeigen die Fälle jedenfalls eines: Remote Beschäftigungen im Ausland müssen im Vorfeld aufenthaltsrechtlich, sozialversicherungsrechtlich, steuerrechtlich und arbeitsrechtlich geprüft werden. Insbesondere in Fällen, die keine normalen Entsendungsfälle von EU-Bürgern innerhalb der EU sind, sollten zudem entsprechende Fachleute hinzugezogen werden, und zwar idealerweise Fachleute in beiden Ländern.
Gerade Unternehmen, die mit „remote work around the world“ werben, dürfen ihre Beschäftigten hiermit auch nicht alleine lassen.
Freilich kostet das Geld. Aber das sollte allen Beteiligten vorher bewusst sein …

Besonderheiten und Neuerungen gibt es bei der grenzüberschreitenden Tätigkeit im Homeoffice. Hierüber hatten wir bereits in unserem Newsletter vom 08.08.2023 berichtet.

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