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Neu und wichtig: Keine Stichtagsregelung bei Sonderzahlungen mit Leistungsbezug, auch nicht per Betriebsvereinbarung

Sonderzahlungen haben in wirtschaftlich unsicheren Zeiten für viele Unternehmen eine große Bedeutung. Deshalb haben wir immer wieder über die aktuelle Rechtsprechung berichtet; unsere bisherigen Beiträge zu dem Thema haben wir am Ende noch einmal für Sie verlinkt.
 
In seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 15.11.2023 (Az.: 10 AZR 288/22) hat das Bundesarbeitsgericht nun eine weitere wichtige Entscheidung zu dem Thema gefällt.
 
Im Kern geht es in dem Urteil um folgende Fragen:

  • Können Sonderzahlungen, die auch einen Leistungsbezug haben, per Betriebsvereinbarung mit einer Stichtagsklausel belegt werden?
  • Wann haben Sonderzahlungen einen Leistungsbezug?

Bevor wir Ihnen sagen, wie das Bundesarbeitsgericht diese Fragen beantwortet hat, möchten wir zunächst noch einmal das Mantra aus unseren letzten Berichterstattungen wiederholen:

Stichtagsklauseln (also Klauseln, die besagen, dass die Sonderzahlung nur geleistet wird, wenn das Arbeitsverhältnis am Stichtag xy noch besteht) sind nur zulässig, wenn die Sonderzahlung (gar) keinen Leistungsbezug hat.
Hat die Sonderzahlung hingegen zumindest auch einen Leistungsbezug (sogenannte Sonderzahlungen mit Mischcharakter) ist eine Stichtagsregelung unzulässig.
 
Wichtig ist auch: Auch Sonderzahlungen, die eigentlich keinen Leistungsbezug haben, können durch die vom Arbeitgeber formulierten Auszahlungsbedingungen zu Sonderzahlungen mit Leistungsbezug werden; davon geht die Rechtsprechung insbesondere dann aus, wenn es Auszahlungsbedingungen gibt, die da u. a. lauten, dass die Sonderzahlung für Zeiträume gekürzt wird, in denen Beschäftigte ohne Anspruch auf Vergütung keine Arbeitsleistung erbringen.

In Stein gemeißelt war das bisher für Sonderzahlungen, die individualvertraglich gewährt werden, sei es per Arbeitsvertrag, per (einmaliger) Gesamtzusage o. ä.

Klar war auch, dass das Bundesarbeitsgericht bei tarifvertraglichen Sonderzahlungen gnädiger ist. So entschied das Bundesarbeitsgericht per Urteil vom 27.06.2018 (Az.: 10 AZR 290/17): Bei tarifvertraglichen Sonderzahlungen sind Stichtagsregelungen selbst dann zulässig, wenn mit der Sonderzahlung auch die Arbeitsleistung belohnt wird. Über diese Entscheidung hatten wir in unserem Newsletter vom 27.08.2020 berichtet.

Unklar war bislang, ob das, was das Bundesarbeitsgericht für tarifvertragliche Sonderzahlungen entschieden hat, auch für Sonderzahlungen gilt, die in einer Betriebsvereinbarung vereinbart wurden.

Die Frage wurde von den Instanzgerichten bislang unterschiedlich beurteilt. Auch darauf hatten wir bereits in unserem Newsletter vom 27.08.2020 berichtet.

Nun hat das Bundesarbeitsgericht entschieden:

Stichtagsregelungen bei auch leistungsbezogenen Sonderzahlungen können auch nicht in Betriebsvereinbarungen vereinbart werden!

Wichtig sind auch die Feststellungen, die das Bundesarbeitsgericht zu der Frage getroffen hat, welche Kriterien auf einen Leistungsbezug schließen lassen, selbst wenn die individuelle Leistung nicht unmittelbar durch die Sonderzahlung belohnt wird.
Das sind die Folgenden:

  • Leistungsbezogene Sonderzahlungen, für die das oben genannte Mantra gilt, sind auch Zahlungen, mit denen der finanzielle Erfolg einer Gruppe oder eines Unternehmens belohnt wird.
  • Außerdem lässt auch die Höhe der Sonderzahlung auf deren Vergütungscharakter und damit auch einen Bezug zur Arbeitsleistung schließen.
    Im entschiedenen Fall haben die Beschäftigten im Durchschnitt eine Sonderzahlung von 16 % des Brutto-Jahresgrundgehalts bekommen. Das reichte dem Bundesarbeitsgericht, um einen Leistungsbezug zu bejahen.
  • Ein weiteres schon bekanntes und oben genanntes Kriterium für einen Leistungsbezug sind die Auszahlungsbedingungen, die Kürzungsregelungen für entgeltfreie Zeiten vorsehen.

Das Bundesarbeitsgericht wiederholt auch, dass solch leistungsbezogene Sonderzahlungen nicht mal davon abhängig gemacht werden können, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ende des Bezugszeitraums noch Bestand hat. Erst recht verboten sind in solchen Fällen natürlich Stichtagsregelungen, die sich auf einen Zeitpunkt nach Ablauf des Bezugszeitraums beziehen.
 
Alles in allem also wieder ein wichtiges Urteil, das Arbeitgebern dabei hilft, das für sie richtige Sonderzahlungsmodell zu entwickeln.
 
Hierbei sollten Arbeitgeber auch die aktuellen Urteile des Bundesarbeitsgerichts beachten, die zu den bei Sonderzahlungen ebenfalls beliebten Freiwilligkeitsvorbehalten sowie zu den Kürzungsmöglichkeiten nach § 4a des Entgeltfortzahlungsgesetzes für Krankheitstage ergangen sind. Über diese Urteile hatten wir in unseren Newslettern vom 21.06.2023 sowie vom 23.06.2023 berichtet.

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