Das BAG und die VW-Betriebsräte - die Volltexte sind da!
Wir hatten regelmäßig und zuletzt am 21.03.2025 über die Angemessenheit der Vergütung der VW-Betriebsräte berichtet.
Vergangene Woche hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in zwei VW-Fällen (Az. 7 AZR 46/24 und 7 AZR 159/24) seine Urteile im Volltext veröffentlicht.
Grund genug für uns, die wesentlichen Feststellungen des BAG mit Ihnen zu teilen:
- Hat das Unternehmen die Vergütung eines BR-Mitglieds aufgrund der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer (§ 37 Absatz 4 Satz 1 BetrVG) selbst ermittelt und dem BR-Mitglied mitgeteilt, muss das Unternehmen darlegen und beweisen, dass diese Vergütung fehlerhaft war.
Ausnahmen:
➡️ Es muss sich dem BR-Mitglied geradezu aufdrängen, dass es bei der Vergütung in unzulässiger Weise begünstigt wird.
➡️ Der Hinweis des Arbeitgebers auf die Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung ist ganz offensichtlich falsch und nur vorgeschoben.
Diese Ausnahmen sind rar gesät und werden wohl gar nicht mehr vorkommen, wenn Unternehmen von ihren neuen Möglichkeiten Gebrauch machen. Wie Sie wissen, wurde § 37 Absatz Satz 4 BetrVG mit Wirkung ab dem 25.07.2024 zugunsten der Betriebsparteien geändert. Arbeitgeber und Betriebsrat können seither eine Betriebsvereinbarung über das Verfahren zur Bestimmung der Vergleichsgruppe sowie über konkrete Vergleichsgruppen schließen, wobei eine solche Betriebsvereinbarung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar ist.
- Die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers sind laut BAG erheblich. Wenn der Arbeitgeber (entgegen seiner damals anderslautenden Mitteilung an das BR-Mitglied) jetzt sagt, dass die Vergütung oberhalb der mit dem BR-Mitglied vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung liegt, muss es die von ihm einbezogenen Vergleichspersonen im Arbeitsgerichtsprozess namentlich anführen. Eine Pseudonymisierung genügt nicht und ist auch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erforderlich. An dieser Stelle macht das BAG in seinem Urteil vom 20.03.2025 (Az.: 7 AZR 46/24) übrigens sehr schöne Ausführungen zur Datenverarbeitung im Zuge der Entscheidungsfindung der Gerichte.
Das BAG räumt außerdem mit allgemeinen Streitpunkten auf:
- Die Ansprüche aus § 37 Absatz 4 Satz 1 BetrVG (Vergütung wie vergleichbare Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung) und § 78 Satz 2 BetrVG (fiktiver Beförderungsanspruch) stehen selbständig nebeneinander. Es gibt kein Regel- /Ausnahmeverhältnis in dem Sinne, dass § 37 Absatz 4 Satz 1 BetrVG die Regel und § 78 Satz 2 BetrVG die Ausnahme ist, wie manche meinen.
Vielmehr handelt es sich um zwei getrennte Tatbestände mit unterschiedlichen Voraussetzungen, die zu unterschiedlichen Vergütungen führen können.
- Das BAG hat außerdem den vielen Fachleuten (einschließlich der damaligen Bundesregierung) widersprochen, die in dem Strafurteil des Bundegerichtshofs (BGH) vom 10.01.2023 (Az.: 6 StR 133/22) einen Widerspruch zur Rechtsprechung des BAG sehen. Das BAG sah sich deshalb nicht veranlasst, den gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe anzurufen.
Das wird u. a. Prof. Dr. Matthias Jacobs freuen; er hat nämlich von Anfang an gesagt, dass entgegen der vielen Diskussionen um das Strafurteil des BGH keine Rechtsunsicherheit besteht.
Trotzdem kann das BAG solche Unternehmen nicht von strafrechtlichen Risiken freisprechen. Arbeits- und Strafrecht sind zwei verschiedene Paar Schuhe, auch (und hier vor allem) prozessual. Oder anders gesagt: Wenn in einem Arbeitsgerichtsprozess festgestellt wird, dass VW verpflichtet bleibt, BR-Mitgliedern eine objektiv zu hohe Vergütung zu zahlen, weil VW seiner Darlegungslast nicht genügte, ist das noch keine Entlastung für den Strafprozess. Denn im Strafprozess wir nicht nach Darlegungs- und Beweislast entschieden, im Strafprozess gilt der Amtsermittlungsgrundsatz.
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