Interessantes zum Betriebsrat
Heute berichten wir Ihnen von zwei interessanten Entscheidungen, die sich um das Thema Betriebsrat ranken. In dem einen Fall geht es um die interessante und äußerst praxisrelevante Frage, ob der Betriebsrat den Arbeitgeber gerichtlich wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Anspruch nehmen kann. Und der andere Fall handelt von einer Abmahnung, die dem Betriebsratsvorsitzenden erteilt wurde, weil er in den Augen der Geschäftsführung den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verletzt hatte.
- Kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern gerichtlich einfordern? (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.08.2015, Az.: 21 TaBV 336/15, nicht rechtskräftig)
Ausgangspunkt dieser Entscheidung ist ein weit verbreitetes Phänomen: Ein Arbeitgeber bezahlte seinen Minijobber schlechter als vergleichbare Arbeitnehmer in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.
Nachdem sich (wie so oft) die Minijobber dagegen nicht zur Wehr setzten, trat der Betriebsrat auf den Plan und zog gegen den Arbeitgeber vor das Arbeitsgericht. Ziel des Betriebsrats war es, den Arbeitgeber durch das Gericht zu zwingen, die Ungleichbehandlung abzustellen. Sein Recht auf Beseitigung der Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern begründete der Betriebsrat mit § 75 Abs. 1 des BetrVG. Dort heißt es:„(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.“
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte sich daher in zweiter Instanz mit folgender Frage zu befassen:
Gibt § 75 Abs. 1 BetrVG dem Betriebsrat ein eigenes Klagerecht?
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat diese Frage mit der in der Literatur vorherrschenden Meinung verneint und dies folgendermaßen begründet:
§ 75 Abs. 1 BetrVG gibt dem Betriebsrat allenfalls ein Überwachungsrecht (denn schon das ist streitig). Damit ähnelt § 75 Abs. 1 BetrVG dem allgemeinen Überwachungsrecht des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 BetrVG. Nach § 80 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass die zu Gunsten der Arbeitnehmer/innen geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Bei § 80 BetrVG sind sich aber alle bis hin zum Bundesarbeitsgericht darüber einig, dass der Betriebsrat keinen eigenen Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber hat. Es ist nämlich nicht die Aufgabe des Betriebsrats, die Interessen einzelner Arbeitnehmer durchzusetzen.
Wenn der Betriebsrat bei seiner Überwachungstätigkeit, sei es nach § 75 Abs. 1 oder § 80 Abs. 1 BetrVG feststellt, dass Rechte der Arbeitnehmer verletzt werden, muss er sich daher an den Arbeitgeber wenden und beim Arbeitgeber auf Abhilfe drängen. Fruchtet das nicht, kann er den Arbeitgeber nicht gerichtlich zur Einsicht zwingen.
Ein eigenes Klagerecht gesteht das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg dem Arbeitgeber nur dann zu, wenn er in erheblicher und offensichtlich schwerwiegender Weise gegen die ihm nach §§ 75 Abs. 1, 80 Abs. 1 BetrVG obliegenden Pflichten verstößt. Denn bei erheblichen und offensichtlichen Verstößen des Arbeitgebers gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten hat der Betriebsrat nach § 23 Abs. 3 BetrVG einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch.
Da die vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschiedene Frage bezogen auf § 75 Abs. 1 BetrVG grundsätzliche Bedeutung hat (die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts betreffen nämlich nur die allgemeine Überwachungspflicht des Betriebsrats nach § 80 BetrVG) hat es die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Fazit:
In all den wichtigen Fällen, in denen der Betriebsrat bloß ein Überwachungsrecht hat, kann er die von ihm ausgemachten Rechtsverletzungen des Arbeitgebers nicht gerichtlich beseitigen lassen. Vielmehr hat der Betriebsrat in all diesen Fällen eine Verhandlungslösung mit dem Arbeitgeber zu suchen. - Wann und wie darf ein Betriebsratsmitglied wegen der Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten angemahnt werden? (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 09.09.2015, Az.: 7 ABR 69/13)
Hier war Folgendes passiert: Der Betriebsratsvorsitzende hatte nach Meinung des Arbeitgebers gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (die „magna carta“ des Betriebsverfassungsgesetzes) verstoßen. Deswegen wurde dem Betriebsratsvorsitzenden vom Arbeitgeber eine Abmahnung erteilt, in der ihm für den Wiederholungsfall die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses angedroht wurde.
Gegen diese Abmahnung zog dann das ganze Gremium Betriebsrats vor das Bundesarbeitsgericht.
Das Bundesarbeitsgericht musste sich in letzter Instanz mit folgenden Fragen befassen:
Kann das Gremium Betriebsrat gegen die einem einzelnen Betriebsratsmitglied erteilte Abmahnung überhaupt vorgehen? Und wenn nein: Hat wenigstens das betroffene Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Beseitigung einer Abmahnung, die wegen der Verletzung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten erteilt wird?
Auf diese Fragen hat das Bundesarbeitsgericht folgende Antworten gefunden:
- Der Betriebsrat als Gremium kann die Beseitigung einer Abmahnung, die einem seiner Mitglieder erteilt wurde, nicht verlangen. Der Anspruch auf Beseitigung bzw. Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ist nämlich ein höchst persönliches Recht des betroffenen Betriebsratsmitglieds. Dieses Recht kann das betroffene Betriebsratsmitglied nur selbst ausüben.
- Das betroffene Betriebsratsmitglied hat dagegen einen Anspruch auf Beseitigung bzw. Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Und zwar schon deshalb, weil die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten nicht durch eine Abmahnung mit der Androhung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder einer direkten Kündigung des Arbeitsverhältnisses geahndet werden kann.
Achtung: Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber gar nicht erst geprüft, ob das von ihm beanstandete Verhalten des Betriebsratsvorsitzenden gegebenenfalls auch eine Verletzung von dessen arbeitsvertraglichen Pflichten darstellte. Vielmehr hatte der Arbeitgeber die Abmahnung ausschließlich wegen der Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten (namentlich der Verletzung des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit) ausgesprochen. Deshalb musste das Bundesarbeitsgericht nicht prüfen, ob die Abmahnung nicht auch auf arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen gestützt werden konnte.
Anmerkung: Die Entscheidung steht in einer Linie mit anderen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, die Folgendes besagen: Verletzt ein Betriebsratsmitglied ausschließlich seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten, kann ihm weder gekündigt, noch eine Abmahnung mit der Androhung einer Kündigung ausgesprochen werden.
Praxistipp:
Bei Pflichtverletzungen von Betriebsräten müssen Sie folglich genau prüfen, welche Pflichten verletzt wurden.
Wurden ausschließlich betriebsverfassungsrechtliche Pflichten verletzt, können Sie nicht kündigen und auch nicht im herkömmlichen Sinne abmahnen. Wenn Sie abmahnen, können Sie dem Betriebsrat allenfalls androhen, ihn im Wiederholungsfall nach § 23 Abs. 1 BetrVG aus dem Amt ausschließen zu lassen.
Kommen Sie dagegen zu dem Ergebnis, das der Betriebsrat ausschließlich oder zumindest auch seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat, ist eine Abmahnung mit Kündigungsandrohung oder in schweren Fällen auch direkt eine fristlose Kündigung (denn alles andere geht bei Betriebsratsmitgliedern bekanntlich nicht) möglich.
Wenn Sie weitere Fragen zu diesem Thema haben, melden Sie sich gerne.
Bettina Steinberg Dr. Mona Geringhoff Lydia Voß
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