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Update: Präventionsverfahren während der Wartezeit/Probezeit?!

Wir sind wie versprochen am Ball geblieben:

Das LAG Köln hat sein Urteil in der Berufungssache zum Präventionsverfahren während der Wartezeit gefällt (Az.: 6 SLa 76/24).

Sie erinnern sich: Im Dezember 2023 hatte das Arbeitsgericht Köln sich in einer aufsehenerregenden Entscheidung über die gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinweggesetzt und festgestellt, dass Arbeitgeber auch während der kündigungsschutzrechtlichen 6-monatigen Wartezeit verpflichtet sind, vor Ausspruch einer Kündigung ein Präventionsverfahren gem. § 167 SGB IX durchzuführen. Hier hatten wir über das Urteil und seine Hintergründe berichtet; unsere Berichterstattung zu dem Thema und zum „Probezeitmanagement bei schwerbehinderten / gleichgestellten Beschäftigten“ haben wir anlässlich eines weiteren Urteils – diesmal des Arbeitsgerichts Freiburg – Anfang September hier fortgesetzt.

In dem Kölner Verfahren hatte der Arbeitgeber Berufung eingelegt.

Mit Erfolg! Am 12.09.2024 hat das LAG Köln das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kündigung des Arbeitgebers war damit im Ergebnis wirksam – auch ohne Präventionsverfahren.
Leider liegen bislang weder eine Pressemitteilung noch die Urteilsbegründung vor, so dass wir nur vermuten können, dass das LAG sich auf die Entscheidung des BAG aus 2016 zurückbesonnen hat – und möglicherweise auch entscheidende Unterschiede zu dem vom EuGH entschiedenen Fall eine Rolle gespielt haben. Wir sind auf die Begründung jedenfalls sehr gespannt.

Damit liegt das LAG Köln übrigens mit dem LAG Thüringen auf einer Linie:


In einer erst vor wenigen Tagen veröffentlichten Entscheidung hat auch das LAG Thüringen die Frage nach der Notwendigkeit des Präventionsverfahrens während der Wartezeit mit „NEIN“ beantwortet (LAG Thüringen, Urteil v. 04.06.2024, Az.: 1 Sa 201/23). Die Thüringer Landesarbeitsrichter sagen dazu kurz, knackig und überzeugend:

„(…) Daran gemessen ist die Ausgestaltung des Kündigungsschutzes behinderter Menschen auch innerhalb der ersten sechs Monate des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses gemeinschaftsrechtskonform. Das Gemeinschaftsrecht fordert angemessene Vorkehrungen zum Schutz vor Entlassungen. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung sind auch Belange des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber muss die Möglichkeit zur Erprobung des Mitarbeiters haben. Der geltende besondere Kündigungsschutz nach § 168 ff. SGB IX wird dem gerecht (BAG 28.06.2007 - 6 AZR 750/06 […]). Das Integrationsamt ist bei der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen in den ersten sechs Monaten nicht zu beteiligen (BAG 21.04.2016 – 8 AZR 402/14 - Rn. 30). Der schwerbehinderte Mensch ist gleichwohl in den ersten sechs Monaten seines Arbeitsverhältnisses nicht schutzlos. Dem besonderen Schutz behinderter Arbeitnehmer vor Kündigungen ist im Rahmen der Auslegung und Anwendung des § 242 BGB Rechnung zu tragen. (…)“

Beide Landesarbeitsgerichte haben die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Da die Argumentationen der erstinstanzlichen Richter nicht ganz von der Hand zu weisen waren, bleibt zu hoffen, dass das Bundesarbeitsgericht an seiner bisherigen Rechtsprechung aus 2016 festhalten wird.

Wir werden natürlich berichten, wie die Sache weitergeht. Auch wenn die beiden genannten Urteile der Landesarbeitsgerichte für die Arbeitgeber positiv zu bewerten sind, schadet es nicht, weiterhin Vorsicht walten zu lassen. Wie das aussehen kann, wissen Sie aus unserem Newsletter vom 04.09.2024.

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