Aktuelles zum Jobrad – ist die Entgeltumwandlung auch im Anwendungsbereich von Tarifverträgen zulässig?
Aus dem heutigen Arbeitsleben sind sie nicht mehr hinwegzudenken, die per Entgeltumwandlung finanzierten Jobräder.
Für tarifgebundene Arbeitgeber ist die Entgeltumwandlung zugunsten eines Jobrads allerdings nicht risikolos, wenn der anwendbare Tarifvertrag keine Öffnungsklausel zugunsten einer Entgeltumwandlung (auch) für Jobräder enthält.
Nun ist das Risiko, dass Beschäftigte die Entgeltumwandlung wegen einer fehlenden tariflichen Öffnungsklausel monieren, verhältnismäßig klein. Schließlich haben sie sich ja freiwillig für ein Jobrad via Entgeltumwandlung entschieden.
Das größere Ungemach droht „von staatlicher Stelle“, insbesondere von den Sozialversicherungsträgern.
Denn beitragspflichtig ist ja das geschuldete und nicht erst das tatsächlich an die Beschäftigten gezahlte Entgelt. Es kann also durchaus passieren, dass Arbeitgeber Beiträge auf Entgeltbestandteile zahlen müssen, die ihre Beschäftigten nie gesehen bzw. bekommen haben; der Fachjargon spricht insoweit von der Verbeitragung von „Phantomlohn“.
Die Preisfrage ist daher:
Führt eine Entgeltumwandlung für Jobräder im Anwendungsbereich von Tarifverträgen zu beitragspflichtigem Phantomlohn?
Um diese Frage ging es in dem gerade veröffentlichten Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20.03.2024 (Az.: L 2 BA 37/22).
Betroffener in dem Verfahren war ein tarifgebundenes Universitätsklinikum, das infolge einer SV-Prüfung rund eine halbe Million Euro nachzahlen sollte.
Ein Teil der Nachzahlung bezog sich auf die etlichen Beschäftigten via Entgeltumwandlung überlassenen Jobräder.
Für das Universitätsklinikum gilt ein Tarifvertrag, der eine Entgeltumwandlung lediglich zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung vorsieht.
Für die Beschäftigten, die Gewerkschaftsmitglieder sind, gilt der Tarifvertrag zwingend, § 4 Absatz 1 des Tarifvertragsgesetzes.
Für die Beschäftigten, die keine Gewerkschaftsmitglieder sind, gilt der Tarifvertrag kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung; das ist bekanntermaßen ein weit verbreitetes Gestaltungsmittel, um Beschäftigte, die keine Gewerkschaftsmitglieder sind, denen, die gewerkschaftlich organisiert sind, gleichzustellen.
Das Universitätsklinikum musste bis zum Landessozialgericht Baden-Württemberg gehen, um am Ende Recht zu bekommen.
Erst die Baden-Württembergischen Landessozialrichter haben entschieden, dass die Entgeltumwandlung zugunsten der Jobräder auch ohne tarifliche Öffnungsklausel beitragsrechtlich möglich ist.
Die Richter begründen das folgendermaßen:
- Bezogen auf die Gewerkschaftsmitglieder unter den Beschäftigten sei eine Entgeltumwandlung zwar grundsätzlich nur bei einer entsprechenden Öffnungsklausel im Tarifvertrag möglich.
Etwas anderes gelte gemäß § 4 Absatz 3 des Tarifvertragsgesetzes aber dann, wenn die Regelung für (jeden) Beschäftigten zweifelsfrei günstiger ist. Und das sei hier der Fall. Denn durch die Entgeltumwandlung müssten Beschäftigte nicht das gesamte Bruttoentgelt (einschließlich des Entgeltumwandlungsbetrags) versteuern und verbeitragen; versteuert und verbeitragt werde nur der geldwerte Vorteil. - Für die Beschäftigten, die nicht Gewerkschaftsmitglied sind und für die der Tarifvertrag nur kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung gilt, folge die Zulässigkeit der Entgeltumwandlung aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit.
Denn was freiwillig vertraglich vereinbart wird, kann auch freiwillig wieder geändert werden.
Da das Landessozialgericht Baden-Württemberg die Revision nicht zugelassen hat, ist das Urteil rechtskräftig.
Bleibt zu hoffen, dass man sich auch in anderen Bundesländern danach richtet.
Dennoch: Auch Tarifpartner sollten mit der Zeit gehen und mehr Öffnungsklauseln in ihren Tarifverträgen verankern, als das bisher der Fall ist.
Und: Tarifgebundene Arbeitgeber sollten behutsam mit dem Günstigkeitsvergleich umgehen; die Anforderungen sind nämlich hoch.
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