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Equal Pay – Der Daimler-Fall

Stellen Sie sich folgenden Fall vor:
Eine Frau ist seit fast 30 Jahren bei dem weltweit größten Nutzfahrzeug-Hersteller (nennen wir ihn Daimler Truck) beschäftigt und wurde vor knapp 15 Jahren zur Abteilungsleiterin befördert. Nachdem sie aus der Elternzeit zurückkehrte, stellte sie fest, dass ihre männlichen Kollegen auf gleicher Ebene deutlich mehr verdienen als sie selbst.
Das wollte die weibliche Führungskraft nicht hinnehmen und klagte auf Equal Pay. Sie forderte 420.000 EUR Entgelt für die vergangenen 5 Jahre. Dies war die Differenz zwischen ihrem individuellen Gehalt und dem Gehalt des bestbezahlten männlichen Vergleichskollegen.

Sie erinnern sich jetzt sicherlich an den vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entschiedenen Fall, in dem eine weibliche Führungskraft die gleiche Vergütung haben wollte wir ihr (einziger und männlicher) Kollege. Der Arbeitgeber begründete den Gehaltsunterschied damals unter anderem damit, dass der Mann besser verhandelt habe, und blitzte mit dieser Argumentation beim BAG ab. Wir hatten hierüber im Juli 2023 berichtet.

Vor diesem Hintergrund mag der Daimler-Fall auf den ersten Blick einfach erscheinen; aber Sie wissen ja: Jeder Fall ist anders.
Und so konnte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) in seinem Urteil vom 01.10.2024 (Az.: 2 Sa 14/24) nur bedingt auf die Entscheidung des BAG zurückgreifen.
In dem vom BAG entschiedenen Fall war es schließlich so, dass nur zwei Personen miteinander konkurrierten. Das individuelle Gehalt entsprach damit gleichzeitig dem Median des eigenen Geschlechts. Das BAG musste daher nicht entscheiden, welche Werte für die Ermittlung der Vergütungsdifferenz maßgeblich sind: Median oder individuelles Entgelt.


Der nun vom LAG entschiedene Fall war also ungleich schwerer. Denn bei Daimler Truck arbeiten viele Führungskräfte, sowohl männlichen als auch weiblichen Geschlechts.
Auf der Führungsebene der Klägerin ist es so, dass der Vergütungsmedian der männlichen Führungskräfte oberhalb des Medians der vergleichbaren weiblichen Führungskräfte liegt. Die Vergütung der Klägerin selbst liegt unterhalb des Medians für die weiblichen Führungskräfte (und damit auch unterhalb des Medians der männlichen Kollegen).

Dass die Klägerin im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen diskriminiert wurde, hatte schon das Arbeitsgericht festgestellt, da es dem Arbeitgeber nicht gelungen war, das aus der geringen Vergütung der Klägerin (und der Frauen insgesamt) resultierende Indiz für eine Entgeltdiskriminierung zu widerlegen.

Die Klägerin bekam trotzdem nicht das, was sie wollte (nämlich die Differenz zwischen ihrem individuellen Gehalt und dem Gehalt des bestverdienenden Kollegen), sondern nur die Differenz zwischen dem weiblichen und dem männlichen Median – und das waren „nur“ ca. 130.000 EUR.

Die Details der Begründung erwarten wir mit Spannung; bislang liegt uns leider nur eine Pressemitteilung vor, so dass sich allgemeingültige Rückschlüsse derzeit noch verbieten.

Offen ist insbesondere, wie das LAG entschieden hätte, wenn die Klägerin mehr verdient hätte als der Median ihrer Geschlechtsgenossinnen. Hätte das LAG ihr dann trotzdem die Vergütungsdifferenz zwischen männlichem und weiblichem Median zugesprochen oder hätte sich die Klägerin mit der Differenz zwischen ihrer individuellen Vergütung und dem männlichen Median begnügen müssen?
Wir haben diese Frage auch intern kontrovers diskutiert.

Fest steht jedenfalls: Die Rechtstreitigkeiten in diesem Bereich nehmen zu und solche Streitigkeiten können viel Geld kosten.

Es ist (nicht nur, aber auch) deshalb wichtig, sich rechtzeitig Gedanken über die Vergütung und Vergütungsdifferenzen Ihrer Beschäftigten zu machen und rechtzeitig ein System aufzustellen, dass allen Beschäftigten, ihrer Qualifikation und ihren Fähigkeiten gerecht wird.

Das LAG Baden-Württemberg hat die Revision in diesem Fall zugelassen. Über die Urteilsbegründung und den Ausgang eines ggf. folgenden Verfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht werden wir natürlich noch einmal berichten.

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