Equal Pay – Daimler ist kein Einzelfall!
Am Dienstag haben wir über den Equal Pay-Fall bei Daimler berichtet, hier der Link zu unserem Beitrag.
Daraufhin wurden wir von Mandanten gefragt, ob das nicht ein Einzelfall sei.
Nein, das ist mittlerweile kein Einzelfall mehr.
Und ja, diese Fälle gibt es schon jetzt und nicht erst, wenn der deutsche Gesetzgeber die EU-Entgelttransparenzrichtlinie umgesetzt und das bestehende Entgelttransparenzgesetz „verschärft“ hat.
Im Rahmen unserer Fair Pay-Reihe hatten wir bereits darüber berichtet, dass auch eine unserer Mandantinnen kürzlich folgendes Schreiben bekam:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sind damit beauftragt, den Auskunftsanspruch unserer Mandantin nach dem Entgelttransparenzgesetz geltend zu machen. Unsere Mandantin ist seit […] als Filialleiterin Ihres Ladengeschäfts in […] beschäftigt. […] Bitte erteilen Sie uns Auskunft über das Einkommen der männlichen Arbeitnehmer, die als Filialleiter Ladengeschäfte führen. […] Wir bitten um Auskunft bis zum […].
Wir machen für unsere Mandantin außerdem vorsorglich deren Anspruch nach § 15 AGG wegen ungleicher Bezahlung wegen des Geschlechts geltend. Ihr wurde nämlich kürzlich bekannt, dass ein männlicher Filialleiter in […] ein deutlich höheres Jahresgehalt bezieht, […] und das ist nicht nachvollziehbar. Unsere Mandantin möchte ebenso vergütet werden. Es ist nicht richtig, dass sie weniger Geld für die gleiche Arbeit erhält, weil sie eine Frau ist.
[…]
Rechtsanwältin“
Wie Sie an unserem Fall sehen, betreffen diese Fälle nicht nur die „Beletage“ deutscher Großkonzerne.
Sie betreffen jetzt schon alle Unternehmen. Und viele Unternehmen werden auch jetzt schon ein Problem haben.
Im Rahmen unserer Fair Pay-Reihe hatten wir viele Gespräche mit Unternehmen. Aus diesen Gesprächen ergab sich:
- In vielen Unternehmen gibt es Gehaltsunterschiede, auch und insbesondere zwischen Männlein und Weiblein.
- Ein wirkliches Bewusstsein für die Gehaltsunterschiede und ihr Zustandekommen gibt es bislang vielfach allerdings noch nicht.
- Eine bewusste Diskriminierung konnten wir in vielen Fällen ausschließen.
- Wir haben allerdings festgestellt, dass den Gehaltsunterschieden keine konsistente Systematik zugrunde liegt.
- Also viel Unwissenheit, die bekanntlich nicht vor Strafe schützt.
All diese Fälle sind folglich ein Problem. Und die Dunkelziffer ist sicherlich beträchtlich, zumal viele Unternehmen ihre Vergütungen noch keinem Geschlechtervergleich unterzogen haben.
Da das Thema noch mit vielen Irrtümern behaftet ist, haben wir in unserem Beitrag vom 26.08.2024 und die liebe Claudia Tödtmann in der Wirtschaftswoche versucht, mit diesen Irrtümern aufzuräumen.
Arbeitgeber sollten also jetzt handeln, ihre Vergütungsstruktur prüfen und sich Gedanken über Vergütungssysteme machen, die allen Beschäftigten, ihrer Qualifikation und ihren Fähigkeiten gleichermaßen gerecht wird.
Das betrifft im Übrigen auch Unternehmen, die bereits kollektive Vergütungssysteme (insbesondere Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen) haben.
Denn es ist kein Geheimnis, dass es auch in diesen Unternehmen oftmals eine „übertarifliche“ Bezahlung gibt. Wie der Fall Daimler zeigt, gibt es dafür aber offenbar keine sachgerechten Kriterien, nach denen sich entscheidet, ob und in welchem Umfang jemand über das existierende System hinaus entlohnt wird.
Kein Geheimnis ist außerdem, dass, wie im Daimler-Fall, vor allem Frauen betroffen sind.
Das ist vor allem deshalb sehr schade, weil es viele hochqualifizierte Frauen gibt.
Als ich vor vielen Jahren das erste Mal bei einem Festakt der Uni Köln für das sogenannte Deutschland-Stipendium war (das Deutschland-Stipendium unterstützt mithilfe der freien Wirtschaft besonders talentierte Studierende), traute ich meinen Augen nicht, als ich auf der großen Leinwand mit all den Namen der geförderten Studierenden sah, dass quer durch alle Fakultäten die geförderten Frauen die absolute Mehrheit hatten.
Schon damals habe ich mich gefragt, warum wir eigentlich immer noch über eine Frauenquote sprechen.
Deshalb eine Bitte an die Politik, wenn sie das Entgelttransparenzgesetz durch die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie stärkt:
Kümmert euch bitte auch um die Kinderbetreuung. Denn die ist in Deutschland nach wie vor ein großes Problem.
Und gebt den Beschäftigten im Rahmen der ja ohnehin anstehenden Überarbeitung des Arbeitszeitgesetzes (Stichwort: Arbeitszeiterfassung) mehr Flexibilität bei der Ruhezeit. Wer eine Ruhezeit von 11 Stunden einhalten muss, kann nicht später am Abend, wenn die Kinder im Bett sind, noch arbeiten und morgens früh, wenn die Kinder in die Kita oder Schule gehen, wieder loslegen. Auch die starre Ruhezeit ist also ein dickes Problem, das gelöst werden muss und gelöst werden kann; bei den Pausen ist es ja schon jetzt geltendes Recht, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeiten auch in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden können.
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