Aktuelles zum Thema Schriftform, Textform, Freistellung und Dienstwagen
Heute geht es um ein Thema, das alle betrifft:
Aktuelle Entwicklungen in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und deren Auswirkungen auf die Gestaltung von Arbeitsverträgen.
1. Textform oder Schriftformklauseln?
Viele Arbeitsvertragsmuster sehen für Änderungen und Ergänzungen „echte“ Schriftform („wet-ink“) vor.
Da nach dem am 01.01. dieses Jahres in Kraft getretenen Bürokratieentlastungsgesetz die Nachweise über die Arbeitsbedingungen auch in Textform erbracht werden können, stellt sich die Frage, ob die klassischen Schriftformklauseln noch sinnvoll sind, oder ob man für Änderungen/Ergänzungen des Arbeitsvertrags auf die Textform wechseln sollte.
Die Änderung von der Schrift- in die Textform hat Vorteile:
✅ Keine Zweifel an der Zulässigkeit:
Tatsächlich gibt es mittlerweile Stimmen in der Literatur, die Zweifel an der Wirksamkeit von Schriftformklauseln haben. Im schlimmsten Fall würde das bedeuten, dass keine Formvorgaben gelten; damit wäre auch ungewollten, stillschweigenden Vertragsänderungen Tür und Tor geöffnet. Textformklauseln sind in jedem Fall zulässig.
✅ Einfachere Kommunikation:
Textform erlaubt E-Mails, SMS usw. – keine Unterschrift oder Papier nötig.
✅ Schnelligkeit und Effizienz:
Entscheidungen oder Vertragsänderungen können sofort und ortsunabhängig getroffen werden.
✅ Kosteneinsparung:
Kein Drucken, Versenden oder Einscannen von Dokumenten nötig.
✅ Rechtssicherheit bleibt bestehen:
Textform ist rechtlich bindend, solange gesetzlich keine Schriftform vorgeschrieben ist.
Die Änderung von der Schrift- in die Textform hat aber auch Nachteile:
🚫 Geringere Beweissicherheit:
Unterschriften in der Schriftform lassen sich besser zuordnen. Bei Textform kann schwerer bewiesen werden, wer was geschrieben hat.
Außerdem ist der Beweiswert von Original-Dokumenten höher.
🚫 Höheres Missbrauchsrisiko:
Nachrichten können leicht gefälscht oder manipuliert werden, z. B. durch ein gehacktes E-Mail-Konto.
🚫 Mangel an Formalität:
Textform kann als weniger verbindlich oder „offiziell“ wahrgenommen werden, was Missverständnisse begünstigen kann.
🚫 Nicht überall gültig:
Für manche Änderungen (z. B. Befristungen oder Befristungsverlängerungen im Sinne des TzBfG oder die Kündigung von Arbeitsverträgen) ist die Schriftform gesetzlich vorgeschrieben – Textform reicht hier nicht.
🚫 Niedrige Hemmschwelle begünstigt unüberlegte Handlungen:
Per E-Mail werden schonmal Dinge kommuniziert, die weniger überlegt sind bzw. gar nicht verbindlich sein sollen. Um diese Gefahr leichtfertiger Zusagen zu bannen, könnte alternativ überlegt werden, im Arbeitsvertrag festzulegen, dass nur bestimmte Personen/Funktionen zu Vertragsänderungen oder -ergänzungen berechtigt sind.
Vor diesem Hintergrund sollten Sie individuell entscheiden, ob Sie für Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrags an der Schriftform festhalten möchten.
Eine Alternative zur Textform, die die gerade beschriebenen Nachteile minimiert, nicht aber die eingangs genannte Zweifel an der Zulässigkeit ausräumt, wäre die elektronische Form, die allerdings eine qualifizierte elektronische Signatur voraussetzt.
Wenn Sie sich für die Herabstufung von der Schrift- auf die Textform oder die elektronische Form entscheiden, könnte das im Übrigen auch in bestehenden Arbeitsverhältnissen durch eine kurze Änderungsvereinbarung problemlos umgesetzt werden.
Auch wenn sich das einfach anhört:
Bitte legen Sie nach Möglichkeit nicht selbst Hand an die Änderung. Es gibt nämlich auch bei Vertragsänderungen immer noch Fälle, in denen Schriftform erforderlich ist; und das sollte in der neuen Klausel abgebildet werden.
2. Freistellungsvorbehalt für die Dauer der Kündigungsfrist
Wie Sie vermutlich wissen, war bis dato umstritten, ob in Arbeitsverträgen eine „grundlose“ Freistellung vereinbart werden kann.
