Neu und wichtig: Wie lang darf eine Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen sein?
Zusammen mit den viel besprochenen Änderungen im Nachweisgesetz trat am 01.08.2022 auch eine weniger beachtete Änderung im Teilzeit- und Befristungsgesetz in Kraft.
Es geht um den neuen § 15 Absatz 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, wo es heißt:
„Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.“
Aber was heißt das konkret?
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 18.10.2023 (Az.: 3 Sa 81/23) hierauf folgende Antworten gegeben:
Maßgeblich ist in erster Linie die zeitliche Relation, also die Länge der Befristung im Verhältnis zur Länge der Probezeit.
Und weiter:
Es ist davon auszugehen, dass eine Probezeit, die die Hälfte der Befristungsdauer umfasst, angemessen ist.
Das heißt konkret:
- Ab einer Befristungsdauer von einem Jahr kann die höchstmögliche Probezeit von sechs Monaten vereinbart werden.
- Bei einer Befristungsdauer von sechs Monaten wäre eine Probezeit von drei Monaten angemessen usw. usf.
Bei einer Verlängerung einer zunächst unter einem Jahr liegenden Befristung können Sie freilich auch die Probezeit entsprechend dieser „50-%-Regel“ bis zur maximalen Dauer von 6 Monaten verlängern.
Um die Probezeit im Falle einer Befristungsverlängerung nicht noch einmal aufgreifen zu müssen, können Sie im Ausgangsvertrag auch schon vorsehen, dass sich die Probezeit bei einer Befristungsverlängerung ebenfalls entsprechend der „50-%-Regel“ bis zur Höchstdauer von 6 Monaten verlängert.
Nun kommt es nach § 15 Absatz 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes ja nicht nur auf die zeitliche Relation, sondern auch auf die Art der Tätigkeit an. Die Art der Tätigkeit soll nach Meinung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein allerdings nur eine Korrekturfunktion haben.
Soll sagen: Dieses Kriterium soll nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein nur ins Spiel kommen, wenn der Arbeitgeber eine längere Probezeit vereinbaren möchte, als sich aus der gerade erklärten zeitlichen Relation ergibt. Dann muss der Arbeitgeber allerdings auch konkret darlegen, warum die Art der Tätigkeit eine längere Probezeit rechtfertigt, als die gerade genannte „50-%-Regel“ hergibt.
Zwischenfazit:
Arbeitgeber sind nach diesem Urteil gut beraten, wenn sie sich primär an der „50-%-Regel“ orientieren. Denn alles andere kann zu Problemen führen.
Es geht noch weiter:
In dem vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschiedenen Fall gab es folgende Besonderheit:
Der Arbeitgeber hatte mit dem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag mit einer „vorgeschalteten“ sechsmonatigen Probezeitbefristung geschlossen.
In § 1 des Arbeitsvertrags hieß es dementsprechend:
„1. Der Arbeitnehmer wird ab 01.09.2022 als Serviceberater / Kfz-Meister eingestellt.
2. Die Einstellung erfolgt zunächst zur Probe bis zum 28.02.2023.
Das Probearbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit fortgesetzt, so gilt es als auf unbestimmte Zeit begründet.
Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von 2 Wochen schriftlich gekündigt werden.“
Wie Sie wissen, ist in § 14 Absatz 1 Nr. 5 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes die Befristung mit dem sachlichen Grund der Erprobung ausdrücklich vorgesehen. Und die Dauer der Erprobungsbefristung soll in Anlehnung an § 622 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches grundsätzlich sechs Monate nicht überschreiten.
Es scheint aber sinnfrei, wenn man eine sechsmonatige Probezeitbefristung vereinbaren kann und gleichzeitig gezwungen wäre, die ordentliche Kündigungsmöglichkeit (die Sie wegen § 15 Absatz 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes unbedingt vereinbaren müssen) mit der kurzen „Probezeitfrist“ von zwei Wochen nur für die ersten drei Monate („50-%-Regel“) zu vereinbaren.
Das hat auch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein gesehen. Die Landesarbeitsrichter lösen das Dilemma so:
In dem entschiedenen Fall eines Arbeitsvertrages, in dem die Probezeitbefristung sozusagen nur vorgeschaltet ist, weil das Arbeitsverhältnis nach bestandener Probezeit auf unbestimmte Zeit fortgesetzt wird, ist die Regelung, dass das Arbeitsverhältnis während der sechsmonatigen Probezeitbefristung mit der kurzen 2-Wochen-Kündigungsfrist des § 622 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches gekündigt werden kann, in Ordnung.
Das Landesarbeitsgericht begründet das damit, dass diese Vertragskonstellation mit einem Arbeitsvertrag verglichen werden kann, der von vornherein auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde und eine sechsmonatige Probezeit enthält.
Klingt kompliziert, und fraglich ist, ob das hält.
Die Revision beim Bundesarbeitsgericht ist bereits unter dem Aktenzeichen 2 AZR 275/23 eingelegt, am 24.10.2024 soll die mündliche Verhandlung stattfinden.
Wir werden das Thema im Auge halten und weiter berichten.
Unser Praxistipp:
Um dem Problem der Kündigungsfrist während einer Erprobungsbefristung zu entgehen, sollten Arbeitgeber statt einer Befristung mit dem sachlichen Grund der Erprobung eine Befristung ohne sachlichen Grund nach § 14 Absatz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes machen.
Zwar kommt dann die „50-%-Regel“ bezogen auf eine ordentliche Probezeitkündigung zum Tragen. Wie gezeigt, kann man im Fall einer Befristungsverlängerung aber auch die Probezeit mit verlängern. Außerdem hat die sachgrundlose Befristung einen entscheidenden Vorteil: Die sachgrundlose Befristung kann bekanntlich maximal zwei Jahre (inklusive einer höchstens dreimaligen Verlängerung) vereinbart werden. Zwar kann man bei einer bereits länger als sechs Monate andauernden Beschäftigung nicht mehr ohne Rücksicht auf das Kündigungsschutzgesetz kündigen; zumindest bei Ablauf der Befristung ist dann aber Schluss.
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