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Keine digitale Gehaltsabrechnung ohne Zustimmung der Beschäftigten!

Viele Unternehmen möchten ihren Beschäftigten die Gehaltsabrechnungen nur noch digital zum Abruf zur Verfügung stellen, sei es über DATEVs „Arbeitnehmer online“ oder über ein anderes digitales Mitarbeiterpostfach.

Wir hatten jetzt allerdings schon einige Anfragen von Unternehmen, in denen Beschäftigte den digitalen Abruf verweigert haben. 

In solchen Fällen lautet die Frage also: 

Kann man Beschäftigte zum digitalen Abruf ihrer Gehaltsabrechnungen zwingen?

Nach dem Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 23.09.2023, Az.: 2 Sa 179/21) hat nun auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 16.01.2024, Az.: 9 Sa 575/23, entschieden: 

Beschäftigte können verlangen, dass ihnen Gehaltsabrechnungen weiterhin in Papier zur Verfügung gestellt werden. 

 Die juristische Begründung hierfür lautet vereinfacht gesagt: 

Gehaltsabrechnungen müssen den Beschäftigten nach § 108 Absatz 1 Satz 1 der Gewerbeordnung in Textform zugehen. Dafür ist erforderlich, dass die Erklärung in den Machtbereich der Beschäftigten gelangt, so dass diese von ihr Kenntnis nehmen können. Das Online-Portal ist aber nicht der Machtbereich der Beschäftigten, so dass der Arbeitgeber seiner Verpflichtung mit der reinen Möglichkeit zum Abruf nicht nachgekommen ist. Der Zugang wäre erst erfolgt, wenn die Gehaltsabrechnung tatsächlich abgerufen wurde. Verweigern die Beschäftigten aber den Abruf der digitalen Gehaltsabrechnungen – was nach Auffassung des LAG Niedersachsen ihr gutes Recht ist – muss der Arbeitgeber den Zugang anderweitig sicherstellen.

Wie das Landesarbeitsgericht Niedersachsen weiter entschied, können diese Beschäftigten auch nicht durch eine Betriebsvereinbarung (im konkreten Fall handelte es sich um eine Konzernbetriebsvereinbarung) „überstimmt“ werden. 

Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber war im entschiedenen Fall trotz der Konzernbetriebsvereinbarung verpflichtet, die Gehaltsabrechnung weiter in Papierform zur Verfügung zu stellen. 

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Themas hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Schauen wir mal, wie es in dieser Frage weitergeht und ob der Arbeitgeber Revision einlegt. In dem vom Landesarbeitsgericht Hamm entschiedenen Fall ist der Arbeitgeber den Schritt zum Bundesarbeitsgericht jedenfalls nicht gegangen. 

Übrigens:

Auch wenn eine Übersendung der Gehaltsabrechnungen per E-Mail § 108 der Gewerbeordnung genügen würde, ist das eine schlechte Idee; und zwar aus datenschutzrechtlichen Gründen. 

Die in einer Lohnabrechnung enthaltenen persönlichen Daten wie zum Beispiel die Religionszugehörigkeit oder die Sozialversicherungsnummer sind gemäß § 9 DS-GVO besonders schützenswert. E-Mails werden aber – nach wie vor – nicht ausreichend verschlüsselt; es besteht also die Gefahr, dass Unbefugte einen Zugriff auf die sensiblen persönlichen Daten aus der Gehaltsabrechnung erhalten.

Von einem Versand der Gehaltsabrechnungen per E-Mail ist daher abzuraten, auch wenn diese Variante verlockend erscheinen mag.

Im Zweifelsfall wird Ihnen daher keine andere Wahl bleiben, als Beschäftigten, die den Abruf der digitalen Abrechnungen verweigern, weiterhin Papier-Abrechnungen zu erteilen.

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