Zum Hauptinhalt springen

Das kleine Einmaleins der einvernehmlichen Trennung von Beschäftigten

Bei der Trennung von Beschäftigten gibt es „hüben wie drüben“ immer noch Irrtümer, mit denen wir gleich zu Beginn des neuen Jahres aufräumen möchten.

1. Irrtum Nummer 1: Sind Abfindungen ein Muss?
 
Nein, Abfindungen sind kein Muss.
Unser Kündigungsschutzrecht ist auf Weiterbeschäftigung, nicht aber auf Zahlung einer Abfindung angelegt.
Oder anders gesagt:

  • Verstößt eine Kündigung gegen das Kündigungsschutzgesetz oder ist sie aus anderen Gründen unwirksam, bleibt die/der Beschäftigte in Ihrem Betrieb!
  • Haben Sie mit der Kündigung dagegen alles richtig gemacht, endet das Arbeitsverhältnis zum Kündigungstermin, und zwar ohne Abfindungszahlung!

    Die Ausnahmen von diesem Grundsatz sind rar gesät:
    Das Gesetz und die hierzu ergangene Rechtsprechung sieht nur ganz ausnahmsweise vor, dass Arbeitgeber, die eine unwirksame Kündigung ausgesprochen haben, beantragen können, das Arbeitsverhältnis gerichtlich gegen Zahlung einer Abfindung auflösen zu lassen.
    Bestes Beispiel für diese Ausnahme ist die Kündigung von leitenden Angestellten im Sinne von § 14 Absatz 2 des Kündigungsschutzgesetzes.
    Das allerdings hört sich besser an als es ist. Zwar gibt es im innerbetrieblichen Sprachgebrauch viele „leitende Angestellte“.
    Die Wenigsten davon sind aber auch leitende Angestellte im Sinne von § 14 Absatz 2 des Kündigungsschutzgesetzes.
    Leitende/r Angestellte/r nach § 14 Absatz 2 des Kündigungsschutzgesetzes ist nämlich nur die-/derjenige, der Arbeitnehmer:innen selbständig einstellen oder entlassen darf. Und das ist bei vielen Führungskräften nicht der Fall.

    Trennungen gegen Zahlung von Abfindungen sind also grundsätzlich Verhandlungssache.

2. Warum gibt es trotzdem so viele Abfindungsvergleiche?
 
Arbeitgeber schließen Abfindungsvergleiche, wenn sie

  • keinen oder nur einen wackeligen Kündigungsgrund haben oder
  • schnell Rechtssicherheit haben möchten und die voraussichtliche Abfindung in keinem gesunden Verhältnis zu den zu erwartenden Prozesskosten steht.

Beschäftigte stehen Abfindungsvergleichen vor allem dann positiv gegenüber, wenn sie

  • nicht für einen Arbeitgeber arbeiten möchten, der sie nicht möchte oder
  • sich ohnehin mit Wechselgedanken tragen.

3. Höhe der Abfindung?

Wenn Abfindungsvergleiche grundsätzlich Verhandlungssache sind, gilt das natürlich auch für die Höhe der Abfindung.


Es gibt hierzu allerdings einige Richtwerte:

a) Ein wichtiges Kriterium für die Höhe der Abfindung ist die Rechtslage.
    Ganz platt gesprochen heißt das:

Je kleiner der Kündigungsgrund, desto größer wird meistens auch die Abfindung ausfallen.

Maß aller Dinge für die Abfindungshöhe ist bekanntlich der sogenannte Abfindungsfaktor, der mit der monatlichen Vergütung (Grundvergütung einschließlich variabler Vergütungsbestandteile, anteiliger Sonderzahlungen, Sachbezügen u. ä.) und der Beschäftigungsdauer multipliziert wird.

Die für die Höhe der Abfindung relevante Formel lautet also:

Abfindungsfaktor x monatliche Vergütung x Beschäftigungsjahre

Und die Erfolgsaussichten einer Kündigung wirken sich auf den Abfindungsfaktor aus.