Aktuelle Urteile des BAG (beide Urteile vom 12.02.2025, Az. 5 AZR 127/24 und 5 AZR 171/24) zum Beschäftigungsanspruch während der Kündigungsfrist lassen den Rückschluss zu, dass das BAG einen solch weitreichenden Verzicht der Beschäftigten auf ihren (grundrechtlich gesicherten) Beschäftigungsanspruch für unzulässig hält.
Wir tendieren aus folgenden Gründen trotzdem dazu, eine solche, wenn auch unwirksame Regelung in den Verträgen zu belassen:
- Da viele Beschäftigte die Rechtsprechung nicht kennen werden, wird auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Regelung eine Freistellung trotzdem in vielen Fällen gelingen (oft kommt sie den Beschäftigten ja sogar entgegen).
- Wenn die Vereinbarung einer „grundlosen“ Freistellung unwirksam ist, hat das nicht zur Folge, dass Sie gar nicht freistellen können.
Vielmehr erfolgt dann eine Interessenabwägung, die auch von Gesetzes wegen zu einem Freistellungsanspruch führen kann.
3. Rückgabe des Dienstwagens bei Freistellung
Eine schon fast logische Folge aus unserem Kommentar in Ziffer 2. ist die Unwirksamkeit einer Regelung, die Beschäftigte mit Anspruch auf einen privatnutzbaren Dienstwagen bei „grundloser“ Freistellung zur entschädigungslosen Rückgabe verpflichtet. Und solche Regelungen finden sich in vielen Dienstwagenverträgen.
Hier hat die Unwirksamkeit allerdings Folgen: Wenn Beschäftigte sich weigern, den Dienstwagen zurückzugeben, können Sie die Rückgabe nicht erzwingen, weil die Regelung unwirksam ist.
Die Alternative wäre also eine Regelung, die das Unternehmen nur bei begründeter Freistellung zum Widerruf und damit zur entschädigungslosen Rückgabe des Dienstwagens ermächtigt.
Aber auch hier stellt sich wieder die Frage: Tun Sie sich einen Gefallen damit, wenn Sie das in den Dienstwagenvertrag hineinschreiben?
Da Beschäftigte in der Regel ein großes Interesse daran haben, den Dienstwagen auch während einer Freistellung zu behalten, könnte das dazu führen, dass mehr Beschäftigte als bisher darauf bestehen, den Dienstwagen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu behalten.
Deshalb gilt es auch hier, sorgfältig abzuwägen.
Wenn Sie aus „psychologischen Gründen“ an der unwirksamen Regelung festhalten möchten, müssen Sie aber damit rechnen, dass Beschäftigte, die den Dienstwagen aufgrund einer grundlosen Freistellung an Sie zurückgeben, eine Nutzungsentschädigung in Höhe der 1 %-Regelung verlangen und auch verlangen können. Wenn Beschäftigten nachweislich ein höherer Schaden entstanden ist, können sie diesen ersetzt verlangen.
4. Anrechnung von tatsächlichen oder böswillig unterlassenen Nebeneinkünften während der Freistellung
Ebenfalls frisch ist das Urteil des BAG (Az. 5 AZR 127/24), in dem es entschied, dass freigestellte Beschäftigte während der Kündigungsfrist nur in Ausnahmefällen verpflichtet sind, sich einen neuen Job zu suchen. Sie können die Freistellungsvergütung deshalb in der Regel nur um die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Nebeneinkünfte kürzen; eine Anrechnung unterlassener, aber möglicher Nebeneinkünfte ist dagegen (bis auf Ausnahmefälle) ausgeschlossen.
Gesetzt den Fall, dass ein solcher Ausnahmefall vorliegt (z. B. weil es aufgrund einer [Teil-]Stilllegung keinen Beschäftigungsbedarf mehr gibt), ist es nach demselben Urteil allerdings erforderlich, in der arbeitsvertraglichen Freistellungsregelung klarzustellen, dass die Anrechnung nicht nur tatsächlichen, sondern auch böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienst erfasst.
Sollte auch Ihr Vertragsmuster einen solchen Passus enthalten, empfehlen wir Ihnen daher, diese Regelung entsprechend anzupassen.
Sie sehen: Die Gestaltung von (Arbeits-)verträgen ist schwierig und macht es erforderlich, jederzeit auf dem aktuellen Stand der Rechtsprechung zu sein.
Melden Sie sich gerne, wenn Sie Fragen zur Vertragsgestaltung haben.
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