Streit über die Frage: Wie lang darf eine Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen sein
In unserem Beitrag vom 21.03.2024 ging es um den neuen § 15 Absatz 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes bzw. die Frage, was eine angemessene Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen ist.
Das Fazit der Schleswig-Holsteiner Landesarbeitsrichter in deren Urteil vom 18.10.2023 (Az.: 3 Sa 81/23) lautete:
Es ist davon auszugehen, dass eine Probezeit, die die Hälfte der Befristungsdauer umfasst (wir haben es in unserem Beitrag die 50%-Regel genannt), angemessen ist.
Nun gibt es ein weiteres und gerade veröffentlichtes Urteil vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 02.07.2024, Az.: 19 Sa 1150/23) zu diesem Thema.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg wendet ohne Auseinandersetzung mit der Entscheidung seiner Kolleg:innen aus Schleswig-Holstein grundsätzlich eine 25%-Regel an.
Der Unterschied zwischen beiden Entscheidungen ist also gewaltig:
Eine 6-monatige Probezeit (6 Monate sind bekanntlich die Höchstgrenze für eine Probezeit) ist nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein schon ab einer Befristungsdauer von 1 Jahr möglich.
Dagegen können die 6 Monate nach Meinung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg erst ab einer Befristungsdauer von 2 Jahren ausgeschöpft werden.
Bei der von vielen Unternehmen praktizierten Befristung von 1 Jahr kommt das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg daher zu einer Probezeit von nur 3 Monaten, sofern es keine durch die Tätigkeit begründeten Einzelfallumstände gibt, die eine längere Probezeit rechtfertigen.
Der Arbeitgeber in dem vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall hatte für das auf 1 Jahr befristete Arbeitsverhältnis eine 4-monatige Probezeit vereinbart. Das war den Landesarbeitsrichtern 1 Monat zu lang, mit der Folge, dass für das Arbeitsverhältnis nicht die kurze Kündigungsfrist des § 622 Absatz 3 BGB, sondern die Grundkündigungsfrist des § 622 Absatz 1 BGB galt.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat außerdem klargestellt, dass eine Verkürzung der Probezeit nach der von ihm angewandten 25%-Regel auf weniger als 6 Monate keine Auswirkungen auf die kündigungsschutzrechtliche Wartezeit nach § 1 Absatz 1 des Kündigungsschutzgesetzes hat.
Das heißt konkret: Auch wenn wegen § 15 Absatz 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes eine Probezeit von unter 6 Monaten vereinbart werden muss, greift der Kündigungsschutz trotzdem erst bei einer Beschäftigungsdauer von länger als 6 Monaten.
Es bleibt also bei dem Grundsatz: Eine Probezeit-Kündigung ist etwas anderes als eine Wartezeit-Kündigung.
Die Vereinbarung einer Probezeit hat lediglich eine kürzere Kündigungsfrist (§ 622 Absatz 3 BGB) zur Folge. Auswirkungen auf die Erlangung von Kündigungsschutz hat die Probezeit nicht.
Darüber hatten wir zuletzt in unseren Newslettern vom 20.04.2022 sowie 29.06.2023 berichtet.
Aber zurück zu den beiden Urteilen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein und des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg.
Nichts Genaues weiß man im Moment also nicht. Entscheiden muss nun das Bundesarbeitsgericht. In dem vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschiedenen Fall steht die mündliche Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht am 24.10.2024 an. Schon bald werden wir also hoffentlich Klarheit in dieser wichtigen Frage haben.
Wer bis dahin auf Nummer sicher gehen möchte, sollte die 25%-Regel anwenden.
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