Pi mal Daumen kann man sagen:

  • Sind die Erfolgsaussichten der Kündigung fifty-fifty, wendet man in der Regel den Abfindungsfaktor 0,5 (also eine halbe Monatsvergütung pro Beschäftigungsjahr) an.
    Der Abfindungsfaktor 0,5 wird gemeinhin als sogenannte Regelabfindung bezeichnet.

  • Sind die Erfolgsaussichten der Kündigung gut, sollte der Abfindungsfaktor kleiner als 0,5 sein, wenn man es im Sinne prozessökonomischer Vernunft nicht auf einen Rechtsstreit ankommen lassen möchte. Wie klein, hängt natürlich auch vom absoluten Betrag ab.
    Oder anders gesagt: Selbst ein Abfindungsfaktor von 0,25 wäre bei einer erfolgversprechenden Kündigung noch zu viel, wenn insbesondere aufgrund der Beschäftigungsdauer dabei eine Abfindung von EUR 100.000,00 brutto herauskäme.
    Umgekehrterweise kann man gerade bei sehr kurzen Betriebszugehörigkeiten selbst bei guten Erfolgschancen auch mal mehr als einen Abfindungsfaktor 0,5 auf den Tisch legen, um sich einen Rechtsstreit zu ersparen.
    Die prozessökonomische Vernunft sollte bei guten Erfolgsaussichten allerdings nicht über allem stehen. Manchmal lohnt es sich auch, Präzedenzfälle mit innerbetrieblicher Signalwirkung zu schaffen.
  • Bei schlechten Erfolgsaussichten werden Arbeitgeber mit dem Abfindungsfaktor von 0,5 in der Regel nicht auskommen.

Wie tief Arbeitgeber in diesen Fällen in die Tasche greifen müssen, hängt allerdings auch von weiteren Faktoren ab, die wir in a) und b) besprechen.
 
Zum professionellen Trennungsmanagement gehört es jedenfalls, die Erfolgsaussichten zu prüfen, und zwar bevor man in ein Trennungsgespräch geht oder gar eine Kündigung ausspricht.
 
b) Der Leidensdruck ist ebenfalls ein nicht zu unterschätzendes Kriterium für die Höhe der Abfindung.
Stehen Beschäftigte unter einem hohen Leidensdruck und sind sie froh, dass Unternehmen verlassen zu können, wird sich das günstig auf die Abfindungshöhe auswirken.
Umgekehrterweise wird die Abfindung umso höher ausfallen, wenn das Unternehmen den Leidensdruck hat.
Deshalb sollten Unternehmen Abfindungsverhandlungen gerade bei wackligen Kündigungsgründen besser „sportlich“ nehmen; denn sonst sind sie „erpressbar“.
 
c) Auch die Arbeitsmarktaussichten der Beschäftigten sind für die Abfindungshöhe relevant.
Je besser die Arbeitsmarktchancen (auch aus Sicht der Betroffenen) sind, umso eher werden sie zum Abfindungsvergleich greifen. Denn dann ist die Abfindung ja ein willkommener Zuverdienst.
Umgekehrterweise müssen Arbeitgeber bei Beschäftigen, deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund von Alter und/oder Qualifikation eher bescheiden sind, oft tiefer in die Tasche greifen, wenn es keinen validen Kündigungsgrund gibt.
 
Das war unser kleines Einmaleins für die einvernehmliche Trennung von Beschäftigten.
Schon das kleine Einmaleins zeigt:
Wer sich gut vorbereitet, verhandelt in aller Regel besser und erlebt vor allem auch keine bösen Überraschungen.

 
Wenn Sie noch besser verstehen möchten, wie Sie das kleine Einmaleins anwenden sollten, melden Sie sich gerne.
 
Eine besondere Herausforderung sind Konstellationen, in denen es null Kündigungsgrund gibt.
Hier ist neben einer guten Vorbereitung auch viel Fingerspitzengefühl gefragt.
Um dieses Thema inklusive Gesprächsführung in solchen Fällen werden wir uns daher in Kürze gesondert kümmern.

Unsere Blogbeiträge gibt es auch als Newsletter. Melden Sie sich hier an und erhalten Sie aktuelle Informationen aus der Welt des Arbeitsrechts kostenfrei in Ihren Posteingang!

  • Erstellt am .