Bote versus Einwurf-Einschreiben
In den vergangenen Jahren haben wir über den Dauerbrenner „Zustellung von Kündigungsschreiben“ gleich mehrfach berichtet; hier die Links zu unseren früheren Berichten aus den Jahren 2017 – 2021: 16.12.2021, 05.06.2019, 11.07.2019, 18.12.2017.
Nun erregt ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12.12.2023 (Az.: 15 Sa 20/23) Aufsehen in der Fachpresse. Das Urteil befasst sich einmal mehr mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG einen sogenannten „Beweis des ersten Anscheins“ für den Zugang eines (Kündigungs-)Schreibens begründen kann.
In dem entschiedenen Fall ging es um die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen, die der Arbeitgeber zu verschiedenen Zeitpunkten ausgesprochen hatte. Während die erste Kündigung an der fehlenden Zustimmung einer Behörde scheiterte, ging es bei der zweiten Kündigung um die Frage, ob das Kündigungsschreiben der Klägerin überhaupt zugegangen war. Die Klägerin behauptete, die Kündigung nie erhalten zu haben. Der Arbeitgeber hielt dagegen. Er trug vor, die Kündigung per Einwurf-Einschreiben verschickt zu haben. Hierzu legte er den Einlieferungsbeleg sowie den „Sendungsstatus“ vor, aus dem sich ergab, dass die Sendung mit der Nummer aus dem Einlieferungsbeleg an einem bestimmten Tag zugestellt worden sein soll.
Nicht vorlegen konnte der Arbeitgeber eine Reproduktion des Auslieferungsbelegs. Diese hätte nicht nur Datum und Uhrzeit des Einwurfs in den Briefkasten dokumentiert, sondern auch den Namen des Zustellers und dessen Unterschrift. Warum Reproduktion des Auslieferungsbelegs? Weil der Originalauslieferungsbeleg im Anschluss an die erfolgte Zustellung digitalisiert und das Original dabei vernichtet wird. Der Absender kann aber eine Reproduktion des digitalisierten Auslieferungsbelegs auf telefonische Anforderung bei der Deutschen Post AG gegen eine Bearbeitungsgebühr von derzeit 5,00 Euro innerhalb bestimmter Fristen ab Auslieferung anfordern. Das hatte der Arbeitgeber hier offenbar versäumt und konnte deshalb nur den Sendungsstatus vorlegen.
Gerade weil der Sendungsstatus aber nichts über die Person des Zustellers sagt und auch nicht deren Unterschrift enthält, mit der der Einwurf der Sendung bestätigt wird, reicht der Sendungsstatus nach Auffassung des Gerichts nicht aus, um gemeinsam mit dem Einlieferungsbeleg einen Anscheinsbeweis für den Zugang zu begründen.
Damit sind sich mittlerweile drei Kammern des LAG Baden-Württemberg einig darin, dass der Sendungsstatus eines Einwurf-Einschreibens nicht als Anscheinsbeweis für den Zugang taugt.
In dem aktuellen Verfahren läuft die Revision. Wir werden das Thema also weiter für Sie verfolgen. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesarbeitsgericht eine klare Aussage dazu trifft, wie der Zugang von Kündigungen und anderen Schreiben „gerichtsfest“ dokumentiert werden kann und welche Anforderungen an die Dokumentation von Einwurf-Einschreiben zu stellen sind.
Selbst wenn man allerdings den Einlieferungsbeleg zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs vorlegen kann, ist damit der Zugang noch nicht bewiesen (d.h. er steht nach Überzeugung des Gerichts nicht fest). Vielmehr liegt nur der „Beweis des ersten Anscheins“ für den Zugang vor (d.h. es steht zwar nicht fest, es spricht aber sehr viel dafür, dass der Zugang erfolgte). Und dieser Anscheinsbeweis kann erschüttert werden. So hatten wir vor Kurzem einen Auslieferungsbeleg auf dem Tisch, bei dem die Unterschrift sich ganz anders las (in etwa: „Müllerhoff-Schmitzlein“) als die Klarschrift des Namens des Zustellers (in etwa: „Tim Oy“), so dass man erhebliche Zweifel daran haben musste, dass Herr/Frau „Oy“ die Zustellung durchgeführt hat. Im Prozess wäre der Auslieferungsbeleg also nicht viel wert gewesen.
Es bleibt also dabei:
Wir können Ihnen auch weiterhin nur dazu raten, Kündigungen per Boten zuzustellen. Ja, wir wissen, dass das aufwendig ist. Und ja, es ist auch teurer als ein Einwurf- Einschreiben. Aber sicher ist sicher – und sparen sollte man nicht am falschen Ende, denn eine nicht rechtzeitig zugegangene Kündigung wird schnell teuer...
Teuer wurde es nämlich auch für den Arbeitgeber in dem beschriebenen Fall; eine weitere, ebenfalls streitgegenständliche Kündigung hatte er erst einige Monate später (erfolgreich) zugestellt; die war laut LAG wirksam, was die Verzögerung aufgrund nicht bewiesener Zustellung umso ärgerlicher macht.
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