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Die Arbeitszeit beginnt nicht schon mit Betreten des Betriebsgeländes!

Sie kennen den Grundsatz: Der Weg von zuhause zur Arbeitsstelle ist keine Arbeitszeit.

Aber was ist, wenn Beschäftigte das Betriebsgelände betreten haben? Tickt ab dann die Uhr? Oder tickt sie erst, wenn die Beschäftigten ihren eigentlichen Arbeitsplatz erreicht haben?

Klar ist, dass es sich bis zum Erreichen des individuellen Arbeitsplatzes noch nicht um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes handelt. Oft unklar ist aber, ob die Wegezeiten innerhalb des Betriebsgeländes vergütet werden müssen.
Denn auch wenn es sich nicht um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes handelt, kann es trotzdem vergütungspflichtige Arbeitszeit sein.

Und die Grundsätze zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit wurden in den letzten Jahren erheblich vom Bundesarbeitsgericht (BAG) ausgeweitet.
Vergütungspflichtig sind nach geltender Rechtsprechung des BAG alle Tätigkeiten, die den Interessen des Arbeitgebers dienen.

Aus diesem Grund wird oft und gerade auch mit Betriebsräten darüber diskutiert, ob Zeiten, die Beschäftigte innerhalb des Betriebsgeländes aufbringen müssen, um ihren Arbeitsplatz zu erreichen, vergütungspflichtige Arbeitszeit sind.

In seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 31.01.2025 (Az.: 19 SLa 564/24) hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen entschieden:
Die vergütungspflichtige Arbeitszeit beginnt – wenn nichts anderes geregelt ist – grundsätzlich erst, wenn die Beschäftigten ihren konkreten Arbeitsplatz erreicht haben.

Wörtlich heißt es in dem Urteil:

„Ein allgemeines Prinzip, dass es auf das „Durchschreiten des Werktors“ - wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers meint - ankommt, gibt es nicht. Auch bei einem großen Produktionsgelände kann der konkrete Arbeitsplatz in einer erheblichen räumlichen Entfernung von dem Werkstor liegen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht z.B. auch für den Fall eines Klinikgebäudes angenommen (vgl. BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23, NZA-RR 2013, 63). Auch dort begann die vergütungspflichtige Arbeitszeit nicht bereits mit Betreten des Gebäudes, sondern erst mit Erreichen der Umkleidegebäude im Parterre, wo die Arbeitnehmer die erste arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit, nämlich das Umkleiden, vorzunehmen hatten.“

Mit dieser Entscheidung setzen die hessischen Landesarbeitsrichter also auf der bisherigen Rechtsprechung des BAG auf.

Ob das BAG vor dem Hintergrund seiner mittlerweile weiten Interpretation von vergütungspflichtiger Arbeitszeit an dieser Auffassung festhält, bleibt abzuwarten. Denn das Hessische LAG hat die Revision zum BAG zugelassen.
Die hessischen Landesarbeitsrichter möchten nicht ausschließen, dass das BAG die Sache bei größeren Betriebsgeländen unter Umständen anders beurteilt. Hierzu muss man wissen, dass die Beschäftigten im konkreten Fall viel Zeit aufwenden mussten, um in das Gebäude zu gelangen, in dem sie ihre eigentliche Arbeit aufnehmen. Es handelte sich nämlich um Mitarbeiter des Frankfurter Flughafens, die vorher eine Sicherheitskontrolle passieren, ab einem bestimmten Punkt eine Warnweste anlegen und zwischendurch auch einen Shuttle-Service nutzen mussten.

Bis zu einer erneuten Entscheidung des BAG können sich Unternehmen aber erstmal auf den Standpunkt stellen, dass auch Wegezeiten innerhalb des Betriebsgeländes keine vergütungspflichtige Arbeitszeit sind.

Wie gesagt gilt das allerdings nur, wenn nichts anderes geregelt ist. Andere Regelungen können sich vor allem aus Tarifverträgen ergeben.
Und auch Betriebsräte sind bei der Gestaltung einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit gerne darauf aus, solche Zeiten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zu erklären. Wie die heute besprochene Entscheidung des LAG Hessen zeigt, ist es aber kein Muss, dass Arbeitgeber sich hierauf einlassen.

Arbeitgeber sollten sich allerdings auch nicht selbst ein Bein stellen und Arbeitszeiterfassungsgeräte – überspitzt gesprochen – schon am Werkstor aufstellen. Klüger ist es, die Erfassungsgeräte in der Nähe der konkreten Arbeitsplätze zu platzieren.

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